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Vom Ursprung und Ziel der Geschichte
daß alle umliegenden Länder und die Nomaden selbst beherrscht wurden (es entstan-
den die Weltreiche der Assyrer, Ägypter, zuletzt in neuer Gestalt das der Perser, dann erst
und vielleicht mit dem Vorbild von dort, die der Inder, noch später das der Chinesen).
5) Das Aufkommen des Pferdes - aber erst während der schon entwickelten Hochkul-
turen ein Moment ihrer Verwandlung - als Streitwagenpferd, als Reiterpferd. Es brachte
die Loslösung des Menschen vom Boden zur Weite und Freiheit, neue überlegene Kampf-
technik, brachte ein Herrentum, das verknüpft ist mit der Zähmung und Zügelung des
Pferdes, dem Mut des Reiters und Eroberers, dem Sinn für die Schönheit des Tieres.
Die die Geschichte eröffnenden Ereignisse führen zu der tieferen Frage: Was ist über
den Menschen gekommen, daß er aus Ungeschichtlichkeit in Geschichte trat? Was ist
eigentlich das in seinem Wesen, was zur Geschichte führt? Was sind die Grundcha-
raktere des geschichtlichen Prozesses gegenüber der Vorgeschichte? Man möchte eine
Antwort aus dem Inneren des menschlichen Wesens. Nicht die äußeren Ereignisse,
sondern die innere Verwandlung des Menschen möchten wir kennen.
Der Geschichte vorher ging ein Werden und Sichverwandeln, das dem Menschen
mit dem Naturgeschehen weitgehend gemeinsam ist. Der Sprung von diesem bloßen
Geschehen in die Geschichte ist vielleicht charakterisiert:
1) durch Bewußtsein und Erinnerung, durch Überlieferung geistigen Erwerbes, -
damit geschieht die Befreiung von der bloßen Gegenwart,
71 | 2) durch Rationalisierung irgendwelchen Sinnes und Umfangs, durch Technik, -
damit geschieht die Befreiung von der vitalen Gebundenheit an die zufällige nächste
Nähe zur Vorsorge und Sicherung,
3) durch Vorbildlichkeit von Menschen, deren Taten, Leistungen und Schicksale
vor Augen stehen in Gestalt von Herrschern und Weisen, - damit geschieht der An-
fang der Befreiung von der Dumpfheit des Selbstbewußtseins und von der Angst vor
Dämonen.
Die Folge der Geschichte ist ein unablässiges Anderswerden der Zustände, des Wis-
sens, der Gehalte in ihrer Erscheinung, aber so, daß ein Bezug von allem auf alles, ein
Zusammenhang der Überlieferung, universale Kommunikation möglich und als For-
derung erfahren wird.
Was ist der Grund, daß der Mensch den Sprung tut? Er hat, als er ihn tat, nicht ge-
wollt und nicht gewußt, was damit über ihn kam. Es ist etwas mit ihm geschehen. Er
ist nicht, wie alles Lebendige sonst, in seiner Besonderheit ebenso beschränkt wie voll-
endet, sondern er ist grenzenlos offen in seinen Möglichkeiten und unvollendet und
unvollendbar in seinem Wesen. Was im Menschen vom Ursprung her gelegen sein,
was in der Vorgeschichte als Keim der Geschichte schon gewirkt haben muß, das bricht
gewaltig durch, als die Geschichte beginnt.
Dieser Sprung des Menschseins, der die Geschichte zur Folge hat, kann aufgefaßt
werden als das Unheil, das über den Menschen gekommen ist; etwas Unbegreifliches
ist geschehen, ein Sündenfall, der Einbruch einer fremden Macht; alles, was Ge-
Vom Ursprung und Ziel der Geschichte
daß alle umliegenden Länder und die Nomaden selbst beherrscht wurden (es entstan-
den die Weltreiche der Assyrer, Ägypter, zuletzt in neuer Gestalt das der Perser, dann erst
und vielleicht mit dem Vorbild von dort, die der Inder, noch später das der Chinesen).
5) Das Aufkommen des Pferdes - aber erst während der schon entwickelten Hochkul-
turen ein Moment ihrer Verwandlung - als Streitwagenpferd, als Reiterpferd. Es brachte
die Loslösung des Menschen vom Boden zur Weite und Freiheit, neue überlegene Kampf-
technik, brachte ein Herrentum, das verknüpft ist mit der Zähmung und Zügelung des
Pferdes, dem Mut des Reiters und Eroberers, dem Sinn für die Schönheit des Tieres.
Die die Geschichte eröffnenden Ereignisse führen zu der tieferen Frage: Was ist über
den Menschen gekommen, daß er aus Ungeschichtlichkeit in Geschichte trat? Was ist
eigentlich das in seinem Wesen, was zur Geschichte führt? Was sind die Grundcha-
raktere des geschichtlichen Prozesses gegenüber der Vorgeschichte? Man möchte eine
Antwort aus dem Inneren des menschlichen Wesens. Nicht die äußeren Ereignisse,
sondern die innere Verwandlung des Menschen möchten wir kennen.
Der Geschichte vorher ging ein Werden und Sichverwandeln, das dem Menschen
mit dem Naturgeschehen weitgehend gemeinsam ist. Der Sprung von diesem bloßen
Geschehen in die Geschichte ist vielleicht charakterisiert:
1) durch Bewußtsein und Erinnerung, durch Überlieferung geistigen Erwerbes, -
damit geschieht die Befreiung von der bloßen Gegenwart,
71 | 2) durch Rationalisierung irgendwelchen Sinnes und Umfangs, durch Technik, -
damit geschieht die Befreiung von der vitalen Gebundenheit an die zufällige nächste
Nähe zur Vorsorge und Sicherung,
3) durch Vorbildlichkeit von Menschen, deren Taten, Leistungen und Schicksale
vor Augen stehen in Gestalt von Herrschern und Weisen, - damit geschieht der An-
fang der Befreiung von der Dumpfheit des Selbstbewußtseins und von der Angst vor
Dämonen.
Die Folge der Geschichte ist ein unablässiges Anderswerden der Zustände, des Wis-
sens, der Gehalte in ihrer Erscheinung, aber so, daß ein Bezug von allem auf alles, ein
Zusammenhang der Überlieferung, universale Kommunikation möglich und als For-
derung erfahren wird.
Was ist der Grund, daß der Mensch den Sprung tut? Er hat, als er ihn tat, nicht ge-
wollt und nicht gewußt, was damit über ihn kam. Es ist etwas mit ihm geschehen. Er
ist nicht, wie alles Lebendige sonst, in seiner Besonderheit ebenso beschränkt wie voll-
endet, sondern er ist grenzenlos offen in seinen Möglichkeiten und unvollendet und
unvollendbar in seinem Wesen. Was im Menschen vom Ursprung her gelegen sein,
was in der Vorgeschichte als Keim der Geschichte schon gewirkt haben muß, das bricht
gewaltig durch, als die Geschichte beginnt.
Dieser Sprung des Menschseins, der die Geschichte zur Folge hat, kann aufgefaßt
werden als das Unheil, das über den Menschen gekommen ist; etwas Unbegreifliches
ist geschehen, ein Sündenfall, der Einbruch einer fremden Macht; alles, was Ge-