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Jaspers, Karl; Salamun, Kurt [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 10): Vom Ursprung und Ziel der Geschichte — Basel: Schwabe Verlag, 2017

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https://doi.org/10.11588/diglit.51322#0275
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Vom Ursprung und Ziel der Geschichte

Achse war nicht gemeint als das verborgene Innere, um das sich jederzeit der Vor-
dergrund der Erscheinungen dreht, dieses selber Zeitlose durch alle Zeiten sich Erstrek-
kende, das eingehüllt ist in die Staubwolken des nur Gegenwärtigen. Vielmehr war
Achse genannt ein Zeitalter um die Mitte des letzten Jahrtausends vor Christus, für das
alles Vorhergehende wie Vorbereitung erscheinen kann, und auf das sich alles Fol-
gende faktisch und oft in hellem Bewußtsein zurückbezieht. Die Weltgeschichte des
Menschseins hat von hier her ihre Struktur. Es ist keine Achse, von der wir Absolutheit
und Einzigkeit für immer behaupten dürften. Sondern es ist die Achse der bisherigen
kurzen Weltgeschichte, das, was im Bewußtsein aller Menschen den Grund ihrer
solidarisch anerkannten geschichtlichen Einheit bedeuten könnte. Dann wäre diese
reale Achsenzeit die Inkarnation einer idealen Achse, um die sich das Menschsein in
seiner Bewegung zusammenfindet.
Zusammenfassung
Wir suchen zu erfassen die Einheit der Geschichte in den Bildern des Ganzen, die die
Geschichtlichkeit der Menschheit schlechthin in empirisch gegründeter Struktur auf-
weisen - wobei das Grundfaktum bleibt die grenzenlose Offenheit in die Zukunft und
der kurze Beginn: wir fangen gerade an. Die Geschichte ist eine in die Zukunft faktisch,
als Vergangenheit der Interpretation offene unendliche Welt von Sinnbeziehungen, die
wenigstens zeitweise in einen wachsenden gemeinsamen Sinn einzufließen scheinen.
325 | Thema ist: nicht eine jener allgemeinen Kategorien, nicht geschichtliche Gesetze,
sondern die Frage nach der Einheit der Geschichte in ihrer faktischen, anschaulich ge-
gebenen, einmaligen Gestalt, die kein Gesetz ist, sondern das geschichtliche Geheim-
nis selber. Diese Gestalt nennen wir die Struktur der Geschichte. Sie ist in der räum-
lich-zeitlich bestimmten Lokalisation als die geistige Wirklichkeit des Menschseins zu
erfassen.
Die deutende Betrachtung wird zum Moment des Willens. Die Einheit wird zum Ziel
des Menschen. Die Betrachtung des Vergangenen bezieht auf dieses Ziel. Es wird be-
wußt zum Beispiel als der Weltfrieden in der Welteinheit durch eine Rechtsordnung
zur Befreiung von Not und für das Glück möglichst aller.
Aber dies Ziel bezieht sich nur auf die für alle gemeinsam zu erreichende Daseins-
grundlage. Diese Einheit in den Bedingungen für alle menschlichen Möglichkeiten
wäre zwar unendlich wichtig, aber sie ist nicht Endziel, sondern wiederum Mittel.
Einheit wird höher gesucht im Ganzen der Welt menschlichen Seins und Schaf-
fens. Auf dieses blickend, wird die Einheit der vergangenen Geschichte gewonnen
durch das Herausheben dessen, was alle Menschen angeht, für alle wesentlich ist.
Was das aber sei, kann nur in der Bewegung des Miteinander offenbar werden. In
dem Anspruch an grenzenlose Kommunikation bezeugt sich die Zusammengehörig-
 
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