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Innovationen durch Deuten und Gestalten: Klöster im Mittelalter zwischen Jenseits und Welt — Klöster als Innovationslabore, Band 1: Regensburg: Schnell + Steiner, 2014

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Röhrkasten, Jens: Ordensdisziplin und Konformität bei den Dominikanern und Franziskanern
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https://doi.org/10.11588/diglit.31468#0195
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194 | Jens Röhrkasten
zu den dominikanischen Normen darstellt. Diese Definition qualifizierte die Gehorsamspflicht
und schränkte sie ein: ut obediant suis ministris in omnibus quae
promiserunt Domino observare et non sunt contraria animae et regulae nostrae.
Diese normativen Vorgaben führten bei den Franziskanern zwei Variablen ein, die
es bei den Dominikanern nicht gab, erstens das Problem der Verwirklichung der
franziskanischen Lebensform nach den Normen, d. h. es musste erst einmal festgelegt
werden, was als preceptum, was als admonicio anzusehen war und zweitens
die Auffächerung der Autoritäten Evangelium – Regel – Papst – Generalminister. ⁶³
Das individuelle Verhalten der Brüder wurde so zu einer Gewissensentscheidung
und führte zu der Frage, woran sich Normkonformität eigentlich orientieren solle.
Dieses Zustandes war man sich im Orden zwar bewusst, doch weder die päpstlich
sanktionierten oder die informellen Regelerklärungen der vier Magister und führender
Intellektueller im Orden noch die Gesetzgebung der Generalkapitel konnten
grundsätzlich Abhilfe schaffen, sodass der Orden schon in der ersten Phase seiner
Existenz in eine Krise geriet. ⁶⁴ Als Ursache dieser Krise wird in der Forschung oft
das Problem der Interpretation der Armut gesehen, doch grundlegend war eine andere
Frage. Mit ihrer Profess schlossen die franziskanischen Novizen – wie andere
Religiose – einen Vertrag zwischen sich und Gott, der auf Lebenszeit Gültigkeit
hatte. ⁶⁵ Dabei bestand für die Franziskaner die Verpflichtung in der Beachtung der
Evangelien, ohne dass die päpstliche approbierte Regel definierte, wie denn deren
Forderungen zu erfüllen seien. ⁶⁶ Die oben erwähnten päpstlichen Regelinterpretationen
Quo elongati (1230), Ordinem vestrum (1245), Exiit qui seminat (1279) und
Exivi de paradiso (1312) sollten dieses Problem lösen und dabei gleichzeitig auch
für Konformität innerhalb des immer weiter expandierenden Franziskanerordens
sorgen. Dies wurde bis in das 14. Jahrhundert hinein immer wieder versucht, die
Tatsache, dass die Komplexität der Bestimmungen dabei ständig zunahm, deutet jedoch
bereits auf die Erfolglosigkeit dieser Maßnahmen hin. Dabei repräsentierte der
63 Jens Röhrkasten, ›Obedientia‹ in the Early Franciscan Order, in: Canterbury Studies in Franciscan
History, Bd. 3, hg. von Jens Röhrkasten, Canterbury 2011, S. 93 –130.
64 Gratien de Paris, Histoire (wie Anm. 10), S. 226, 235; Moorman, A History (wie Anm. 5), S. 111,
180, 188 –204; Merlo, Nel nome (wie Anm. 10), S. 244 –248.
65 Ludwig Hertling, Die Professio der Kleriker und die Entstehung der drei Gelübde, in: Zeitschrift für
Katholische Theologie 56, 1936, S. 148 –174, hier S. 172; Joachim Wollasch, Das Mönchsgelübde als
Opfer, in: Frühmittelalterliche Studien 18, 1984, S. 529 –545, hier S. 534.
66 Ernst Benz, Ecclesia spiritualis. Kirchenidee und Geschichtstheologie der franziskanischen Reformation,
Stuttgart 1934, S. 65. Es wurde sogar versucht, die Gruppe der in Frage kommenden Evangelientexte
weiter einzuengen, Karl Beyschlag, Die Bergpredigt und Franz von Assisi (Beiträge zur Förderung
christlicher Theologie, 2. Reihe: Sammlung wissenschaftlicher Monographien 57), Gütersloh 1955, S. 11,
69.
 
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