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Innovationen durch Deuten und Gestalten: Klöster im Mittelalter zwischen Jenseits und Welt — Klöster als Innovationslabore, Band 1: Regensburg: Schnell + Steiner, 2014

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Steckel, Sita: Deuten, Ordnen und Aneignen: Mechanismen der Innovation in der Erstellung hochmittelalterlicher Wissenskompendien
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https://doi.org/10.11588/diglit.31468#0223
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222 | Sita Steckel
unmittelbarem Zusammenhang mit kirchenreformerischen Anliegen eingerichtet.
Ihr Auftreten ließ unter anderem Konflikte darüber aufbrechen, ob Mönche sich
noch in der Seelsorge engagieren durften oder ob das nicht dem regulierten oder
weltlichen Klerus vorbehalten bleiben sollte. ³⁹ Im Folgenden gilt es jedenfalls, die
Chronologie eines durch solche neuen Zentren gesteigerten Bedarfs im Auge zu
behalten: Wiewohl reformierte monastische Gemeinschaften und Regularkanoniker
seit dem 11. Jahrhundert verstärkt eingerichtet wurden, erlebten sie auch nach
1100 mit größeren Verbänden wie den Prämonstratensern oder der Kongregation
von St. Viktor noch intensive Zuwächse und Konsolidierungsprozesse. Viele der
neuen, in überregionale Netzwerke eingebundenen Stifte hatten nicht nur einen
erhöhten Bedarf an hochwertiger Ausbildung für ihre Insassen, sondern waren auch
in der Seelsorge mit der Wissensvermittlung an Laien befasst. Auch Frauengemeinschaften
entstanden in großer Zahl und die cura monialium ließ weiteren Bedarf
nach Wissenssammlungen entstehen. ⁴⁰ Die Reformwellen des 11. Jahrhunderts, die
kurz vor der Jahrhundertwende auch noch die Zisterzienser als wiederum stärker
klösterlich-zönobitisch orientierten Reformorden hervorbrachten, setzten sich im
12. Jahrhundert nicht nur in weiteren Gründungen fort, sondern auch in Prozessen
der Konsolidierung und Ausstattung relativ junger Klöster und Stifte. Ein Wissenskompendium
wie das Elucidarium des Honorius Augustodunensis war also
noch lange Zeit aufgrund eines erheblich gesteigerten Bedarfs an gut vermittelbarem
theologischem Grundwissen äußerst stark nachgefragt. ⁴¹
39 Zu Streitigkeiten um die Rolle der Mönche in der Seelsorge im Hochmittelalter vgl. Giles Constable,
Monastic Tithes: From Their Origins to the Twelfth Century (Cambridge Studies in Medieval Life and
Thought. New Series 10), Cambridge 1964; Flint, Place and Purpose (wie Anm. 19), S. 98; John van
Engen, Rupert of Deutz (Publications of the UCLA Center for Medieval and Renaissance Studies 18),
Berkeley 1983, hier S. 299 –335; ferner Michel Peuchmaurd, Le pretre ministre de la parole dans la théologie
du XII ᵉ siècle: Canonistes, moines, et chanoines, in: Recherches de théologie ancienne et médiévale,
29, 1962, S. 52–76; Phyllis G. Jestice, Wayward Monks and the Religious Revolution of the Eleventh
Century (Brill’s Studies in Intellectual History 76), Leiden/Boston 1997.
40 Vgl. zu Frauengemeinschaften Franz Felten, Frauenklöster und -stifte im Rheinland im 12. Jahrhundert.
Ein Beitrag zur Geschichte der Frauen in der religiösen Bewegung des hohen Mittelalters, in: Reformidee
und Reformpolitik im spätsalisch-frühstaufischen Reich. Vorträge der Tagung der Gesellschaft für Mittelrheinische
Kirchengeschichte, 11.–13. September 1991, Trier, hg. von Stefan Weinfurter/Hubertus Seibert
(Quellen und Abhandlungen zur Mittelrheinischen Kirchengeschichte 68), Mainz 1992, S. 189–300;
Thomas Schilp, Norm und Wirklichkeit religiöser Frauengemeinschaften im Frühmittelalter. Die Institutio
Sanctimonialium Aquisgranensis des Jahres 816 und die Problematik der Verfassung von Frauenkommunitäten
(Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 137), Göttingen 1998; Lutter,
Geschlecht & Wissen (wie Anm. 15); Griffiths, The Garden of Delight (wie Anm. 3); sowie viele Beiträge
in Listen, Daughter. The Speculum virginum and the Formation of Religious Women in the Middle Ages,
hg. von Constant J. Mews, New York/Basingstoke 2001, bes. Julie Hotchin, Female Religious Life and
the Cura Monialium in Hirsau Monasticism, 1080 to 1150, in: ebd., S. 59–85; Elisabeth Bos, The Literature
of Spiritual Formation for Women in France and England, 1080 to 1180, in: ebd., S. 201–220.
41 Vgl. so auch Lutter, Geschlecht & Wissen (wie Anm. 15), S. 43; Luff, Wissensvermittlung (wie Anm.
19), S. 50 –57.
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