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Innovationen durch Deuten und Gestalten: Klöster im Mittelalter zwischen Jenseits und Welt — Klöster als Innovationslabore, Band 1: Regensburg: Schnell + Steiner, 2014

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Röhrkasten, Jens: Ordensdisziplin und Konformität bei den Dominikanern und Franziskanern
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https://doi.org/10.11588/diglit.31468#0193
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192 | Jens Röhrkasten
nur das Symptom eines grundsätzlicheren Problems, nämlich der Mechanismen der
franziskanischen Obedientia. In diesem Bereich bestanden wichtige Unterschiede
zwischen den beiden Orden, wie in einem kurzen Vergleich gezeigt werden kann.
Die Professformel der Dominikaner zeigt, dass der Gehorsam der Brüder einer klar
strukturierten Hierarchie geschuldet wurde: an erste Stelle Gott, dann der hl. Maria
und schließlich dem Generalmagister. ⁵³ Diese Grundverpflichtung wurde durch
drei Zusätze qualifiziert, die Erwähnung der Regel des Hl. Augustinus (secundum
regulam beati Augustini), der Normen und Gewohnheiten der Dominikaner (instituciones
fratrum ordinis Predicatorum) und einer Wiederholung, in der die zentrale
Bezugsperson, die den Gehorsam konkret einfordern kann, noch einmal genannt
wird: der Generalminister (quod ero obediens tibi tuisque successoribus usque ad
mortem). ⁵⁴ Ohne Einschränkung der Gehorsamspflicht gegenüber Gott waren es
in der Praxis die Anordnungen des Generalmagisters und indirekt aller Prioren,
denen unbedingt Folge geleistet werden musste, denn jeglicher Widerstand (conspirationem
vel coniurationem vel per malitiosam concordiam adversus priorem
vel prelatos suos) und sogar der einfache Widerspruch wurde als schwere Sünde
geahndet. ⁵⁵ Dadurch wurde die Autorität der Prioren zwar absolut, doch die Fülle
ihrer Macht wurde durch ein von unten her wirkendes Kontrollsystem begrenzt,
das Beschwerden über ihre Amtsführung zuließ und Sanktionen selbst gegen die
höchsten prelati des Ordens vorsah. ⁵⁶ Von Bedeutung innerhalb dieses Systems war
der bereits erwähnte Gebrauch des Dispenses, der einen hohen Grad an Flexibilität
ermöglichte und die Trennung von Schuld und Sünde. Die Trennung von Schuld
und Sünde unterwarf eine Normenübertretung zwar der Strafe, sie stellte aber –
wenn sie nicht in willentlicher Missachtung geschehen war – keine Sünde dar. ⁵⁷ Dieses
Prinzip wurde auf dem Generalkapitel von Paris 1236 bestätigt und auch später
nicht modifiziert. ⁵⁸ Die Konventsprioren wurden im Gegenteil 1280 ermahnt, ihre
Anweisungen nur in Ausnahmefällen als preceptum zu formulieren, weil es nämlich
sit periculosum precipitare fratres per precepta. ⁵⁹
53 Thomas, De oudste Constituties (wie Anm. 6), Distinctio I, cap. 16, S. 326 f. Vgl. die Pflicht der Novizen
propriam voluntatem deserere pro voluntate prelati sui, obedientiam in omnibus voluntariam observare.
54 Hinnebusch, History of the Dominican Order (wie Anm. 4), S. 130 f.
55 Thomas, De oudste Constituties (wie Anm. 6), S. 335, 337.
56 Thomas, De oudste Constituties (wie Anm. 6), S. 340 –347.
57 Melville, Systemrationalität (wie Anm. 51), S. 163; Hinnebusch, History of the Dominican Order
(wie Anm. 4), S. 131.
58 Confirmamus hanc constitucionem. quod in constitucionibus ubi dicitur. ea propter unitati et paci etc.
volumus et declaramus ut constituciones nostre non obligent nos ad culpam. set ad penam. nisi propter
contemptum vel preceptum. Acta (wie Anm. 7), Bd. 1, S. 8.
59 Acta (wie Anm. 7), Bd. 1, S. 210.
 
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