Zwischen Ästhetik des Verzichts und monastischen Idealen | 287
Kreuzgänge und Klosteranlagen dieser Zeit fassbar – noch ganz ohne archäologische
Forschung.
Die Schwierigkeit, faktisch klaustrale Lebensweise mit frühen Ordensidealen
vereinen zu müssen, führte in der Franziskanerbaukunst zu ungewöhnlichen architektonischen
Konzepten. Längst erkannt ist die gelegentlich sehr unregelmäßige
Anlage von Klöstern, oft auch der Kirchen, wie in Mainz. ³² Sie wird zu Recht mit
der Anpassung an den Bauplatz erklärt, in einer Epoche, als in den alten Städten
keine großen Flächen mehr zur Verfügung standen und das Straßennetz eine beliebige
Ausdehnung verhinderte. Zugleich konnte in solchen Dispositionen wiederum
ein Verzicht ablesbar werden, nämlich der Verzicht auf ein »richtiges« Kloster.
Man sollte dies allerdings nicht überbetonen. Auffallend viele Bettelordensklöster
erhielten im 13. Jahrhundert sehr große Bauplätze, auf denen sie regelmäßige,
rechtwinklige Kirchen und Klosterbauten errichten ließen. Solche Bauplätze
waren vielerorts am Stadtrand oder in Stadterweiterungen verfügbar, nicht nur in
den neugegründeten Städten des deutschen Nordostens. ³³ Die Franziskanerklöster
übertrafen auffallenderweise viele Klöster alter Orden nicht nur an Größe, sondern
auch in der Komplexität ihrer Struktur: Obwohl die Brüder dieses Ordens keine
Klöster bewohnen wollten, ließen sie in zahlreichen Orten Klöster bauen, die nicht
nur einen, sondern zwei Kreuzgänge aufwiesen. ³⁴ Umfangreiche Reste von zwei
Kreuzgängen sind erhalten zum Beispiel in Lübeck (Abb. 9), Rostock und Stralsund,
und sogar als einheitlicher spätgotischer Neubau in Zerbst. Historische Pläne
und – meist fragmentarische – Grabungsbefunde belegen diese Disposition für eine
Vielzahl weiterer Konvente, auch in anderen franziskanischen Ordensprovinzen.
Die Anordnung der Türen, Treppen und Klosterräume lässt erkennen, dass
diese beiden Kreuzgänge unterschiedliche Funktionen hatten: Der kirchen- oder
stadtnahe stand zumindest zeitweise den Laien offen, für Begräbnisse, Beichte, aber
auch – in einem »Refektorium« genannten Versammlungsraum – für die vielerorts
belegten Zusammenkünfte von Zünften, Stadträten oder anderen Gruppen. Eine
innere Klausurpforte verband den äußeren mit dem inneren Kreuzgang, an dem das
Refektorium des Konvents, die Küche und die übrigen klösterlichen Räume lagen.
Dieser »Klausurkreuzgang« war meist weniger aufwändig gestaltet, mit schmalen
der Minderbrüder Jordan von Giano und Thomas von Eccleston, hg. von Lothar Hardick (Franziskanische
Quellenschriften 6), Werl 1957, S. 73 f.
32 Die Kunstdenkmäler der Stadt Mainz, Bd. 1: Kirchen St. Agnes bis Hl. Kreuz, bearb. von Fritz Arens
(Die Kunstdenkmäler von Rheinland-Pfalz 4,1), München 1961, S. 267–288, Abb. 197.
33 Armand Baeriswyl, Klöster am Stadtrand? Einige Überlegungen zur Lage von Bettelordensklöstern in
der mittelalterlichen Stadt, in: Monastisches Leben im urbanen Kontext, hg. von Anne-Marie Hecker/
Susanne Röhl (MittelalterStudien 24), Paderborn/München 2010, S. 25 – 40.
