Metadaten

Innovationen durch Deuten und Gestalten: Klöster im Mittelalter zwischen Jenseits und Welt — Klöster als Innovationslabore, Band 1: Regensburg: Schnell + Steiner, 2014

DOI article:
Signori, Gabriela: Der „Mönch im Bild“: Das Porträt als klösterliches Erinnerungsmedium an der Schwelle vom Mittelalter zur Frühen Neuzeit
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.31468#0164
License: Free access  - all rights reserved

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Der »Mönch im Bild« | 163
gewohntes Licht auf das wandelbare Verhältnis zwischen dem Einzelnen und der
Gemeinschaft wirft, über das nachzudenken mich Gert Melville ja auch eingeladen
hat. ¹³ Auf den teleologisch überlasteten Begriff des »Individuums« möchte ich an
dieser Stelle verzichten. Im Sinne der jüngeren Kulturtheorie ziehe ich das neutrale
Konzept der »Subjektkultur« als ein offenes Set an zeit- und gegebenenfalls
milieuspezifischen Praktiken vor, über sich selbst nachzudenken und sich unter
anderem mittels Kleider, Schrift, Buchbesitz oder Bild ins Szene zu setzen. ¹⁴ Auf
einer untergeordneten Ebene tangiert die Subjektkultur auch die zeitgenössischen
Reformkonzepte, wenngleich es fraglich ist, ob Einzelporträts der eingangs skizzierten
Art wirklich per se der Welt der verbotenen Objekte zugehörten. Als zweitrangig
schätze ich die Frage insofern ein, als die Paragone der spätmittelalterlichen
Ordensreform – in unserem Fall wörtlich – über die Köpfe der Klosterbrüder und
-schwestern hinweg dekretierten. Ihnen ging es mehr denn je um Uniformität als
um Spiritualität, auch bei der Bilderfrage. ¹⁵ Nach Stellungnahmen über das Porträt
und seine vielseitigen Gebrauchsformen suchen wir in den Reformschriften dementsprechend
vergeblich.
Das Porträt ist eine schwierige Bildgattung. Wie keine andere Bildform hebt es
zumindest idealiter die Einzigartigkeit und Unverwechselbarkeit des Porträtierten
hervor. ¹⁶ Aus der historischen Vogelperspektive betrachtet bedeutet Unverwechselsanne
Bäumler, Studien zum Adorationsdiptychon. Entstehung, Frühgeschichte und Entwicklung eines
privaten Andachtsbildes mit Adorantendarstellung. Mit einem Katalog, Diss. München 1983; Ronald
G. Kecks, Madonna und Kind. Das häusliche Andachtsbild im Florenz des 15. Jahrhunderts (Frankfurter
Forschungen zur Kunst 15), Berlin 1988, S. 11–34; Karl Schade, Andachtsbild. Die Geschichte
eines kunsthistorischen Begriffs, Weimar 1996; Peter Jezler, Mittelalterliche Andachtsbilder im privaten
Raum, in: Die Vielfalt der Dinge. Neue Wege zur Analyse mittelalterlicher Sachkultur. Gedenkschrift in
memoriam Harry Kühnel (Forschungen des Instituts für Realienkunde des Mittelalters und der Frühen
Neuzeit. Diskussionen und Materialien 3), Wien 1998, S. 237–261; Brigitte Zierhut-Bösch, Ikonografie
der Mutterschaftsmystik. Interdependenzen zwischen Andachtsbild und Spiritualität im Kontext
spätmittelalterlicher Frauenmystik, Freiburg im Breisgau/Berlin/Wien 2008.
13 Vgl. Das Eigene und das Ganze. Zum Individuellen im mittelalterlichen Religiosentum, hg. von Gert
Melville (Vita regularis. Abhandlungen 16), Münster 2002.
14 Andreas Reckwitz, Das hybride Subjekt. Eine Theorie der Subjektkulturen von der bürgerlichen Moderne
zur Postmoderne, Weilerswist 2006, S. 9 – 96.
15 Zur Bilderfeindlichkeit der spätmittelalterlichen Klosterreform, vgl. Margarete Hausner, Die Visitation
des Aegidius von Viterbo im Kloster der Augustinereremitinnen zu Memmingen 1516, in: Memminger
Geschichtsblätter 1974, S. 5 – 92, sowie Thomas Lentes, Bild, Reform und cura monialum. Bildverständnis
und Bildgebrauch im Buch der Reformacio Predigerordens des Johannes Meyer (1485), in: Dominicains
et dominicaines en Alsace, XIII ᵉ s. Actes du Colloque de Guebwiller, 8 –9 avril 1994, hg. von Jean-
Luc Eichenlaub, Colmar 1994, S. 177–195; Conrad Rudolph, The »Things of Greater Importance«.
Bernhard von Clairvaux’s Apologia and the Medieval Attitude Toward Art, Philadelphia 1990; Helmut
Feld, Konrad Summenhart. Theologe der kirchlichen Reform vor der Reformation, in: Rottenburger
Jahrbuch für Kirchengeschichte 11, 1992, S. 85 –116. Es fragt sich allerdings, ob die Bilderfeindlichkeit so
vieler Reformer im späten Mittelalter nicht eine deutsche Eigenheit darstellt.
16 Vgl. Unverwechselbarkeit. Persönliche Identität und Identifikation in der vormodernen Gesellschaft, hg.
von Peter von Moos (Norm und Struktur 23), Köln/Weimar/Wien 2004.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften