Monastischer und scholastischer Habitus | 323
die die in denen finstern Kloestern bisher verborgen gelegenen Studia wiederum
ans Tageslicht und zu ihrem rechten Gebrauch brachten.« ¹³
Klöster allenfalls als Zwischenspeicher, in denen die Frucht zu verkommen droht –
das ist die Rolle, die dem Mönchtum in dem aufklärerischen Panorama für die Wissenschaftsgeschichte
Europas zugesprochen wird. Erst vor kurzer Zeit hat Stephen
Greenblatt einen Sachbuch-Bestseller veröffentlicht, der diese klischeehafte Vorstellung
auch an heutige und künftige Leser weiterreicht. ¹⁴ Denn trotz aller Abschwächungen,
die diese Vorstellung unter dem Einfluss der historischen Forschung seit
dem 19. Jahrhundert erfahren hatte, blieb die aufklärerische Praxis weit verbreitet,
die klösterliche und die intellektuelle Kultur Europas nach einer Art Phasenschema
hintereinanderzureihen. Dies galt auch dort, wo man die neue, scholastische Wissenschaftskultur
seit dem 12. Jahrhundert als Wegbereiterin geistiger Modernisierung
ansah. So war es beispielsweise für einen profunden Kenner der Scholastik wie
Joseph Koch im Jahre 1961 äußerst wichtig, in einem Lexikonbeitrag zu betonen,
dass die scholastische Theologie ursprünglich nichts mit den Klöstern zu tun hatte,
auch nicht mit Lanfrancs und Anselms Konvent in Bec. Vielmehr sei sie in städtischen
Schulen entwickelt worden. »Die Klöster der alten Orden nahmen entweder
an der neuen Theologie keinen Anteil oder lehnten sie ab«, so Koch. ¹⁵ Er bezog sich
damit auf die folgenreiche, in den 1950er Jahren von Jean Leclercq entwickelte Unterscheidung
einer »monastischen« von einer »scholastischen« Theologie. ¹⁶ Gerade
im 12. Jahrhundert, so Koch, habe es in den Konventen der Mönche eine Art von
Beschäftigung mit theologischen Fragen gegeben, die methodisch und im Hinblick
auf ihre typischen, an das klaustrale Leben gebundenen Interessen mehr mit der
Tradition der Patristik als mit der zeitgenössischen Wissenschaft der außerklöster-
13 Universität, in: Zedler’s Universal-Lexikon, Bd. 49, Leipzig/Halle 1746, Sp. 1780 f.
14 Stephen Greenblatt, Die Wende. Wie die Renaissance begann, München 2011.
15 Josef Koch, Scholastik, in: Religion in Geschichte und Gegenwart. Handwörterbuch für Theologie und
Religionswissenschaft, Bd. 5, Tübingen 1961, Sp. 1494 –1498, hier Sp. 1494 f.
16 Jean Leclercq, L’amour des lettres et le désir de Dieu. Initiation aux auteurs monastiques du Moyen
Age, Paris 1957; Koch, Scholastik (wie Anm. 15), Sp. 1494 f. Zur Rezeption des Konzepts »monastische
Theologie« Alfredo Simón, Teología monástica. La recepción y el debate en torno a un concepto
innovador, Teil 1, in: Studia monastica 44, 2002, S. 313 –371; Teil 2, in: ebd. 45, 2003, S. 189 –233. Eine
zeitgemäße Definition der monastischen Theologie entwickelt diese nicht mehr aus dem Gegensatz zur
Scholastik heraus, vernachlässigt aber andererseits die Beziehung zur Scholastik nicht. Siehe etwa Ulrich
Köpf, Wurzeln reformatorischen Denkens in der monastischen Theologie Bernhards von Clairvaux, in:
Reformation und Mönchtum. Aspekte eines Verhältnisses über Luther hinaus, hg. von Athina Lexutt/
Volker Mantey/Volkmar Ortmann (Spätmittelalter, Humanismus, Reformation 43), Tübingen 2008,
