Zwischen Ästhetik des Verzichts und monastischen Idealen | 285
Nicht zuletzt die Witterung dürfte eine Abkehr von diesem frühen Ideal nahegelegt
haben. Mancherorts, wie in Rostock, wurde der erste Saalraum der Franziskaner
tatsächlich zum Langchor einer großen Kirche. ²⁴
Dass die Armutsideale der Bettelorden, wie dargelegt, gerade in den Laienräumen
zur Wirkung gebracht wurden und nur eingeschränkt in ihren Chorbereichen, fügt
sich vermutlich zu einer schwer auflösbaren Dichotomie zwischen würdigem Chorund
Altardienst einerseits und der fundamentalistischen Laienpredigt andererseits.
Über das monastische Stundengebet und die Messfeier hinaus wird im Chor
der Franziskaner ausdrücklich das Selbstverständnis des Ordens reflektiert – durch
Lesung einer hierfür geschriebenen Vita des Hl. Franziskus. ²⁵ Anders als in Italien, ²⁶
führte dies nördlich der Alpen nicht zu Wandmalereizyklen im Chorraum, sondern
allenfalls zu Franziskuszyklen in der Glasmalerei der Chorfenster, wie um 1240 in
Erfurt. ²⁷ Bemerkenswert ist allerdings, dass auf dem Chorgestühl selbst in einigen
Franziskanerkirchen die Geschichte des Konvents und der Provinz in ausführlichen
Inschriften memoriert wird (Abb. 8). ²⁸
In diesem Kontext bleibt auch noch zu klären, warum in der Provinz Saxonia eigenständige
Kapitelsäle – von der Frühzeit abgesehen – in den Franziskanerklöstern
ganz fehlen und deren Funktion offenbar auf den Chorraum übertragen wurde. ²⁹
von Roland Pieper (Geschichte der Sächsischen Franziskanerprovinz von der Gründung bis zum Anfang
des 21. Jahrhunderts 5), Paderborn 2012, S. 417– 428, hier S. 424 – 428.
24 Matthias Untermann/Leonie Silberer, Die Kirchenbauten bis 1400, in: Kunst. Von den Anfängen
bis zur Gegenwart, hg. von Roland Pieper (Geschichte der Sächsischen Franziskanerprovinz von der
Gründung bis zum Anfang des 21. Jahrhunderts 5), Paderborn 2012, S. 93 –143, hier S. 95, 118.
25 Timothy J. Johnson, Lost in sacred space. Textual hermeneutics, liturgical worship, and Celano’s Legenda
ad usum chori, in: Franciscan Studies 59, 2001, S. 109 –131; ders., Into the light. Bonaventure’s Minor
Life of Saint Francis, and the Franciscan production of space, in: Francis of Assisi. History, Hagiography,
and Hermeneutics in the Early Documents, hg. von Jay M. Hammond, Hyde Park 2004, S. 229 –249,
bes. S. 241 f.
26 Dieter Blume, Wandmalerei als Ordenspropaganda. Bildprogramme im Chorbereich franziskanischer
Konvente Italiens bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts, Worms 1983; Heidrun Stein-Kecks, Wandmalerei
in der Ordensprovinz Saxonia, in: Kunst. Von den Anfängen bis zur Gegenwart, hg. von Roland Pieper
(Geschichte der Sächsischen Franziskanerprovinz von der Gründung bis zum Anfang des 21. Jahrhunderts
5), Paderborn 2012, S. 315 –330.
27 Erhard Drachenberg/Karl-Joachim Maercker/Christa Schmidt, Die mittelalterlichen Glasmalereien
in den Ordenskirchen und im Angemuseum zu Erfurt (Corpus Vitrearum Medii Aevi. Deutschland
15,1), Berlin 1976, S. 1–58; Frank Martin, Glasmalereien aus dem Mittelalter, in: Kunst. Von den Anfängen
bis zur Gegenwart, hg. von Roland Pieper (Geschichte der Sächsischen Franziskanerprovinz von
der Gründung bis zum Anfang des 21. Jahrhunderts 5), Paderborn 2012, S. 331–339, hier S. 331–337.
28 Roland Pieper, Mittelalterliche Chorgestühle und Dreisitze. Eine Übersicht zur Franziskanerprovinz
Saxonia, in: Kunst. Von den Anfängen bis zur Gegenwart, hg. von Roland Pieper (Geschichte der Sächsischen
Franziskanerprovinz von der Gründung bis zum Anfang des 21. Jahrhunderts 5), Paderborn 2012,
S. 407– 416, hier S. 410 f.
29 Matthias Untermann/Leonie Silberer, Die Klosterbauten, in: Kunst. Von den Anfängen bis zur Gegenwart,
hg. von Roland Pieper (Geschichte der Sächsischen Franziskanerprovinz von der Gründung
bis zum Anfang des 21. Jahrhunderts 5), Paderborn 2012, S. 183 –219, hier S. 213 f.
