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Innovationen durch Deuten und Gestalten: Klöster im Mittelalter zwischen Jenseits und Welt — Klöster als Innovationslabore, Band 1: Regensburg: Schnell + Steiner, 2014

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Steckel, Sita: Deuten, Ordnen und Aneignen: Mechanismen der Innovation in der Erstellung hochmittelalterlicher Wissenskompendien
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https://doi.org/10.11588/diglit.31468#0239
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238 | Sita Steckel
Wissenssammlung erscheint der Liber floridus als erstes Beispiel einer neuen enzyklopädischen
Tendenz des Hochmittelalters. ⁹¹
Was die materielle Gestaltung angeht, zeigt sich Lamberts Liber vor allem als experimentelles,
im Wesentlichen ja ohne Vorbilder entstandenes Werk. Es ist wegen
seiner inneren Inkonsistenzen als Nachschlagewerk höchstens in Ansätzen brauchbar.
Der Liber dürfte aber in der großformatigen und aufwendig illustrierten Fassung
vor allem zur Einzellektüre und didaktischen Kontemplation der Konventsmitglieder
gedacht gewesen sein. Gegenüber gleichzeitigen oder späteren prächtig
illustrierten Wissenskompendien schneidet der Liber floridus teils schlechter ab,
da Lambert weniger Ressourcen zur Verfügung standen als etwa den Schreibern in
St. Bertin mit seinem gut ausgestatteten Skriptorium: Der selbst als Kopist tätige
Lambertus qui librum fecit hatte nicht genügend Pergament zur Verfügung. Er
bastelte deswegen sein umfassendes Wissensbuch von über 500 Folio am Ende teils
aus nach und nach hinzugefügten Einzelseiten, Bifolien und sogar aus Konzepten
zusammen. Er wird in der Forschung als talentierter Maler und Autor angesehen,
doch setzten die materiellen Umstände seiner Kompilationstätigkeit Grenzen. ⁹²
Doch Lambert strebte offenbar dennoch eine Verbesserung der Ausbildung in
seinem Konvent an. Da er sich an einer in St. Bertin vorhandenen Enzyklopädie
des älteren Naturbuchtyps ausrichtete und ihr gegenüber aktualisiertes Wissen verarbeitete,
erscheint seine Blütenlese nicht zuletzt wiederum durch Kontakte und
Konkurrenzen angeregt – er versuchte ja eine Überbietung vorliegender Wissenskompendien.
Wie im Falle Ruperts von Deutz erweist sich wiederum die Stadt als
entscheidender Ort innovativer gelehrter Tätigkeit – und zwar nicht nur, da sie Ort
neuer bürgerlicher und kirchlicher Eliten war, wie dies in der Forschung betont
wird. In den Städten trafen spätestens mit der Reform- und Gründungswelle des
11. und beginnenden 12. Jahrhunderts zumeist mehrere aktive religiöse Zentren
aufeinander, im Falle St. Omers etwa das etablierte Großkloster St. Bertin und das
neuerdings reformierte Marienstift. Die intensivierte Wahrnehmung solcher neuen
unmittelbaren Nachbarn provozierte nun Imitation und Transferleistungen.
Während die Wissenserzeugung in makrohistorischer Hinsicht auf den bereits geschilderten
neuen gesellschaftlichen Strukturen und Interessen aufruhte, wurde die
Gestalt konkreter Neuentwürfe von der Ebene solcher lokaler Akteure und ihrer
Netzwerke geprägt.
Neben der Tendenz zur enzyklopädischen Wissenssammlung lässt sich in diesem
Kontext auch ein entgegengesetztes Streben nach Spezialisierung feststellen.
Während Lambert von St. Omer noch assoziativ gesammelt und ergänzt hatte und
91 Meier, Enzyklopädischer Ordo (wie Anm. 17), S. 523.
92 Vgl. so den Tenor von Derolez, The Autograph Manuscript (wie Anm. 84).
 
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