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Innovationen durch Deuten und Gestalten: Klöster im Mittelalter zwischen Jenseits und Welt — Klöster als Innovationslabore, Band 1: Regensburg: Schnell + Steiner, 2014

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Lutter, Christina: Geistliche Gemeinschaften in der Welt: Kommentar zur Sektion Individuum und Gemeinschaft – Innen und Außen
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https://doi.org/10.11588/diglit.31468#0158
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Geistliche Gemeinschaften in der Welt | 157
selwirkung damit war das Kloster im späten 13. Jahrhundert Ort der politischen
Re-Integration in und nach den langwierigen politischen Auseinandersetzungen
seit dem Ende der babenbergischen Herrschaft, den hegemonialen Bestrebungen
des Böhmenkönigs Přemysl Otakar und dem letztlich dauerhaften politischen Erfolg
der Habsburger im Herzogtum, die nicht zuletzt über die Förderung des Konvents
von St. Niklas an die zeitgenössischen sozialen Eliten anknüpfen konnten. ³⁴
Aber auch der ehemalige Seelsorger der Frauen, Gutolf von Heiligenkreuz
machte in seiner Translatio St. Delicianae, einer historiografisch-hagiografischen
Beschreibung der Ereignisse, das Frauenkloster zum Mittelpunkt der Narration.
Er dürfte dabei als Bindeglied zwischen unterschiedlichen Gruppen gewirkt und
mit seinem Text nicht zuletzt versucht zu haben, sich auf diese Weise selbst in der
Nähe der sozio-politischen Elite der Region zu positionieren, ebenso wie in jener
der neuen Herrscher. Eines seiner maßgeblichen Argumente für die Notwendigkeit,
angesichts der politischen Wirren einen besser gesicherten Ort für die Nonnen
innerhalb der Stadt zu finden, ist der klassische Klausurtopos, man könne die
vorbildlich lebenden geistlichen Frauen im Fall der Zerstörung des Klosters doch
nicht schutz- und orientierungslos umherirren lassen. Als dieser Fall dann doch im
Zuge der Auseinandersetzungen Přemysl Otakars mit den Ungarn eintrat und das
Kloster von ungarischen Überfällen betroffen war, kamen die Frauen – offenbar
recht rasch – auf den festen Sitzen und Burgen ihrer Verwandten in der Umgebung
unter. ³⁵
Die Benediktinerinnen im steirischen Admont in der Erzdiözese Salzburg, die
gemeinsam mit ihren geistlichen Brüdern im »Doppelkloster« in den Kanonikerund
koinobitischen Reformen des 12. Jahrhundert eine herausragende soziale wie
geistig-geistliche Rolle gespielt hatten, scheinen diese – zumindest legt das der Befund
der Überlieferung nahe – ab dem 13. Jahrhundert verloren zu haben. Etwa
gleichzeitig verlor der ideell am apostolischen Reform-Modell der vita communis
und konkret an der Kanonikerreform orientierte Salzburger Gebetsverbund, an
34 Überblick bei Christina Lutter, »Locus horroris et vastae solitudinis«? Zisterzienser und Zisterzienserinnen
in und um Wien, in: Historisches Jahrbuch 132, 2012, S. 141–176. Im Detail Ferdinand Opll, St.
Maria bei St. Niklas vor dem Stubentor, in: Jahrbuch des Vereins für Geschichte der Stadt Wien 50, 1994,
S. 13 – 81. Ähnliches kann für die Zisterzienserinnen von St. Bernhard bei Horn vermutet werden, einer
Gründung des einflussreichen Ministerialengeschlechts der Kuenringer, die ihrerseits den Zisterziensern
von Zwettl, des ersten Tochterklosters von Heiligenkreuz, unterstellt war: St. Bernhard und die Zisterzienser.
Neue Forschungen zu Geschichte und Kunst, hg. von Ralph Andraschek-Holzer/Meta Niederkorn/Barbara
Schedl (Beiträge zur Kirchengeschichte Niederösterreichs 8/Geschichtliche Beilagen
zum St. Pöltner Diözesanblatt 25), St. Pölten 2001; Doris Schiller, Das Zisterzienserinnenkloster St.
Bernhard bei Horn, in: Jahrbuch des Stiftes Klosterneuburg. Neue Folge 19, 2004, S. 7–186.
35 Des Gutolf von Heiligenkreuz Translatio Sanctae Delicianae, hg. von Oswald Redlich/Anton E.
Schönbach, in: Sitzungsberichte der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in Wien, phil.-hist.
Klasse 159/2, 1908, S. 1–38.
 
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