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Innovationen durch Deuten und Gestalten: Klöster im Mittelalter zwischen Jenseits und Welt — Klöster als Innovationslabore, Band 1: Regensburg: Schnell + Steiner, 2014

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Ertl, Thomas: Pragmatische Visionäre? Die mendikantische Sicht der Welt im 13. Jahrhundert
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https://doi.org/10.11588/diglit.31468#0267
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266 | Thomas Ertl
zudenken. Gemeinsam ist den meisten mendikantischen Texten eine grundsätzlich
positive Sicht der abendländischen Christenheit und insbesondere des städtischen
Bürgertums. ⁶² Das heißt nicht, dass franziskanische Priester und Prediger in der
zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts nicht die Übel der Zeit geißelten und zur Umkehr
aufriefen, aber sie taten dies in ihrer Mehrheit nicht als Gegner der vorherrschenden
Sozialordnung. Verdammt wurden nur die Auswüchse des modernen
Lebens, nicht dieses selbst. In Anbetracht der Tatsache, dass die Mendikanten aus
genau dieser Welt stammten und weiterhin auf vielfältige Weise mit ihr verflochten
blieben, ist das nicht verwunderlich. ⁶³
Allerdings hatte die Akzeptanz der Verhältnisse auch klare Grenzen. Denn zur
frommen Gemeinschaft der Christenheit zählten die Mendikanten zwar die Kaufleute
und Handwerker und die übrigen Bewohner der Städte, die bei den Theologen
bis zum Ausgang des 12. Jahrhunderts häufig in ein kritisches Licht gerückt
worden waren. ⁶⁴ Die Erweiterung des pastoral betreuten und umsorgten Personenkreises
ging jedoch mit einer strikten Abgrenzung gegenüber jenen Personengruppen
einher, die außerhalb der religiösen und sozialen Grenzen dieser urbanen oder
zumindest teilweise urbanisierten Christenheit lebten. Für Sünder, Randgruppen,
Ketzer, Juden und Heiden war in diesem Denken nicht nur kein Platz, sondern
die Ausgrenzung und Bekämpfung erreichte eine neue Intensität. ⁶⁵ Bei Salimbene
taucht diese Haltung nur am Rande auf, etwa wenn er für die Verurteilung und
Bekämpfung der Apostoliker eintritt. ⁶⁶ Diese religiöse Gemeinschaft scharte sich
ab 1260 um den Kaufmann Gerardo Segarelli. Mit diesem Mann teilte Salimbene
die Herkunft aus Parma, ansonsten hatten die beiden wenig gemein. Während der
Franziskanerchronist mit der Realität des 13. Jahrhunderts keine Probleme hatte,
forderte Gerardo einen radikalen Umsturz der kirchlichen und sozialen Verhältnisse.
⁶⁷
62 François Fossier, La ville dans l’historiographie franciscaine de la fine du XIII ᵉ et du début du XIV ᵉ
siècle, in: Mélanges de l’école française de Rome. Moyen age – temps modernes 89/2, 1977, S. 641– 655;
Hans-Joachim Schmidt, Arbeit und soziale Ordnung. Zur Wertung der städtischen Lebensweise bei
Berthold von Regensburg, in: Archiv für Kulturgeschichte 71, 1989, S. 261–296.
63 Zur engen Verflechtung der Franziskaner mit den städtischen Eliten des 13. Jahrhunderts sowie zu einer
»gentrification« des Ordens in dieser Zeit vgl. Powell, Mendicants (wie Anm. 41), S. 557–573 passim
und S. 569 (Zitat). Zu den Wirkungsfeldern der Mendikanten in den Städten vgl. Sickert, Klosterbrüder
(wie Anm. 7), S. 217–221.
64 Hans-Joachim Schmidt, Societas christiana in civitate. Städtekritik und Städtelob im 12. und 13. Jahrhundert,
in: Historische Zeitschrift 257, 1993, S. 297–354.
65 Jeremy Cohen, The Friars and the Jews. The Evolution of Medieval anti-Judaism, Ithaca 1982.
66 Grado Giovanni Merlo, Salimbene e gli apostolici, in: Società e storia 39, 1988, S. 3 –21.
67 Brian Robert Carniello, Gerardo Segarelli as the anti-Francis: Mendicant rivalry and heresy in medieval
Italy, 1260 –1300, in: The Journal of Ecclesiastical History 57, 2006, S. 226 –251.
 
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