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Jaspers, Karl; Salamun, Kurt [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 10): Vom Ursprung und Ziel der Geschichte — Basel: Schwabe Verlag, 2017

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https://doi.org/10.11588/diglit.51322#0021
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XX

Einleitung des Herausgebers

men.42 Über seine inhaltliche Bestimmung gibt es allerdings vielfache Differenzen. Vor
allem Jaspers’ Periodisierungsvorschlag für die Achsenzeit wurde kritisiert und mehr-
fach modifiziert. So hat man diese Periode entweder auf eine kürzere Phase einge-
schränkt oder bis in die Vorgeschichte vor 800 v. Chr. ausgedehnt. Ein Beispiel dafür bie-
tet der Universalhistoriker Arnold J. Toynbee, der nach dem Erscheinen von Vom
Ursprung und Ziel der Geschichte in einem 1962 publizierten religionsgeschichtlichen Ar-
tikel nur in Bezug auf das 6. Jahrhundert von einem »>Achsenzeitalter< in der Geschichte
der Religion« sprechen möchte. Er bemängelt aus christlicher Sicht an Jaspers’ Konzept
auch den Umstand, dass darin Moses und Jesus Christus keine Berücksichtigung finden.43
Neben Toynbee hat sich auch ein anderer bedeutender Zeitgenosse von Jaspers, der
Politikwissenschaftler und Religionshistoriker Eric Voegelin, mit dem Thema Achsen-
zeit auseinandergesetzt und diese These mit eigenen universalhistorischen Überlegun-
gen verglichen. Er kommt zum Ergebnis, dass Jaspers’ These zwar einerseits dazu bei-
getragen habe, der Geschichte der Menschheit eine »Breitendimension« zu verleihen,
die den einlinigen, eurozentrischen Geschichtskonstruktionen fehle. Andererseits ig-
noriere diese These aber »rangliche Unterschiede« zwischen den Achsenzeitkulturen.
Es bleibe darüber hinaus auch unberücksichtigt, dass die Geschichtsphilosophie nur
im Abendland unter dem Einfluss jüdischen, griechischen und christlichen Denkens
entstanden sei und nirgendwo sonst.44
In kulturphilosophischen Reflexionen über Interkulturalität wurde die Achsenzeit-
these (neben Jaspers’ Begriffen der »philosophiaperennis« und der »Weltphilosophie«)
als wichtige philosophische Basis für interkulturelle Verständigungsbemühungen an-
gesehen. Jaspers gilt in dieser Diskussion als Pionier eines Philosophieverständnisses,

42 Vgl. K. Armstrong: The Great Transformation: The Beginning of Our Religious Traditions, New York
2006, dt.: Die Achsenzeit. Vom Ursprung der Weltreligionen, München 2006. Ein Kapitel dieses
Buches ist mit »Die Achsenvölker« (17-47) überschrieben. Vgl. auch: Robert N. Bellah: Religion in
Human Evolution. From the Paleolithic to the Axial Age, Cambridge, MA 2011.
43 Vgl. A. J. Toynbee: »Die höheren Religionen«, in: Propyläen Weltgeschichte. Eine Universalgeschichte,
II. Bd.: Hochkulturen des Mittleren und östlichen Asiens, hg. von G. Mann und A. Heuß, Berlin 1962,
623-637, 627. Aus der Sicht der historischen Kulturwissenschaft stellte der Heidelberger Kultur-
wissenschaftler J. Assmann fest, dass es schon im Alten Ägypten revolutionäre Umbrüche gab, die
gewisse strukturelle Merkmale der Jaspers’schen Achsenzeit aufwiesen. Er sieht u.a. einen gravie-
renden Mangel bei Jaspers in der Vernachlässigung des Übergangs von mündlicher zu schriftli-
cher Überlieferung, der die Entstehung des »kulturellen Gedächtnisses« in den Achsenzeitkul-
turen wesentlich bestimmt habe. Vgl. J. Assmann: Ma’at: Gerechtigkeit und Unsterblichkeit im Alten
Ägypten, München 1990, 41-50; ders.: Das kulturelle Gedächtnis: Schrift, Erinnerung und politische
Identität in frühen Hochkulturen, München 1992,195, 290-292.
44 Vgl. E. Voegelin: Ordnung und Geschichte, hg. von P. J. Opitz und D. Herz, Band IV: Die Welt
der Polis. Gesellschaft, Mythos und Geschichte, hg. von J. Gebhardt, München 2002, 38-43. Zu
Voegelins weiterer Diskussion der Achsenzeitthese vgl. auch Ordnung und Geschichte, Bd. VIII:
Das Ökumenische Zeitalter. Die Legitimität der Antike, hg. von T. Hollweck, München 2004,17-21,
sowie Bd. IX: Das Ökumenische Zeitalter. Weltherrschaft und Philosophie, hg. von M. Henningsen,
München 2004,183-188.
 
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