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Innovationen durch Deuten und Gestalten: Klöster im Mittelalter zwischen Jenseits und Welt — Klöster als Innovationslabore, Band 1: Regensburg: Schnell + Steiner, 2014

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Lutter, Christina: Geistliche Gemeinschaften in der Welt: Kommentar zur Sektion Individuum und Gemeinschaft – Innen und Außen
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https://doi.org/10.11588/diglit.31468#0157
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156 | Christina Lutter
Schlotheubers differenzierte Untersuchung der jeweils unterschiedlichen Praxis von
Schriftlichkeit belegt zudem die Notwendigkeit, die traditionell übliche Trennung
von materiellen und spirituellen Aspekten des Ordenslebens von Frauen, d.h. von
Fragen nach den gesellschaftlichen Funktionen spätmittelalterlicher Frauenklöster
und jenen nach Lebenswelt, Spiritualität und Selbstverständnis der Betroffenen zu
überwinden. ³²
Ähnlich konnten die beiden vergleichenden Mainzer Dissertationen von Christine
Kleinjung zu den Wormser Frauenklöstern unterschiedlicher Ordenszugehörigkeit
und die Längsschnittstudie von Gordon Blennemann zu den Metzer
Benediktinerinnen feststellen, wie sehr bürgerliche und adelige Stiftungen an die
Gemeinschaften verwandtschaftlich begründete Handlungen darstellten, die gleichzeitig
die fließenden, durch unterschiedliche Beziehungsformen begründeten Übergänge
zwischen adeligen und bürgerlichen Eliten unterstreichen. ³³ Beide betonen
je kontextspezifisch die Eigenschaft dieser Frauenklöster als Zentren der Kommunikation
und die Vielfalt der Möglichkeiten spirituellen, sozialen und ökonomischen
Handelns, welche die Konventualinnen selbst im Rahmen ihrer geistlichen
Gemeinschaften, und zwar in Rückbindung an jene ihrer Herkunftsfamilien hatten.
Bemerkenswert ist dabei vor allem, in welchem Ausmaß verwandtschaftliche Bindungen
im Kloster fortgesetzt bzw. erneuert wurden, etwa durch die Weitergabe
von Legaten zwischen Schwestern, Tanten und Nichten, über Geschenke, Seelgeräte
und Stiftungen. Auch hier erweisen sich spirituelle und materielle, religiöse und
ökonomische Aspekte dieses Handelns als konsequent aufeinander verwiesen und
als integrale Faktoren mittelalterlichen Gemeinschafts- und Heilsverständnisses.
Im äußersten Südosten des Heiligen Römischen Reichs, in den österreichischen
Ländern an den Grenzen zu Böhmen und Ungarn lässt sich eine vergleichbare sozio-politische
Rolle der Zisterzienserinnen von St. Niklas vor den Stadtmauern von
Wien feststellen: Die Konventualinnen der dem Heiligenkreuzer Männerkonvent
unterstellten Gemeinschaft werden in der urkundlichen Überlieferung seit dem
14. Jahrhundert nicht nur als Mitglieder der maßgeblichen regionalen Führungsgruppen
sichtbar, von denen wiederum Personen beiderlei Geschlechts Träger der
zeitgenössischen Stiftungspraxis waren. Darüber hinaus und wohl in enger Wech-
32 Eva Schlotheuber, Klostereintritt und Bildung. Die Lebenswelt der Nonnen im späten Mittelalter.
Mit einer Edition des »Konventstagebuchs« einer Zisterzienserin von Heiligkreuz bei Braunschweig
(1484 –1507) (Spätmittelalter und Reformation. Neue Reihe 24), Tübingen 2004; pointiert auch Signori,
Wanderer zwischen den Welten (wie Anm. 30) mit weiteren Beispielen.
33 Christine Kleinjung, Frauenklöster als Kommunikationszentren und soziale Räume. Das Beispiel
Worms vom 13. bis zum Beginn des 15. Jahrhunderts (Studien und Texte zur Geistes- und Sozialgeschichte
des Mittelalters 1), Korb 2008; Gordon Blennemann, Die Metzer Benediktinerinnen im Mittelalter.
Studien zu den Handlungsspielräumen geistlicher Frauen (Historische Studien 498), Husum 2011, jeweils
mit umfangreichen bibliographischen Angaben zu weiteren Fallstudien.
 
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