322 | Frank Rexroth
schen Aufklärung und begründet eine Tradition, die die gesamte Moderne bis heute
begleiten sollte. Sie bemisst die Geschichte des Okzidents am Maßstab des Fortschritts,
der Rationalisierung und der Säkularisierung. Mit dem Christentum, so
diese Meistererzählung, sei am Ende der Antike eine Religion dominant geworden,
die der Ausbreitung vernünftigen Denkens im Weg stand und im weiteren Verlauf
der Geschichte durch wissenschaftliche Durchbrüche und Revolutionen gebändigt
werden musste. Mönche und Mönchtum fungieren in dieser Geschichte allenfalls
als Zwischenspeicher für die vorübergehende Hortung antiken Wissens, im Großen
und Ganzen aber als retardierende Momente, als Personifikationen der geistigen
Selbstzufriedenheit und Trägheit des Christentums. Ihre Schätze hätten ihnen letztlich
von heroischen Wahrheitssuchern abgerungen werden müssen.
In ihrer ursprünglichen Form fassen wir diese Erzählung schon früh in dem
Eintrag zum Lemma »Universität«, der 1746 in Zedlers großem Universallexikon
erschien. Die Klöster, so kann man dort lesen, fungierten nach dem Ende der antiken
Kultur als Heimstätten der Artes liberales, die in den Wirren der nachantiken
Zeit verlorenzugehen drohten, »indem die darinnen lebenden Moenche sich deren
Beybehaltung bestens befliessen.«
»Daher waren in selbigen Zeiten die Kloester auch rechte Werckstaette der
Weißheit, welche Weise, wenn sie so unverletzt waere beybehalten worden,
endlich nicht wuerde zu verwerffen gewesen seyn. Als aber die Geistlichkeit
von ihrer ersten Reinigkeit abzuweichen begunte, sich auf die faule Seiten
legten, und nach weltlicher Herrschaft strebte, da lernte sie auch die Studia
gar aergerlich mißbrauchen und zu einem Nutzen zu machen, mit welchen
sie die Layen, wie sie diejenigen, die ausser ihrem Stand lebten, zu nennen
pflegte, meisterlich bezwingen, und sich ihnen unterwerfen koennte.«
Die Machtbesessenheit des Papsttums habe dazu geführt, dass die Artes gegenüber
den herrschafts-relevanten Fertigkeiten vernachlässigt wurden.
»Doch in eben dergleichen verwirrten Zustand liesse der Himmel auch wieder
einige hellere Zeiten erscheinen, indem er verschiedene Leute erweckte,
gen der historischen Wissenschaften, in: Zeitschrift für Literaturwissenschaft und Linguistik 38, 2008, S.
12–31, v.a. S. 13, Anm. 6. Zum Folgenden auch Frank Rexroth, Die Universität, in: Die Welt des Mittelalters.
Erinnerungsorte eines Jahrtausends, hg. von Johannes Fried/Olaf B. Rader, München 2011, S.
460 – 472; Frank Rexroth, Die scholastische Wissenschaft in den Meistererzählungen der europäischen
Geschichte, in: Die Aktualität der Vormoderne. Epochenentwürfe zwischen Alterität und Kontinuität,
hg. von Klaus Ridder/Steffen Patzold (Europa im Mittelalter 23), Berlin 2013, S. 111–134.
schen Aufklärung und begründet eine Tradition, die die gesamte Moderne bis heute
begleiten sollte. Sie bemisst die Geschichte des Okzidents am Maßstab des Fortschritts,
der Rationalisierung und der Säkularisierung. Mit dem Christentum, so
diese Meistererzählung, sei am Ende der Antike eine Religion dominant geworden,
die der Ausbreitung vernünftigen Denkens im Weg stand und im weiteren Verlauf
der Geschichte durch wissenschaftliche Durchbrüche und Revolutionen gebändigt
werden musste. Mönche und Mönchtum fungieren in dieser Geschichte allenfalls
als Zwischenspeicher für die vorübergehende Hortung antiken Wissens, im Großen
und Ganzen aber als retardierende Momente, als Personifikationen der geistigen
Selbstzufriedenheit und Trägheit des Christentums. Ihre Schätze hätten ihnen letztlich
von heroischen Wahrheitssuchern abgerungen werden müssen.
In ihrer ursprünglichen Form fassen wir diese Erzählung schon früh in dem
Eintrag zum Lemma »Universität«, der 1746 in Zedlers großem Universallexikon
erschien. Die Klöster, so kann man dort lesen, fungierten nach dem Ende der antiken
Kultur als Heimstätten der Artes liberales, die in den Wirren der nachantiken
Zeit verlorenzugehen drohten, »indem die darinnen lebenden Moenche sich deren
Beybehaltung bestens befliessen.«
»Daher waren in selbigen Zeiten die Kloester auch rechte Werckstaette der
Weißheit, welche Weise, wenn sie so unverletzt waere beybehalten worden,
endlich nicht wuerde zu verwerffen gewesen seyn. Als aber die Geistlichkeit
von ihrer ersten Reinigkeit abzuweichen begunte, sich auf die faule Seiten
legten, und nach weltlicher Herrschaft strebte, da lernte sie auch die Studia
gar aergerlich mißbrauchen und zu einem Nutzen zu machen, mit welchen
sie die Layen, wie sie diejenigen, die ausser ihrem Stand lebten, zu nennen
pflegte, meisterlich bezwingen, und sich ihnen unterwerfen koennte.«
Die Machtbesessenheit des Papsttums habe dazu geführt, dass die Artes gegenüber
den herrschafts-relevanten Fertigkeiten vernachlässigt wurden.
»Doch in eben dergleichen verwirrten Zustand liesse der Himmel auch wieder
einige hellere Zeiten erscheinen, indem er verschiedene Leute erweckte,
gen der historischen Wissenschaften, in: Zeitschrift für Literaturwissenschaft und Linguistik 38, 2008, S.
12–31, v.a. S. 13, Anm. 6. Zum Folgenden auch Frank Rexroth, Die Universität, in: Die Welt des Mittelalters.
Erinnerungsorte eines Jahrtausends, hg. von Johannes Fried/Olaf B. Rader, München 2011, S.
460 – 472; Frank Rexroth, Die scholastische Wissenschaft in den Meistererzählungen der europäischen
Geschichte, in: Die Aktualität der Vormoderne. Epochenentwürfe zwischen Alterität und Kontinuität,
hg. von Klaus Ridder/Steffen Patzold (Europa im Mittelalter 23), Berlin 2013, S. 111–134.