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Innovationen durch Deuten und Gestalten: Klöster im Mittelalter zwischen Jenseits und Welt — Klöster als Innovationslabore, Band 1: Regensburg: Schnell + Steiner, 2014

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Lutter, Christina: Geistliche Gemeinschaften in der Welt: Kommentar zur Sektion Individuum und Gemeinschaft – Innen und Außen
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https://doi.org/10.11588/diglit.31468#0156
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Geistliche Gemeinschaften in der Welt | 155
Wissen über religiöses Gemeinschaftsleben und geistliche Reformbewegungen im
mittelalterlichen Europa in den vergangenen Jahrzehnten Dank Initiativen wie der
Forschungsstelle für vergleichende Ordensgeschichte oder des Projekts der Veranstalter
der heutigen Tagung enorm gewachsen. ³¹ Dennoch wissen wir immer noch
deutlich mehr über die früh- und hochmittelalterlichen Entwürfe monastischen
Lebens als über ihre prozessuale Verhandlung und Umsetzung in der Praxis. Das
hängt nicht zuletzt mit der Überlieferung zusammen, die mit wenigen Ausnahmen
– Admont ist eine solche – meist bis ins 12. Jahrhundert auch in jenen Klöstern
mit besonders gut erhaltenen Quellenbeständen überschaubar ist. Das ändert sich
ab dem 13., jedenfalls aber dem 14. Jahrhundert mit dem enormen Anstieg und der
ebenso großen Diversifizierung des Quellenmaterials. Es erlaubt uns Einblicke in
die Formen der eingangs erwähnten Rückbindung des Lebensmodells Kloster an
weltliche Gruppen – und nicht nur an ihre Spitzen – und die Einschätzung ihrer
Bedeutung für einen nachhaltigen Erfolg des Lebensmodells Kloster. Bereits
vorhandene Studien zu spätmittelalterlichen monastischen Gemeinschaften lassen
außerdem vermuten, dass das Verhältnis von Normen und Formen der gelebten
religiösen Praxis im Licht der Ausdifferenzierung von Quellenmaterial und darin
reflektierten Lebensformen nochmals zu relativieren sein wird.
Aus der Fülle der Überlieferung möchte ich diesen Punkt anhand monastischer
Frauengemeinschaften unterschiedlicher Ordenszugehörigkeit in verschiedenen
geographischen Räumen verdeutlichen: Eva Schlotheuber konnte anhand eines an
der Wende vom 15. zum 16. Jahrhundert entstandenen »Konventstagebuchs« einer
namentlich nicht bekannten Nonne des Zisterzienserinnenklosters Heilig-Kreuz
bei Braunschweig im Vergleich mit den reformierten Benediktinerinnen von Lüne
und Ebstorf mittels einer Fülle zeitgenössischer Überlieferungsformen (von Regeltexten,
Reformstatuten und -berichten bis hin zur urkundlichen Überlieferung)
zeigen, wie sehr die Familien der Nonnen in diesen geistlichen Gemeinschaften die
Stadt- und Regionalpolitik mitbestimmt haben – hier in den Auseinandersetzungen
zwischen der Stadt Braunschweig, dem Herzog und dem niederen Adel sowie dem
Bischof von Hildesheim seit dem 13. Jahrhundert – und in welchen Weisen ihr jeweiliger
sozialer Status und ihre politische Bedeutung in Wechselwirkung mit dem
spirituellen Selbstverständnis der Konventualinnen als »Bräute Christi« standen.
Kunst aus mittelalterlichen Frauenklöstern, hg. von der Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik
Deutschland, Bonn und dem Ruhrlandmuseum Essen, München, 2005, S. 130 –141.
31 Mittelalterliche Orden und Klöster im Vergleich. Methodische Ansätze und Perspektiven, hg. von Gert
Melville/Anne Müller (Vita regularis. Abhandlungen 34), Berlin/Münster 2007, darin v. a. Franz Josef
Felten, Wozu treiben wir vergleichende Ordensgeschichte?, S. 1–51; Innovation in Klöstern und Orden
des Hohen Mittelalters. Aspekte und Pragmatik eines Begriffs, hg. von Mirko Breitenstein/Stefan
Burkhardt/Julia Dücker (Vita regularis. Abhandlungen 48), Berlin 2012.
 
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