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Jaspers, Karl; Fonfara, Dirk [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 3, Band 8,1): Ausgewählte Verlags- und Übersetzerkorrespondenzen — Basel: Schwabe Verlag, 2018

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https://doi.org/10.11588/diglit.69893#0051
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L

Einleitung des Herausgebers

den Leser ergreifende philosophische Stimmung. [...] So ist die Arbeit in mehrfachem
Sinn ein Ausdruck der Unruhe und Unfertigkeit unserer geistigen Situation, aber [...]
von tiefem Ernst getragen und zeigt umfassende Kenntnisse.«107
Doch die Stelle eines Schriftleiters schien Thiel auf die Dauer nicht auszufüllen.
Ohne seine redaktionellen Pflichten beim Studium Generale auch nur in irgendei-
ner Weise zu vernachlässigen, arbeitete er in den folgenden Jahren an einer auf drei
Bände angelegten, als Versuch ausgewiesenen Ontologie der Persönlichkeit, deren ers-
ter, weit über 600 Seiten umfassender Band 1950 bei Springer erschien.108 Thiel hatte
gehofft, sich mit diesem Projekt habilitieren zu können, doch alle Versuche, die er
diesbezüglich zwischen 1950 und 1952 bei Gadamer in Heidelberg,109 später noch in
Mainz unternahm,110 waren vergeblich. Für das Scheitern seiner Pläne machte er vor
allem Gadamer verantwortlich. Auch alle weiteren, ebenfalls fehlschlagenden Ver-
suche, in der akademischen Welt Fuß zu fassen, lastete er Gadamer an, indem er ihm
Intrigen und Machtspiele unterstellte. Als er Jaspers um Rat fragte, bedauerte dieser
zwar, nicht mehr in Heidelberg zu sein und somit nicht für ihn eintreten zu können;
er verschwieg ihm aber auch nicht, dass er sein Buch, das dem Habilitationsprojekt
zugrunde lag, nicht wirklich loben könne: »Die Energie eines originalen philosophi-
schen Erkennens ist mir damit noch nicht erwiesen. So wie das Buch ist, muss ich
gestehen, langweilt es mich. [...] Ihre Art der Aufarbeitung zeigt mir noch nicht die
Wesentlichkeit und Einfachheit einer philosophischen Grundidee. [...] Ich würde ar-
gumentieren rein äusserlich: fleissige Arbeit, umfassende Kenntnisse.« So ähnlich
hatte Jaspers schon über die Dissertation geurteilt, und wie damals schlug er eine Brü-
cke zur Zeitschrift, in der er offenbar Thiels Zukunft sah: »Ihre ausgezeichnete Leis-
107 K. Jaspers: Gutachten, 2. Dezember 1946, UAH, H-IV-757/48.
108 Vgl. M. Thiel: Versuch einer Ontologie der Persönlichkeit, Bd. 1: Die Kategorie des Seinszusammenhan-
ges und die Einheit des Seins, Berlin u. a. 1950. - Jaspers beglückwünschte Thiel zu dieser Publika-
tion mit den Worten: »Springer ist sehr zu rühmen, dass er es gewagt hat. Möge Ihnen daraus
Glück entspringen, wie mir einst aus der >Psychopathologie<, die Springer vergleichsweise ähn-
lich bei einem unbekannten Autor riskierte.« (K. Jaspers an M. Thiel, 15. Dezember 1950, Durch-
schlag, DLA, A: Jaspers). Springer blieb jedoch nicht der einzige Verlag, mit dem Thiel in Kontakt
trat. Aus Protokollen der wöchentlich stattfindenden Konferenzen des Verlages Walter de Gruy-
ter geht hervor, dass er das Werk auch dort angeboten hatte. Man beschloss: »Interesse, positi-
ven Bescheid nicht vor Februar 1950« (Protokoll der Verlagskonferenz, 1. Dezember 1949, VA de
Gruyter). Thiel hatte offenbar gute Aussichten, doch wenig später erfuhr de Gruyter von Thiels
Anfrage bei Springer. Daraufhin beschloss die Verlagskonferenz: »da Verfasser mit Springer ver-
handelt, wollen wir uns nicht einschalten.« (Protokoll der Verlagskonferenz, 8. Dezember 1949,
ebd.).
109 Vgl. M. Thiel an H.-G. Gadamer, 2. Januar 1952, DLA, A: Gadamer, und H.-G. Gadamer an M. Thiel,
5. Januar 1952, Durchschlag, ebd. - Zu Thiels Sicht dieser Begebenheit und deren Folgen vgl. M.
Thiel: »Vorwort: Ein Heidelberger Krimi«, in: ders.: Gesammelte Abhandlungen: Studium Generale,
Festschrift- und Kongreßbeiträge, Vorträge, Besprechungen, Heidelberg 1983,1-XXII, hier: VI.
110 Vgl. K. Jaspers an M. Thiel, 6. November 1953, Durchschlag, DLA, A: Jaspers.
 
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