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Innovationen durch Deuten und Gestalten: Klöster im Mittelalter zwischen Jenseits und Welt — Klöster als Innovationslabore, Band 1: Regensburg: Schnell + Steiner, 2014

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Burkhardt, Stefan: Armut, Arbeit, Bettel? Kommentar zur Sektion Neuordnung der Gesellschaft – Wirkung in die Welt
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https://doi.org/10.11588/diglit.31468#0303
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302 | Stefan Burkhardt
Armutsverständnis. War das Armutsverständnis der Mendikanten
wirklich neu?
Otto Gerhard Oexle betonte, dass »Armut« im Zuge der Christianisierung einen
tiefgreifenden Bedeutungswandel erfuhr. Gehalt und Konnotation von »Armut«
blieben jedoch erstaunlich vielfältig und auch innerhalb der Christenheit war –
etwa zwischen Ost und West – keine Einigkeit zu erzielen. Insbesondere durch die
Verstädterung des Hochmittelalters rückte die Armut aber möglicherweise in den
Vordergrund, sie wurde in ganz neuer Art sichtbar. ³ Das damals intensivierte Lob
der Armut könnte vor diesem Hintergrund eine Art geistiger und geistlicher Verarbeitung
der potentiellen Überlastung der Wirtschafts- und Sozialsysteme gewesen
sein. Zwischen »Bildung« und »Armut« existierte jedenfalls ein enger Zusammenhang:
Armut war nicht nur eine theologische und intellektuelle Herausforderung,
sie konnte für eine bestimmte Schicht der Elite geradezu attraktiv sein. Allerdings
gab und gibt es zwischen freiwilliger und erzwungener Armut doch Unterschiede
im Grad der Exponiertheit: Arm sein und die freiwillige Armut zu wählen ist nicht
unbedingt das Gleiche. ⁴ Schwierig ist es auch, das Verhältnis zwischen Armut und
Askese zu fassen: Die Armut wird um der sittlichen Läuterung willen gewählt,
Askese konnte hingegen auch auf die totale Verleugnung der Welt zielen. ⁵
Was verstanden vor diesem Hintergrund aber die Mendikanten unter Armut?
Sollte ihnen Armut als Königsweg der Annäherung an Christus dienen oder war
Armut für sie nur eine von mehreren Tugenden, die die Grundlage bildeten zur
eigentlich intendierten Befolgung der Evangelien? ⁶ War Armut – wie Petrus Vene-
3 Otto Gerhard Oexle, Armut im Mittelalter. Die pauperes in der mittelalterlichen Gesellschaft, in: Gelobte
Armut. Armutskonzepte der franziskanischen Ordensfamilie vom Mittelalter bis in die Gegenwart, hg.
von Heinz-Dieter Heimann/Angelica Hilsebein/Bernd Schmies u.a., Paderborn/München/Wien u. a.
2012, S. 3 –15, hier S. 6 –11.
4 Werner Maleczek, »Nackt dem nackten Christus folgen«. Die freiwillig Armen in der religiösen Bewegung
der mittelalterlichen Gesellschaft, in: Gelobte Armut. Armutskonzepte der franziskanischen Ordensfamilie
vom Mittelalter bis in die Gegenwart, hg. von Heinz-Dieter Heimann/Angelica Hilsebein/Bernd
Schmies u.a., Paderborn/München/Wien u. a. 2012, S. 17–34, hier S. 20 f.
5 Vgl. Maleczek, »Nackt dem nackten Christus folgen« (wie Anm. 4), S. 25 zum Beispiel der Katharer.
6 Vgl. Volker Honemann, Armut im franziskanischen Schrifttum des 13. Jahrhunderts: Hagiographie und
Historiographie, in: Gelobte Armut. Armutskonzepte der franziskanischen Ordensfamilie vom Mittelalter
bis in die Gegenwart, hg. von Heinz-Dieter Heimann/Angelica Hilsebein/Bernd Schmies u. a., Paderborn/München/Wien
u. a. 2012, S. 101–127, hier S. 103 in Anlehnung an Kajetan Esser, Anfänge und
ursprüngliche Zielsetzungen des Ordens der Minderbrüder (Studie et Documenta Franciscana 4), Leiden
1966, S. 245 f. Vgl. zu dieser Frage auch Jens Röhrkasten, Theorie und Praxis der Armut im mittelalterlichen
Franziskanerorden, in: Gelobte Armut. Armutskonzepte der franziskanischen Ordensfamilie vom
Mittelalter bis in die Gegenwart, hg. von Heinz-Dieter Heimann/Angelica Hilsebein/Bernd Schmies
u. a., Paderborn/München/Wien u.a. 2012, S. 347–366, hier S. 348 –350.
 
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