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Innovationen durch Deuten und Gestalten: Klöster im Mittelalter zwischen Jenseits und Welt — Klöster als Innovationslabore, Band 1: Regensburg: Schnell + Steiner, 2014

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Signori, Gabriela: Der „Mönch im Bild“: Das Porträt als klösterliches Erinnerungsmedium an der Schwelle vom Mittelalter zur Frühen Neuzeit
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https://doi.org/10.11588/diglit.31468#0181
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180 | Gabriela Signori
waren im ausgehenden 15. Jahrhundert jedoch ungleich vielfältiger und ungleich
vielschichtiger dementsprechend auch die Bedeutungsebenen, die sich nicht in
dem erschöpfen, was zur bildlichen Darstellung gelangte: Bald ließen sich – unangesehen
der Geschlechtszugehörigkeit – mit dem Porträt über die Klostermauern
hinweg Freundschaftsbande knüpfen oder zementieren. Bald erscheint
das Porträt als Erinnerungsbild, das autobiographisch selbstreflexiv an die eigene
Profess, das eigene Mönchsjubiläum oder die spätere Wahl zum Prior, Abt oder
Ordensvorsteher erinnert. Dass Profess, Jubiläum oder Amtsantritt eine biographische
Zäsur markieren ist trivial. Die Praxis aber, die Erinnerung an diese
Zäsur im Bildmedium fest- und gleichsam präsent zu halten, ist um die Mitte des
15. Jahrhunderts ein Novum.
3. Und was, um auf die eingangs gestellte Frage zurückzukommen, sagen die Porträts
nun über den Bezug zwischen dem einzelnen Mönch bzw. Nonne und der
Gemeinschaft aus, in der sie lebten? Die Antwort ist bestechend einfach. Im
Porträt tritt der einzelne Mönch aus der Gemeinschaft heraus und reflektiert
im Zwiegespräch mit Gott, sich selbst und anderen über das eigene klösterliche
Sein und das eigene klösterliche Werden. Diese autobiographisch-selbstreflexive
Gebrauchsform des Selbstbildnisses scheint mir eine Besonderheit von
Klosterbrüdern und -schwestern darzustellen. Der Einzelne offenbart sich im
Bild aber nicht als letztlich unergründbares Individuum, sondern als Subjekt,
dass sich über Praktiken definiert, abgrenzt und anderen mitteilt. Der private,
autobiographisch-selbstreflexive Bildgebrauch zeigt schließlich, dass sich der
Bezug zwischen dem einzelnen Mönch und der Mönchsgemeinschaft an der
Wende vom 15. zum 16. Jahrhundert radikal verändert hatte. Fortan bestanden
die Mönchsgemeinschaften aus einer Vielzahl solcher multimedial selbstreflexiver
Subjekte. Im normativen Schrifttum finden diese radikalen Neuerungen
der monastischen Subjektkultur keinen Widerhall. Der Fortgang der Geschichte
aber zeigt, dass sich die Praktiken zu einem dauerhaften Bestandteil der frühneuzeitlichen
Mönchskultur entwickeln sollten. In den folgenden Jahrhunderten
nimmt die Zahl der Porträts von Mönchen und Nonnen kontinuierlich zu, systematisch
erschlossen sind jedoch auch diese klösterlichen Selbstzeugnisse noch
nicht. ⁵⁴ Das scheint mir eine logische Konsequenz der bis heute vorherrschenden
ordensgeschichtlichen Perspektivierung der Untersuchungsgegenstände zu sein,
in der die Person von der Institution verschluckt wird.
54 Auf die Bedeutung des Porträts für das 17. und 18. Jahrhundert hat summarisch schon Silvia Evangelisti,
Nuns. A History of Convent Life, Oxford 2007, S. 169 –173, hingewiesen, allerdings ohne näher auf
die Frage des (unterschiedlichen) Bildgebrauchs einzugehen.
 
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