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Innovationen durch Deuten und Gestalten: Klöster im Mittelalter zwischen Jenseits und Welt — Klöster als Innovationslabore, Band 1: Regensburg: Schnell + Steiner, 2014

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Schneidmüller, Bernd: Deuten und Gestalten in mittelalterlichen Klöstern als Innovation: Ein Schlusswort
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https://doi.org/10.11588/diglit.31468#0363
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362 | Bernd Schneidmüller
schen der theologischen Weltdeutung der Dominikaner und der pragmatischen Politikgestaltung
im 13. Jahrhundert. In ihrer Radikalität gerieten die Franziskaner
zum Stachel oder zum Ärger in der Geschichte, gaben aber gleichzeitig auch praktische
Handlungsanleitungen für die Herren dieser Welt.
Solche Wirkungen der Klöster in die Welt werden in diesem Band auf verschiedenen
Ebenen exemplarisch präsentiert: in sichtbarer Evidenz monastischer Architektur
(Matthias Untermann), in der Provokation des Bettelns für Gesellschaften,
die gerade die Durchsetzung der Geldwirtschaft erlebten (David Flood), im Transfer
geistlicher Disziplin und Rationalität für den administrativen Herrschaftsaufbau
des Deutschen Ordens (Klaus Militzer) und in der ambivalenten Prägung der scholastischen
Praxis durch monastische Denkformen (Frank Rexroth). Die Diskussion
unterschied zwischen den gezielt erinnerten charismatischen Anfängen und ihrer
Verdauerung in langen Gewöhnlichkeiten. Die Abfolge solch liminaler Phasen vom
visionären Schwung zur pragmatischen Institutionalisierung wird heute nicht mehr
als Fortschrittsnarrativ im Sinne traditioneller biologistischer Deutungsschemata
von Aufstieg, Blüte und Verfall angesprochen (Frank Rexroth), wie überhaupt berechtigte
Skepsis gegenüber den großen kirchengeschichtlichen Meistererzählungen
angebracht erscheint. Noch sind allerdings die Alternativen für eine künftige
Klostergeschichtsschreibung nicht klar. Aktuelle Bekenntnisse, auf Entwicklungsgeschichte
ganz zu verzichten oder alles noch stärker zu differenzieren, erscheinen
als Schlüssel zur Bündelung von Vielfalt bisweilen etwas hilflos.
Immerhin wirkt – das stellte David Flood in der Diskussion prägnant heraus –
der franziskanische Stachel unter veränderten säkularen Umständen bis heute weiter:
Gerechtigkeit und Frieden müssen schon in dieser Welt realisiert und nicht in
die Transzendenz verschoben werden. Das verlangt sofortige gesellschaftliche Gerechtigkeit.
Folgerichtig deutete die franziskanische Tradition die Verweigerung des
Almosens als Verbrechen und ließ das Naturrecht fordernd in die mittelalterliche
Rechtsordnung einbrechen.
In der Schlussdiskussion der Mainzer Tagung wurden vor allem mittelalterliche
Verlaufsgeschichten, moderne Deutungsmuster und die Bedeutung von Paradoxien
und Alteritätserfahrungen thematisiert. Einige dieser Paradoxien sollen ans Ende
gerückt werden.
Monastisches Leben prägte die Geschichte des Christentums seit der Spätantike
in wechselnder Intensität. Der Auftrag des Alten und des Neuen Testaments hätte
auch eine Kirche und eine Mission ermöglicht, die völlig ohne Mönche und Nonnen
ausgekommen wäre. Damit ist nicht gemeint, dass klösterliches Leben keine Verankerung
im Evangelium fände. Jesus und seine Jünger oder die Apostelgemeinschaft
in Jerusalem boten schließlich in ihrem gegenweltlichen Zusammenleben und in ihrer
Radikalität der Christusnachfolge entscheidende Vorbilder. Doch Jesu Auftrag
 
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