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Jaspers, Karl; Salamun, Kurt [Editor]; Fuchs, Thomas [Editor]; Halfwassen, Jens [Editor]; Schulz, Reinhard [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Editor]; Schwabe AG [Editor]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 10): Vom Ursprung und Ziel der Geschichte — Basel: Schwabe Verlag, 2017

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.51322#0012
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Einleitung des Herausgebers

XI

Kritik an »totalistischen« Denkweisen, wie sie u.a. in Vorstellungen von der Möglich-
keit der totalen Planbarkeit von wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Verhältnissen
zum Ausdruck kommen (vgl. 94, 171-182). Jaspers argumentiert dabei grundsätzlich
gegen einen freiheitsfeindlichen, totalitären Planungs- und Regulierungsfanatismus
und stellt diesem eine Denkhaltung entgegen, die an Prinzipien des Pluralismus, der
individuellen Freiheit und einer pluralistisch-demokratischen Gesellschaftsordnung
orientiert ist.
Im zweiten Hauptkapitel »Gegenwart und Zukunft« setzt sich Jaspers mit der mo-
dernen Wissenschaft und dem technischen Zeitalter auseinander und entwirft bei der
Bewertung der Konsequenzen dieser abendländischen Entwicklungen Ansätze einer
Technikphilosophie. Einerseits werden die grundsätzliche Neuheit und die weitrei-
chenden positiven Folgen der Wissenschafts- und Technikentwicklung für alle Lebens-
bereiche nachdrücklich hervorgehoben. Andererseits warnt Jaspers jedoch vor einem
unkritischen Wissenschaftsaberglauben (vgl. 93-96) und einer übertriebenen Technik-
gläubigkeit (vgl. in-121). Es darf nicht ignoriert werden, dass die Technik prinzipielle
Grenzen hat und ihre Entwicklung und Folgewirkungen letztlich von den Werthal-
tungen und Wertentscheidungen von Individuen abhängig sind. Dabei grenzt sich
Jaspers auch von einer Dämonisierung der Technik ab, wie er sie in Schriften von Fried-
rich Georg Jünger gegeben sieht (vgl. 117-121, vor allem die Fußnote i auf Seite 119-
120). Eine solche Dämonisierung liegt dann vor, wenn die Technik als wesenhaft böse
dargestellt wird und ihre prinzipielle Abhängigkeit von menschlichen Entscheidun-
gen unberücksichtigt bleibt. Jaspers bringt den eigenen Standpunkt bei der Technik-
bewertung klar zum Ausdruck, wenn er feststellt: »Technik ist nur Mittel, an sich we-
der gut noch böse. Es kommt darauf an, was der Mensch daraus macht, zu was sie ihm
dient, unter welche Bedingungen er sie stellt.« (121).
Was den »Sinn der Geschichte« betrifft, der im dritten Kapitel erörtert wird, ver-
tritt Jaspers wieder einen strikt antideterministischen Standpunkt. Obwohl der Mensch
dazu tendiert, in Bezug auf die Geschichte gewisse Vorstellungen von einer Einheit,
Ganzheit und einem Endziel des Geschichtsprozesses zu entwickeln, bleiben solche
Vorstellungen immer nur regulative Ideen, die nie in die Wirklichkeit umsetzbar sind.
Die Geschichte hat keinen immanenten Sinn und ist genauso wenig vollendbar wie
das Menschsein. Der Mensch muss in jeder Lebenssituation selber einen Sinn setzen
und die offenen Möglichkeiten ergreifen, um die zukünftige Geschichtsentwicklung
auf mehr Freiheit, Humanität, gegenseitiges Verständnis und universale Kommunika-
tion hin vor anzu treib en (vgl. 215-218, 236-238, 240-244).
 
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