34 Zum Folgenden: Untermann/Silberer, Die Klosterbauten (wie Anm. 29), S. 188 –203.
Kreuzgänge und Klosteranlagen dieser Zeit fassbar – noch ganz ohne archäologische
Forschung.
Die Schwierigkeit, faktisch klaustrale Lebensweise mit frühen Ordensidealen
vereinen zu müssen, führte in der Franziskanerbaukunst zu ungewöhnlichen architektonischen
Konzepten. Längst erkannt ist die gelegentlich sehr unregelmäßige
Anlage von Klöstern, oft auch der Kirchen, wie in Mainz. ³² Sie wird zu Recht mit
der Anpassung an den Bauplatz erklärt, in einer Epoche, als in den alten Städten
keine großen Flächen mehr zur Verfügung standen und das Straßennetz eine beliebige
Ausdehnung verhinderte. Zugleich konnte in solchen Dispositionen wiederum
ein Verzicht ablesbar werden, nämlich der Verzicht auf ein »richtiges« Kloster.
Man sollte dies allerdings nicht überbetonen. Auffallend viele Bettelordensklöster
erhielten im 13. Jahrhundert sehr große Bauplätze, auf denen sie regelmäßige,
rechtwinklige Kirchen und Klosterbauten errichten ließen. Solche Bauplätze
waren vielerorts am Stadtrand oder in Stadterweiterungen verfügbar, nicht nur in
den neugegründeten Städten des deutschen Nordostens. ³³ Die Franziskanerklöster
übertrafen auffallenderweise viele Klöster alter Orden nicht nur an Größe, sondern
auch in der Komplexität ihrer Struktur: Obwohl die Brüder dieses Ordens keine
Klöster bewohnen wollten, ließen sie in zahlreichen Orten Klöster bauen, die nicht
nur einen, sondern zwei Kreuzgänge aufwiesen. ³⁴ Umfangreiche Reste von zwei
Kreuzgängen sind erhalten zum Beispiel in Lübeck (Abb. 9), Rostock und Stralsund,
und sogar als einheitlicher spätgotischer Neubau in Zerbst. Historische Pläne
und – meist fragmentarische – Grabungsbefunde belegen diese Disposition für eine
Vielzahl weiterer Konvente, auch in anderen franziskanischen Ordensprovinzen.
Die Anordnung der Türen, Treppen und Klosterräume lässt erkennen, dass
diese beiden Kreuzgänge unterschiedliche Funktionen hatten: Der kirchen- oder
stadtnahe stand zumindest zeitweise den Laien offen, für Begräbnisse, Beichte, aber
auch – in einem »Refektorium« genannten Versammlungsraum – für die vielerorts
belegten Zusammenkünfte von Zünften, Stadträten oder anderen Gruppen. Eine
innere Klausurpforte verband den äußeren mit dem inneren Kreuzgang, an dem das
Refektorium des Konvents, die Küche und die übrigen klösterlichen Räume lagen.
Dieser »Klausurkreuzgang« war meist weniger aufwändig gestaltet, mit schmalen
der Minderbrüder Jordan von Giano und Thomas von Eccleston, hg. von Lothar Hardick (Franziskanische
Quellenschriften 6), Werl 1957, S. 73 f.
32 Die Kunstdenkmäler der Stadt Mainz, Bd. 1: Kirchen St. Agnes bis Hl. Kreuz, bearb. von Fritz Arens
(Die Kunstdenkmäler von Rheinland-Pfalz 4,1), München 1961, S. 267–288, Abb. 197.
33 Armand Baeriswyl, Klöster am Stadtrand? Einige Überlegungen zur Lage von Bettelordensklöstern in
der mittelalterlichen Stadt, in: Monastisches Leben im urbanen Kontext, hg. von Anne-Marie Hecker/
Susanne Röhl (MittelalterStudien 24), Paderborn/München 2010, S. 25 – 40.
34 Zum Folgenden: Untermann/Silberer, Die Klosterbauten (wie Anm. 29), S. 188 –203.