Metadaten

Innovationen durch Deuten und Gestalten: Klöster im Mittelalter zwischen Jenseits und Welt — Klöster als Innovationslabore, Band 1: Regensburg: Schnell + Steiner, 2014

DOI Artikel:
Lutter, Christina: Geistliche Gemeinschaften in der Welt: Kommentar zur Sektion Individuum und Gemeinschaft – Innen und Außen
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.31468#0159
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
158 | Christina Lutter
dem die gesamte geistliche und weltliche Elite der Erzdiözese (so auch Admont)
teilhatte, mit den kirchenpolitischen Eingriffen Friedrich Barbarossas an Integrationspotential.
³⁶ Diese Koinzidenz ist wohl kaum zufällig, sondern unterstreicht einmal
mehr die Bedeutung politischer und verwandtschaftlicher Beziehungsgeflechte,
in die geistliche Gemeinschaften durch und über ihre Trägergruppen eingebunden
waren.
Die Südtiroler Benediktinerinnen auf der Sonnenburg ebenso wie die Klarissen
von Brixen und ihre Familien spielten im 15. Jahrhundert in den Auseinandersetzungen
mit den Bischöfen von Brixen und Trient vor dem Hintergrund der Melker
Reform eine ähnlich einflussreiche Rolle wie die Admonterinnen im 12. und die
Wiener Zisterzienserinnen im 13. Jahrhundert. Politisch wirksam wurde besonders
der Widerstand der Sonnenburgerinnen unter ihrer Äbtissin Verena von Stuben gegen
die durch den päpstlichen Legaten Nicolaus Cusanus initiierten Reformbestrebungen
in ihrem jahrelangen und erbittert ausgefochtenen Konflikt mit diesem. ³⁷
Überall ging es um das Verhältnis von temporalia und spiritualia, um »große«
Politik und Reform, wenn auch mit unterschiedlichen Vorzeichen: Berief sich
Admont ausdrücklich auf die Hirsauer Reform, mehr noch: gehörten die dortigen
Mönche und Nonnen zu ihren maßgeblichen Trägern, waren die Südtiroler Frauenklöster
300 Jahre später – durchaus mit geistlichen Argumenten sowie mit Berufung
auf die althergebrachte Tradition, die consuetudines des Klosters – explizite
Reformgegner. Es ist unbestreitbar, dass in den ideellen Entwürfen der meisten Regeln
für weibliche Religiosen, in den Schriften von Seelsorgern und besonders von
Reformern der Frage der Klausur eine herausragende Bedeutung zugemessen wurde,
im Rahmen derer gerade auch verwandtschaftliche Beziehungen unterbunden
oder zumindest streng kontrolliert werden sollten. Bei der Einschätzung zeitgenössischer
Reformrhetorik ist aber jedenfalls immer Vorsicht geboten, zumal solche
Forderungen in der gesellschaftspolitischen Praxis, welche die Überlieferung seit
36 Stefan Weinfurter/Bernd Schneidmüller, Ordnungskonfigurationen. Die Erprobung eines Forschungsdesigns,
in: Ordnungskonfigurationen im hohen Mittelalter, hg. von dens. (Vorträge und Forschungen
64), Sigmaringen 2006, S. 7–18, hier S. 9; Weinfurter, Die Macht der Reformidee (wie
Anm. 14).
37 Wilhelm Baum, Sonnenburg, in: Die benediktinischen Mönchs- und Nonnenklöster in Österreich und
Südtirol, bearb. von Ulrich Faust OSB/Waltraud Krassnig, hg. von der bayerischen Benediktinerakademie
München in Verbindung mit dem Abt-Herwegen-Institut Maria Laach (Germania Benedictina
3,3), München 2002, S. 604 –702; Eva Cescutti, »Et clausa est janua«. Maria von Wolkenstein, Nicolaus
Cusanus und das »richtige« Klosterleben, in: Fromme Frauen. Devozione femminile, hg. von Siglinde
Clementi (Geschichte und Region 12/2), Innsbruck/Wien/München u. a. 2004, S. 114 –140; Meta
Niederkorn-Bruck, Die Melker Reform im Spiegel der Visitationen (Mitteilungen des Instituts für
Österreichische Geschichtsforschung, Ergänzungsband 30), Wien 1994; sowie die ungedruckte Diplomarbeit
von Melanie Leopold, Untersuchungen zu benediktinischen Frauenklöstern in Österreich und
Südtirol im Kontext der Melker Reform, Wien 2012, die erstmals alle relevanten Daten zu Überlieferung
und Forschung zu den zehn von der Melker Reform betroffenen Frauenkommunitäten zusammenstellt.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften