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Innovationen durch Deuten und Gestalten: Klöster im Mittelalter zwischen Jenseits und Welt — Klöster als Innovationslabore, Band 1: Regensburg: Schnell + Steiner, 2014

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Rexroth, Frank: Monastischer und scholastischer Habitus: Beobachtungen zum Verhältnis zwischen zwei Lebensformen des 12. Jahrhunderts
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https://doi.org/10.11588/diglit.31468#0326
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Geistigkeit miteinander kommunizieren, wird auf diese Weise als die wissenschaftsgeschichtlich
entscheidende Tatsache angesehen. War Leclercqs Lebenswerk im
Grunde noch dem kompensatorischen Gedanken verpflichtet gewesen, dass die
Historiker viel von der Scholastik, aber wenig von der Wissenschaftskultur der
Klöster wüssten und dass es folglich seine Aufgabe sei, das Wissen seiner Zeitgenossen
von der Intellektualität der Mönche zu bereichern, so konnte man mittlerweile
diesen kompensatorischen Gedanken hinter sich lassen und eine Kommunikationsgeschichte
zwischen Kloster und Schule vorantreiben. Man konnte fortan danach
fragen, inwiefern Scholastik und Monastik sich als Modi des Denkens aus ihrer
Interdependenz heraus verstehen lassen. Die folgenden Ausführungen sind dieser
Frage immer noch verpflichtet.
III
Monastischer und scholastischer Habitus | 325
Achtet man auf die zeitgenössische wechselseitige Wahrnehmung der jungen Pariser
Schulen, dann scheint es auf den ersten Blick durchaus zweifelhaft zu sein, dass sich
monastisches und scholastisches Denken wechselseitig befruchtet haben. Vor allem
durch Stephen Ferruolos wichtige Arbeit von 1985 ist gut aufgearbeitet, wie aggressiv-ablehnend
gerade Angehörige des jungen Zisterzienserordens auf die neuen, von
recht ungebundenen Magistern geführten scholae vor allem in der französischen
Metropole reagierten. Ihre Abwehrhaltung war während des gesamten 12. Jahrhunderts
stark ausgeprägt. Ferruolo hat gezeigt, dass die Scholastik-Polemik des
Bernhard von Clairvaux wie auch seiner Ordensbrüder in schwerwiegenden Vorbehalten
gründete, die nicht etwa auf die Besserung einer prinzipiell verdienstvollen
Tätigkeit zielten, sondern die generell gegen den wachsenden Einfluss der neuen
Wissenschaft gerichtet waren. ²¹ Bernhards Biograph Gottfried von Auxerre, der die
Aktivitäten der Scholastiker aus seiner eigenen Zeit bei Peter Abaelard gut kannte,
wurde nach seiner eigenen Aussage durch eine von Bernhards Pariser Predigten zu
einem neuen Menschen gemacht – er sollte dem großen Prediger ab inanibus studiis
ad verae sapientiae cultum folgen, nämlich zum Konvent von Clairvaux. ²²
Wenn es sich bei dieser für Gottfried so entscheidenden Predigt tatsächlich um
die Allerheiligenpredigt von 1139 oder 1140 Ad clericos de conversione handelte,
21 Vgl. Ferruolo, Origins (wie Anm. 11), S. 48.
22 Bernhard von Clairvaux, Ad clericos de conversione, in: Ders., Sämtliche Werke lateinisch/deutsch, hg.
von Gerhard Winkler, 10 Bde., Innsbruck 1990 –1999, hier Bd. 4, S. 127–246. Gottfried von Auxerre,
Vita prima S. Bernardi, in: Patrologia Latina, hg. von Jacques-Paul Migne, Bd. 185, Paris 1855, Sp.
302– 416, hier Sp. 327.
 
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