Nicht zuletzt die Witterung dürfte eine Abkehr von diesem frühen Ideal nahegelegt
haben. Mancherorts, wie in Rostock, wurde der erste Saalraum der Franziskaner
tatsächlich zum Langchor einer großen Kirche. ²⁴
Dass die Armutsideale der Bettelorden, wie dargelegt, gerade in den Laienräumen
zur Wirkung gebracht wurden und nur eingeschränkt in ihren Chorbereichen, fügt
sich vermutlich zu einer schwer auflösbaren Dichotomie zwischen würdigem Chorund
Altardienst einerseits und der fundamentalistischen Laienpredigt andererseits.
Über das monastische Stundengebet und die Messfeier hinaus wird im Chor
der Franziskaner ausdrücklich das Selbstverständnis des Ordens reflektiert – durch
Lesung einer hierfür geschriebenen Vita des Hl. Franziskus. ²⁵ Anders als in Italien, ²⁶
führte dies nördlich der Alpen nicht zu Wandmalereizyklen im Chorraum, sondern
allenfalls zu Franziskuszyklen in der Glasmalerei der Chorfenster, wie um 1240 in
Erfurt. ²⁷ Bemerkenswert ist allerdings, dass auf dem Chorgestühl selbst in einigen
Franziskanerkirchen die Geschichte des Konvents und der Provinz in ausführlichen
Inschriften memoriert wird (Abb. 8). ²⁸
In diesem Kontext bleibt auch noch zu klären, warum in der Provinz Saxonia eigenständige
Kapitelsäle – von der Frühzeit abgesehen – in den Franziskanerklöstern
ganz fehlen und deren Funktion offenbar auf den Chorraum übertragen wurde. ²⁹
von Roland Pieper (Geschichte der Sächsischen Franziskanerprovinz von der Gründung bis zum Anfang
des 21. Jahrhunderts 5), Paderborn 2012, S. 417– 428, hier S. 424 – 428.
24 Matthias Untermann/Leonie Silberer, Die Kirchenbauten bis 1400, in: Kunst. Von den Anfängen
bis zur Gegenwart, hg. von Roland Pieper (Geschichte der Sächsischen Franziskanerprovinz von der
Gründung bis zum Anfang des 21. Jahrhunderts 5), Paderborn 2012, S. 93 –143, hier S. 95, 118.
25 Timothy J. Johnson, Lost in sacred space. Textual hermeneutics, liturgical worship, and Celano’s Legenda
ad usum chori, in: Franciscan Studies 59, 2001, S. 109 –131; ders., Into the light. Bonaventure’s Minor
Life of Saint Francis, and the Franciscan production of space, in: Francis of Assisi. History, Hagiography,
and Hermeneutics in the Early Documents, hg. von Jay M. Hammond, Hyde Park 2004, S. 229 –249,
bes. S. 241 f.
26 Dieter Blume, Wandmalerei als Ordenspropaganda. Bildprogramme im Chorbereich franziskanischer
Konvente Italiens bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts, Worms 1983; Heidrun Stein-Kecks, Wandmalerei
in der Ordensprovinz Saxonia, in: Kunst. Von den Anfängen bis zur Gegenwart, hg. von Roland Pieper
(Geschichte der Sächsischen Franziskanerprovinz von der Gründung bis zum Anfang des 21. Jahrhunderts
5), Paderborn 2012, S. 315 –330.
27 Erhard Drachenberg/Karl-Joachim Maercker/Christa Schmidt, Die mittelalterlichen Glasmalereien
in den Ordenskirchen und im Angemuseum zu Erfurt (Corpus Vitrearum Medii Aevi. Deutschland
15,1), Berlin 1976, S. 1–58; Frank Martin, Glasmalereien aus dem Mittelalter, in: Kunst. Von den Anfängen
bis zur Gegenwart, hg. von Roland Pieper (Geschichte der Sächsischen Franziskanerprovinz von
der Gründung bis zum Anfang des 21. Jahrhunderts 5), Paderborn 2012, S. 331–339, hier S. 331–337.
28 Roland Pieper, Mittelalterliche Chorgestühle und Dreisitze. Eine Übersicht zur Franziskanerprovinz
Saxonia, in: Kunst. Von den Anfängen bis zur Gegenwart, hg. von Roland Pieper (Geschichte der Sächsischen
Franziskanerprovinz von der Gründung bis zum Anfang des 21. Jahrhunderts 5), Paderborn 2012,
S. 407– 416, hier S. 410 f.
29 Matthias Untermann/Leonie Silberer, Die Klosterbauten, in: Kunst. Von den Anfängen bis zur Gegenwart,
hg. von Roland Pieper (Geschichte der Sächsischen Franziskanerprovinz von der Gründung
bis zum Anfang des 21. Jahrhunderts 5), Paderborn 2012, S. 183 –219, hier S. 213 f.