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Innovationen durch Deuten und Gestalten: Klöster im Mittelalter zwischen Jenseits und Welt — Klöster als Innovationslabore, Band 1: Regensburg: Schnell + Steiner, 2014

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Signori, Gabriela: Der „Mönch im Bild“: Das Porträt als klösterliches Erinnerungsmedium an der Schwelle vom Mittelalter zur Frühen Neuzeit
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https://doi.org/10.11588/diglit.31468#0173
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172 | Gabriela Signori
III
Eines der wenigen Mönchsporträts, das uns explizit darüber informiert, wer darauf
abgebildet ist, befindet sich in den Beständen des Westfälischen Landesmuseums
in Münster. Dank Aufschrift wissen wir in diesem Fall nämlich mit Sicherheit, das
es sich um die aus Brüssel stammende Katharina van der Stoct handelt (Abb. 6). ³⁸
Überdies lässt sich der Aufschrift entnehmen, dass das Bild anlässlich der Profess
entstanden ist, die Katharina am 24. Juni 1520 abgelegt hatte: Soror Katharina van
der Stoct, professie nonne, anno xv.xx, die xxiiiia ivnii. Stimmt die von Paul Pieper,
dem langjährigen Custos des Landesmuseums, vorgenommene Identifizierung,
dann war Katharina Drittordensschwester im Elisabethenspital von Brüssel. ³⁹
Auf der Vorderseite des Porträts befindet sich formgleich eine als Brustbild
konzipierte Verkündigungsszene, die in der gewählten Form ein ikonographisches
Unikat darstellt: die Jungfrau Maria im Dreiviertelporträt vor einem Gebetstisch
mit einem rot-schwarz beschriebenen Gebetszettel in der Hand, den Blick auf den
Bildbetrachter gewendet. Auf dem Gebetstisch liegt ein geschlossenes Buch mit
Goldschnitt. Auf der heraldisch rechten Seite – auf der Höhe ihres Ohrs – nähert
sich im Flug die Taube des Heiligen Geistes. ⁴⁰
Was wir beim Porträt des unbekannten Franziskaners aus der National Gallery
in London über die Urkundenrolle vermittelt letztlich nur vermuten können, ist
hier dank Inschrift gesicherter Befund: Das Porträt sollte seinen Besitzer oder Besitzerin
an die als biographische Zäsur erlebte und gefeierte Profess der Katharina
van der Stoct erinnern. Ob das Erinnerungsbild für Katharina oder für ihre Familie
bestimmt war, wissen wir nicht. ⁴¹ Doch scheint die Verkündigung auf der Rückseite
des Bildes – lesbar auch als Sinnbild der Vita contemplativa – einen selbstreflexiven
Gebrauch des Porträts durch die Porträtierte nahezulegen.
38 Die deutschen, niederländischen und italienischen Tafelbilder bis um 1530, bearb. von Paul Pieper (Westfälisches
Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte Münster. Bestandskataloge), Münster 1990,
S. 490 – 493. Das Format des Bildes ist mit 34 auf 18,5 cm ähnlich bescheiden wie bei Petrus Christus’
Porträt des frater barbatus.
39 Die deutschen, niederländischen und italienischen Tafelbilder (wie Anm. 38), S. 493.
40 Vgl. David Metheney Robb, The Iconography of the Annunciation in the Fourteenth and Fifteenth
Centuries, in: The Art Bulletin 18, 1936, S. 480 –526; Anton Mayer-Pfannholz, Mariae Verkündigung
im Wandel der Kunstgeschichte, in: Das Münster 9 –10, 1948, S. 257–272; Wilhelm Messerer, Verkündigungsdarstellungen
des 15. und 16. Jahrhunderts als Zeugnisse des Frömmigkeitswandels, in: Archiv
für Liturgiewissenschaft 5, 1958, S. 362–369; Gert Duwe, Die Verkündigung an Maria in der niederländischen
Malerei des 15. und 16. Jahrhunderts, Frankfurt am Main/Berlin/Bern u.a. 1994.
41 Vgl. Diane Owen Hughes, Representing the Family. Portraits and Purposes in Early Modern Italy, in:
Journal of Interdisciplinary History 17, 1986, S. 7–38.
 
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