154 | Christina Lutter
Fall gibt es zwar keine Gründungsurkunde wie in Lippoldsberg, wohl aber eine
Dotationsurkunde aus dem Jahr 1130, in der auf die Konsequenzen der strengen
Klausur für die Bedürfnisse des täglichen Lebens eingegangen wird: Detailliert werden
die Einkünfte der Frauen aus den reichen Admonter Besitzungen aufgezählt,
für deren Verwaltung eine eigene Kammer eingerichtet wurde; die Materialien, die
sie für die Handarbeiten im Kloster benötigten, aber ebenso Kleintiere, bewegliche
Güter und nicht zuletzt weibliche Dienstboten, welche die Frauen, von denen viele
– so betont die Überlieferung mehrfach – aus den besten Familien der näheren
und weiteren Umgebung stammten, mitnehmen durften. ²⁷ Der hier belegte Lebensstil
liegt in einigen Aspekten quer zur Reformrhetorik der reichen übrigen Überlieferung,
etwa den Predigten des Admonter Abtes bzw. Seelsorgers Irimbert, der
Beteiligung der Admonterinnen an der Handschriftenproduktion und wohl auch
an der diese begleitenden intellektuell-spirituellen Auseinandersetzung mit Fragen
des »richtigen« geistlichen Lebens. ²⁸ Wie in der Frage der Ausstattung legen auch
erhaltene Briefe aus dem Kloster an Verwandte und Vertraute nahe, dass das Streben
nach einem an strengen Reformzielen orientierten und daher »abgeschlossenen«
Leben in einer neuen Gemeinschaft ernst genommen wurde, dass aber bestehende
soziale Bindungen und Zugehörigkeiten nicht nur weiter bestanden, sondern dass
versucht wurde, sie auch in die ideellen neuen Lebensmodelle zu integrieren. ²⁹
Die Bedeutung gerade auch weiblicher Religiosen als Spezialistinnen für Gebet
und memoria und damit als Bindeglied zwischen Diesseits und Jenseits wie zwischen
monastischer familia und weltlichen Verwandtschafts- und Wirtschaftsverbänden
wird in der Forschung seit geraumer Zeit betont. ³⁰ Spirituelle und materielle
Ökonomie sind zwei Seiten derselben Medaille. In diesen Aspekten ist unser
27 Urkundenbuch des Herzogthums Steiermark, 3 Bde., hg. von Josef Zahn, Graz 1876, Bd. 1, S. 170, n. 171
sowie Jakob Wichner, Das ehemalige Nonnenkloster O.S.B. zu Admont, in: Wissenschaftliche Studien
und Mittheilungen aus dem Benedictiner-Orden mit besonderer Berücksichtigung der Ordensgeschichte
und Statistik 2, 1881, S. 75 –319, Beilage I, S. 304; mit weiteren Belegen diskutiert bei Lutter, Geschlecht
und Wissen (wie Anm. 21), S. 197–200. Zur Lippoldsberger Gründungsurkunde vgl. den Beitrag von
Hedwig Röckelein in diesem Band, S. 139f. Grundlegend ist Franz Josef Felten, Zum Problem der sozialen
Zusammensetzung von den Benediktinerklöstern und Konventen der neuen religiösen Bewegung,
in: Hildegard von Bingen in ihrem historischen Umfeld, hg. von Alfred Haverkamp, Bingen am Rhein/
Mainz 2000, S. 189 –235.
28 Alison I. Beach, Women as Scribes. Book Production and Monastic Reform in 12 ᵗʰ -Century Bavaria,
Cambridge 2004; Ingrid Roitner, Das Admonter Frauenkloster im 12. Jahrhundert. Ein Musterkloster
des Ordo Hirsaugiensis, in: Studien und Mitteilungen zur Geschichte des Benediktiner-Ordens und seiner
Zweige 116, 2005, S. 190 –289.
29 Alison I. Beach, Voices from a Distant Land. Fragments of a Twelfth Century Nun’s Letter Collection,
in: Speculum 77, 2002, S. 34 –54; Lutter, Geschlecht und Wissen (wie Anm. 21), S. 178 –220.
30 Patrick Geary, Phantoms of Remembrance. Memory and Oblivion at the End of the First Millennium,
Princeton 1994; Elisabeth van Houts, Memory and Gender in Medieval Europe 900 –1200, London
1999; Gabriela Signori, Wanderer zwischen den »Welten«. Besucher, Briefe, Vermächtnisse und Geschenke
als Kommunikationsmedien im Austausch zwischen Kloster und Welt, in: Krone und Schleier.