S. 29 –56, hier S. 35.
die die in denen finstern Kloestern bisher verborgen gelegenen Studia wiederum
ans Tageslicht und zu ihrem rechten Gebrauch brachten.« ¹³
Klöster allenfalls als Zwischenspeicher, in denen die Frucht zu verkommen droht –
das ist die Rolle, die dem Mönchtum in dem aufklärerischen Panorama für die Wissenschaftsgeschichte
Europas zugesprochen wird. Erst vor kurzer Zeit hat Stephen
Greenblatt einen Sachbuch-Bestseller veröffentlicht, der diese klischeehafte Vorstellung
auch an heutige und künftige Leser weiterreicht. ¹⁴ Denn trotz aller Abschwächungen,
die diese Vorstellung unter dem Einfluss der historischen Forschung seit
dem 19. Jahrhundert erfahren hatte, blieb die aufklärerische Praxis weit verbreitet,
die klösterliche und die intellektuelle Kultur Europas nach einer Art Phasenschema
hintereinanderzureihen. Dies galt auch dort, wo man die neue, scholastische Wissenschaftskultur
seit dem 12. Jahrhundert als Wegbereiterin geistiger Modernisierung
ansah. So war es beispielsweise für einen profunden Kenner der Scholastik wie
Joseph Koch im Jahre 1961 äußerst wichtig, in einem Lexikonbeitrag zu betonen,
dass die scholastische Theologie ursprünglich nichts mit den Klöstern zu tun hatte,
auch nicht mit Lanfrancs und Anselms Konvent in Bec. Vielmehr sei sie in städtischen
Schulen entwickelt worden. »Die Klöster der alten Orden nahmen entweder
an der neuen Theologie keinen Anteil oder lehnten sie ab«, so Koch. ¹⁵ Er bezog sich
damit auf die folgenreiche, in den 1950er Jahren von Jean Leclercq entwickelte Unterscheidung
einer »monastischen« von einer »scholastischen« Theologie. ¹⁶ Gerade
im 12. Jahrhundert, so Koch, habe es in den Konventen der Mönche eine Art von
Beschäftigung mit theologischen Fragen gegeben, die methodisch und im Hinblick
auf ihre typischen, an das klaustrale Leben gebundenen Interessen mehr mit der
Tradition der Patristik als mit der zeitgenössischen Wissenschaft der außerklöster-
13 Universität, in: Zedler’s Universal-Lexikon, Bd. 49, Leipzig/Halle 1746, Sp. 1780 f.
14 Stephen Greenblatt, Die Wende. Wie die Renaissance begann, München 2011.
15 Josef Koch, Scholastik, in: Religion in Geschichte und Gegenwart. Handwörterbuch für Theologie und
Religionswissenschaft, Bd. 5, Tübingen 1961, Sp. 1494 –1498, hier Sp. 1494 f.
16 Jean Leclercq, L’amour des lettres et le désir de Dieu. Initiation aux auteurs monastiques du Moyen
Age, Paris 1957; Koch, Scholastik (wie Anm. 15), Sp. 1494 f. Zur Rezeption des Konzepts »monastische
Theologie« Alfredo Simón, Teología monástica. La recepción y el debate en torno a un concepto
innovador, Teil 1, in: Studia monastica 44, 2002, S. 313 –371; Teil 2, in: ebd. 45, 2003, S. 189 –233. Eine
zeitgemäße Definition der monastischen Theologie entwickelt diese nicht mehr aus dem Gegensatz zur
Scholastik heraus, vernachlässigt aber andererseits die Beziehung zur Scholastik nicht. Siehe etwa Ulrich
Köpf, Wurzeln reformatorischen Denkens in der monastischen Theologie Bernhards von Clairvaux, in:
Reformation und Mönchtum. Aspekte eines Verhältnisses über Luther hinaus, hg. von Athina Lexutt/
Volker Mantey/Volkmar Ortmann (Spätmittelalter, Humanismus, Reformation 43), Tübingen 2008,
S. 29 –56, hier S. 35.