338 | Gert Melville
Was man nämlich nicht auf den ersten Blick zur Kenntnis nehmen kann, ist
die Tatsache, dass die Klöster und Orden des Mittelalters – insbesondere seit dem
11. Jahrhundert – die europäischen Vorstellungen von Gemeinschaftsbildung und
Individualisierung, den Umgang mit Rationalität, Recht und Organisationseffizienz
und die Orientierung an Letztbegründungen ganz wesentlich auf innovative Weise
geprägt haben – dass sie, wie wir meinen, hierin regelrechte »Innovationslabore«
mit Wirkung sogar bis in die moderne säkulare Welt waren.
Sie lehrten Europa die Rationalität der Planung und der geregelten Verfahrensabläufe,
des Umgangs mit Eigentum und Besitzlosigkeit ebenso wie die Rationalität
der Arbeitsteilung, der Güterzuweisung und der ökonomischen Betriebseffizienz.
Sie erprobten erfolgreich die rationale Gestaltung von Gemeinschaftsordnungen
und eröffneten dadurch der europäischen Gesellschaft den Weg zu neuen Konstruktionen
von moderner Staatlichkeit – und sie begannen damit lange vor den
Städten, vor den Landesfürsten und auch vor dem Klerus der Amtskirche und der
Römischen Kurie. Doch mehr noch: Sie testeten zugleich die Grenzen der rationalen
Erkenntnis durch die Methode der scholastischen Dialektik aus und sprengten
sie auf durch die individuellen Erfahrungen der Mystik. Sie lehrten den Menschen
unter dem Leitgedanken der Caritas, des Friedens und der Gerechtigkeit eine verinnerlichte
Ethik der Lebensführung und vermittelten ihnen damit ein entscheidendes
Orientierungswissen im Umgang mit dem eigenen individuellen Selbst und
mit dem Nächsten; sie deuteten ihnen programmatisch die Natur, das Leben sowie
das Jenseits. Sie wiesen die Grenzen des Menschen im Angesicht der unverfügbaren
Transzendenz Gottes auf und lehrten ihm Demut.
Doch in diesen Bereich vorzudringen, kann nur gelingen, wenn man vor dem
Hintergrund der mittelalterlichen Annahmen über Gott und Mensch, über Individualität
und Gemeinschaft, über Glaube und Vernunft bis zum Kern der klösterlichen
Lebensweise vordringt. Dort wird man auf eine faszinierende Welt des
Ringens um Wahrheit, um Verstehen des Irdischen und Göttlichen stoßen – schlicht
auf die Suche nach konsequenter Bewältigung des Daseins um des Jenseits willen.
Dorthin möchte ich Sie nun kurz entführen – und Ihnen dabei ein wenig die
Leitlinien unseres Forschungsprojektes vorstellen. Der Weg wird allerdings verschlungener
sein als der Spaziergang durch eine Wunderkammer. Er wird zunächst
etwas tiefer in die mittelalterliche Struktur von klösterlicher Religiosität als grundlegender
Handlungsnorm hineinführen müssen, um die einstigen Motive, die Obsessionen
und Sehnsüchte des im Kloster handelnden Menschen besser verstehen zu
können. Denn gerade aus ihnen entwickelte sich die Fähigkeit zu jenen angesprochenen
innovativen Leistungen.
Die Immanenz weltlichen Daseins strikt aus dem Begreifen von Transzendenz
auf Gott zu bestimmen, auf einen Gott, der über die Welt unverfügbar herrschte –
Was man nämlich nicht auf den ersten Blick zur Kenntnis nehmen kann, ist
die Tatsache, dass die Klöster und Orden des Mittelalters – insbesondere seit dem
11. Jahrhundert – die europäischen Vorstellungen von Gemeinschaftsbildung und
Individualisierung, den Umgang mit Rationalität, Recht und Organisationseffizienz
und die Orientierung an Letztbegründungen ganz wesentlich auf innovative Weise
geprägt haben – dass sie, wie wir meinen, hierin regelrechte »Innovationslabore«
mit Wirkung sogar bis in die moderne säkulare Welt waren.
Sie lehrten Europa die Rationalität der Planung und der geregelten Verfahrensabläufe,
des Umgangs mit Eigentum und Besitzlosigkeit ebenso wie die Rationalität
der Arbeitsteilung, der Güterzuweisung und der ökonomischen Betriebseffizienz.
Sie erprobten erfolgreich die rationale Gestaltung von Gemeinschaftsordnungen
und eröffneten dadurch der europäischen Gesellschaft den Weg zu neuen Konstruktionen
von moderner Staatlichkeit – und sie begannen damit lange vor den
Städten, vor den Landesfürsten und auch vor dem Klerus der Amtskirche und der
Römischen Kurie. Doch mehr noch: Sie testeten zugleich die Grenzen der rationalen
Erkenntnis durch die Methode der scholastischen Dialektik aus und sprengten
sie auf durch die individuellen Erfahrungen der Mystik. Sie lehrten den Menschen
unter dem Leitgedanken der Caritas, des Friedens und der Gerechtigkeit eine verinnerlichte
Ethik der Lebensführung und vermittelten ihnen damit ein entscheidendes
Orientierungswissen im Umgang mit dem eigenen individuellen Selbst und
mit dem Nächsten; sie deuteten ihnen programmatisch die Natur, das Leben sowie
das Jenseits. Sie wiesen die Grenzen des Menschen im Angesicht der unverfügbaren
Transzendenz Gottes auf und lehrten ihm Demut.
Doch in diesen Bereich vorzudringen, kann nur gelingen, wenn man vor dem
Hintergrund der mittelalterlichen Annahmen über Gott und Mensch, über Individualität
und Gemeinschaft, über Glaube und Vernunft bis zum Kern der klösterlichen
Lebensweise vordringt. Dort wird man auf eine faszinierende Welt des
Ringens um Wahrheit, um Verstehen des Irdischen und Göttlichen stoßen – schlicht
auf die Suche nach konsequenter Bewältigung des Daseins um des Jenseits willen.
Dorthin möchte ich Sie nun kurz entführen – und Ihnen dabei ein wenig die
Leitlinien unseres Forschungsprojektes vorstellen. Der Weg wird allerdings verschlungener
sein als der Spaziergang durch eine Wunderkammer. Er wird zunächst
etwas tiefer in die mittelalterliche Struktur von klösterlicher Religiosität als grundlegender
Handlungsnorm hineinführen müssen, um die einstigen Motive, die Obsessionen
und Sehnsüchte des im Kloster handelnden Menschen besser verstehen zu
können. Denn gerade aus ihnen entwickelte sich die Fähigkeit zu jenen angesprochenen
innovativen Leistungen.
Die Immanenz weltlichen Daseins strikt aus dem Begreifen von Transzendenz
auf Gott zu bestimmen, auf einen Gott, der über die Welt unverfügbar herrschte –