Fall gibt es zwar keine Gründungsurkunde wie in Lippoldsberg, wohl aber eine
Dotationsurkunde aus dem Jahr 1130, in der auf die Konsequenzen der strengen
Klausur für die Bedürfnisse des täglichen Lebens eingegangen wird: Detailliert werden
die Einkünfte der Frauen aus den reichen Admonter Besitzungen aufgezählt,
für deren Verwaltung eine eigene Kammer eingerichtet wurde; die Materialien, die
sie für die Handarbeiten im Kloster benötigten, aber ebenso Kleintiere, bewegliche
Güter und nicht zuletzt weibliche Dienstboten, welche die Frauen, von denen viele
– so betont die Überlieferung mehrfach – aus den besten Familien der näheren
und weiteren Umgebung stammten, mitnehmen durften. ²⁷ Der hier belegte Lebensstil
liegt in einigen Aspekten quer zur Reformrhetorik der reichen übrigen Überlieferung,
etwa den Predigten des Admonter Abtes bzw. Seelsorgers Irimbert, der
Beteiligung der Admonterinnen an der Handschriftenproduktion und wohl auch
an der diese begleitenden intellektuell-spirituellen Auseinandersetzung mit Fragen
des »richtigen« geistlichen Lebens. ²⁸ Wie in der Frage der Ausstattung legen auch
erhaltene Briefe aus dem Kloster an Verwandte und Vertraute nahe, dass das Streben
nach einem an strengen Reformzielen orientierten und daher »abgeschlossenen«
Leben in einer neuen Gemeinschaft ernst genommen wurde, dass aber bestehende
soziale Bindungen und Zugehörigkeiten nicht nur weiter bestanden, sondern dass
versucht wurde, sie auch in die ideellen neuen Lebensmodelle zu integrieren. ²⁹
Die Bedeutung gerade auch weiblicher Religiosen als Spezialistinnen für Gebet
und memoria und damit als Bindeglied zwischen Diesseits und Jenseits wie zwischen
monastischer familia und weltlichen Verwandtschafts- und Wirtschaftsverbänden
wird in der Forschung seit geraumer Zeit betont. ³⁰ Spirituelle und materielle
Ökonomie sind zwei Seiten derselben Medaille. In diesen Aspekten ist unser
27 Urkundenbuch des Herzogthums Steiermark, 3 Bde., hg. von Josef Zahn, Graz 1876, Bd. 1, S. 170, n. 171
sowie Jakob Wichner, Das ehemalige Nonnenkloster O.S.B. zu Admont, in: Wissenschaftliche Studien
und Mittheilungen aus dem Benedictiner-Orden mit besonderer Berücksichtigung der Ordensgeschichte
und Statistik 2, 1881, S. 75 –319, Beilage I, S. 304; mit weiteren Belegen diskutiert bei Lutter, Geschlecht
und Wissen (wie Anm. 21), S. 197–200. Zur Lippoldsberger Gründungsurkunde vgl. den Beitrag von
Hedwig Röckelein in diesem Band, S. 139f. Grundlegend ist Franz Josef Felten, Zum Problem der sozialen
Zusammensetzung von den Benediktinerklöstern und Konventen der neuen religiösen Bewegung,
in: Hildegard von Bingen in ihrem historischen Umfeld, hg. von Alfred Haverkamp, Bingen am Rhein/
Mainz 2000, S. 189 –235.
28 Alison I. Beach, Women as Scribes. Book Production and Monastic Reform in 12 ᵗʰ -Century Bavaria,
Cambridge 2004; Ingrid Roitner, Das Admonter Frauenkloster im 12. Jahrhundert. Ein Musterkloster
des Ordo Hirsaugiensis, in: Studien und Mitteilungen zur Geschichte des Benediktiner-Ordens und seiner
Zweige 116, 2005, S. 190 –289.
29 Alison I. Beach, Voices from a Distant Land. Fragments of a Twelfth Century Nun’s Letter Collection,
in: Speculum 77, 2002, S. 34 –54; Lutter, Geschlecht und Wissen (wie Anm. 21), S. 178 –220.
30 Patrick Geary, Phantoms of Remembrance. Memory and Oblivion at the End of the First Millennium,
Princeton 1994; Elisabeth van Houts, Memory and Gender in Medieval Europe 900 –1200, London
1999; Gabriela Signori, Wanderer zwischen den »Welten«. Besucher, Briefe, Vermächtnisse und Geschenke
als Kommunikationsmedien im Austausch zwischen Kloster und Welt, in: Krone und Schleier.