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Jaspers, Karl; Fonfara, Dirk [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 3, Band 8,1): Ausgewählte Verlags- und Übersetzerkorrespondenzen — Basel: Schwabe Verlag, 2018

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https://doi.org/10.11588/diglit.69893#0053
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LII

Einleitung des Herausgebers

wohl - nicht zuletzt wegen Heideggers NS-Engagement - von selbst erledigen würde,
wäre da nicht ein prominenter Heideggerschüler, der die genannte Entleerung unter
anderen Vorzeichen und in täuschender Absicht weiter vorantreibe: Wenn »ein pro-
minenter Heideggerschüler heutzutage von den Kanzeln der Universität glaubt sug-
gerieren zu können, Heidegger sei der Schnittpunkt der gesamten philosophischen
Tradition von Thales an, die nur über Heidegger, d.h. über seine Schüler wieder aus-
strahle«, dann sei das offenkundig nur ein »Wunschtraum«, der »als solcher jedes an-
dere, nur kein philosophisches Interesse wird erwecken können.« Dieser prominente
Heideggerschüler versuche vielmehr, »durch möglichst umfassenden Machteinfluß«
das zu erreichen, was »durch keine Argumente mehr in Wahrheit zu erweisen ist: der
eigene Bedeutungsanspruch; methodisch so verfahrend, daß man sich wohl klüglich
von Heidegger absetzt (da man selbst ja nicht Heidegger ist und eine geistige Subal-
ternität doch wieder nicht erscheinen lassen möchte), aber doch von ihm alle Legiti-
mität sich herleitet - die Nachfolgetaktik aller Diktaturen.« Worin die genannte Ab-
setzbewegung bestand, kam hier noch nicht zur Sprache, ebenso fehlte ein Hinweis
darauf, um welchen prominenten Heideggerschüler es sich handelte.
Doch Thiel legte nach und wurde in einem Aufsatz von 1954 deutlicher. Wieder
schoss er sich auf Gadamer ein, dessen Name zwar immer noch nicht ausdrücklich
genannt wurde, der aber nun unverkennbar gemeint war, da er als der »hermeneu-
tische« oder »historisch-philologische Existentialist aus dem Geiste Heideggers« er-
schien.119 Wie in dem Aufsatz des Vorjahrs bereits angedeutet, aber nicht ausgeführt,
bestand die Absetzbewegung dieses Heideggerschülers in einem besonderen Umgang
mit der philosophischen Tradition. Denn von dem hermeneutischen Existentialisten
hieß es: »Philosophisch-hermeneutisch historisierend wird das Nichts aufgeführt,
und in unheimlich verfälschender Verkehrung scheinbarer Argumentation vollzieht
sich die tödliche Aushöhlung und Inaktivierung der Tradition unter dem Deckman-
tel des Appells an Tradition.«120 Als ob diese Anspielungen noch nicht deutlich genug
gewesen wären, erwähnte Thiel zwei gerade »in renommierten Tages- oder Wochen-
zeitungen« erschienene Veröffentlichungen des Heideggerschülers: »Über Autorität«
und »Wahrheit in den Geisteswissenschaften«.121 Damit wurde unmissverständlich

119 M. Thiel: »Was kann Philosophie heute leisten und was darf man von ihr erwarten? Eine phi-
losophische Antwort auf theologische Fragen von H. Looff«, in: Studium Generale 7 (1954) 106-
121, hier: 108, Anm. 5a, u. in.
120 Ebd., 108, Anm. 5a.
121 Ebd., in. - Vgl. H.-G. Gadamer: »Wahrheit in den Geisteswissenschaften. Vortrag auf der Jah-
restagung der Deutschen Forschungsgemeinschaft«, in: Deutsche Universitätszeitung 9 (1954),
H. 1, 6-8; Teildruck unter dem Titel »Ueber Autorität. Die Wahrheit in den Geisteswissenschaf-
ten«, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, Nr. 283, 5. Dezember 1953, Bilder und Zeiten, 4; Wieder-
abdruck in: ders.: Gesammelte Werke, Bd. 2: Hermeneutik II. Wahrheit und Methode. Ergänzungen.
Register, Tübingen 1986, 37-43.
 
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