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Jaspers, Karl; Salamun, Kurt [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 10): Vom Ursprung und Ziel der Geschichte — Basel: Schwabe Verlag, 2017

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https://doi.org/10.11588/diglit.51322#0141
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Vom Ursprung und Ziel der Geschichte

es von der Natur, und richtet sich nicht lebendig auf sie als eine lebendige ... das Arbei-
144 ten, das ihm übrigbleibt, wird selbst maschinenmäßiger, | je maschinenmäßiger die Ar-
beit wird, desto weniger Wert hat sie, und desto mehr muß er auf diese Weise arbeiten.«
»Die Arbeit wird toter, ... die Geschicklichkeit des Einzelnen unendlich beschränkter,
und das Bewußtsein der Fabrikarbeiter wird zur letzten Stumpfheit herabgesetzt; und
der Zusammenhang der einzelnen Art von Arbeit mit der ganzen unendlichen Masse
der Bedürfnisse wird ganz unübersehbar und eine blinde Abhängigkeit, so daß eine ent-
fernte Operation oft die Arbeit einer ganzen Klasse von Menschen, die ihr Bedürfnis da-
mit befriedigte, plötzlich hemmt, überflüssig und unbrauchbar macht.«
3) Die Technik zwingt zu einer gewissen Größe der Organisation. Nur in Fabriken von ei-
nem beträchtlichen Umfang kann das technische Ziel vollendet und sparsam verwirklicht
werden. Wie groß diese Organisation sein muß, ist eine Frage, die für jede Fabrikation be-
sonders zu beantworten ist. Aber es ist die weitere Frage, wieweit die großen Organisatio-
nen ohne Monopole im freien Markt vorteilhaft sich in einer Vielzahl entfalten können,
wieweit außer dem Rahmen der Rechtssetzungen eine planmäßige Einrichtung der einen
umfassenden Weltfabrik ins Auge zu fassen ist, in der alles aufeinander abgestellt wäre,
nicht zu viel und nicht zu wenig in den einzelnen Bereichen produziert würde.
In beiden Fällen ist der einzelne Mensch angewiesen auf die Großorganisationen
und den Ort, den er in ihnen einnimmt. Wie beim maschinellen Fabrizieren keine
Freude am individuellen Werk aufkommen kann, so ist die persönliche Freiheit im Be-
sitz der eigenen Handwerkszeuge und in der Produktion auf persönliche Bestellung da-
hin. Für die überwältigende Mehrzahl der Menschen hört die Übersehbarkeit der eige-
nen Arbeit in ihrem Zweck und Sinn auf. Die menschlichen Maße sind überschritten.
Die doppelte Abhängigkeit der Arbeit von der Maschine und von der Organisation
der Arbeit, die wiederum eine Art Maschine ist, hat die Folge, daß der Mensch selber
gleichsam ein Maschinenteil wird. Schaffende Erfinder und Organisatoren neuer Ar-
beitseinheiten werden seltene Ausnahme: sie bauen noch an der Maschine. Immer
mehr Menschen dagegen müssen Teile der Maschine werden.
145 | Die Technisierung breitet sich aber weiter aus von der Naturbearbeitung auf das ge-
samte menschliche heben, auf die bürokratische Führung aller Dinge, auf die Politik, ja
auf Spiel und Vergnügen, die nur noch gelingen in Fortsetzung der gewohnten hebens-
formen, nicht mehr aus der schaffenden hust. Mit der Freizeit kann der Mensch nichts
mehr anfangen, wenn sie ihm nicht wiederum durch technisch organisiertes Tun erfüllt
wird, soweit er sich nicht dem Dämmer- und Traumzustand zwecks Erholung überläßt.
Das heben des Menschen als Maschinenteil läßt sich am Maßstab früheren bebens
charakterisieren: Der Mensch wird entwurzelt, verliert Boden und Heimat, um an ei-
nen Platz an der Maschine gestellt zu werden, wobei selbst Haus und Landstück, die
ihm zugewiesen werden, wie Maschinentypen sind, schnell vergehend, auswechsel-
bar, nicht Landschaft und nicht einmaliges Zuhause. Die Erdoberfläche wird zuse-
hends eine Maschinenlandschaft. Das Leben des Menschen gewinnt einen ungemein
 
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