Karl Jaspers - Schwabe (1952)
268 Karl Jaspers an Schwabe
Typoskript; Durchschlag: DLA, A: Jaspers
Basel, den 12. April 1952
Sehr geehrte Herren,
auf Ihre Frage wegen einer Neuherausgabe des Eislerschen Lexikons kann ich leider
kein klares Ja oder Nein sagen.588 Darf ich die in Frage kommenden Gesichtspunkte
erörtern.
1. Die Arbeit, die notwendig ist, ein solches Werk zu schaffen, ist ausserordentlich
gross. Dass so etwas ursprünglich entstehen konnte, beruhte auf der Leidenschaft ei-
nes einzigen Mannes, der viele Jahre und viel Geld zu opfern bereit und imstande
war. Heute würde man dafür beträchtliche Summen zur Verfügung stellen müssen.
2. Eine Persönlichkeit zu finden, die sowohl die Kenntnisse wie die Arbeitskraft wie
die Leidenschaft besitzt, scheint mir ausserordentlich schwer. Wer begabt ist, pflegt
höhere Ansprüche an unmittelbaren Erfolg zu stellen. Die Bescheidung ist sehr sel-
ten geworden. Es gibt sie noch in den Gebieten der Philologie und Geschichte. In der
Philosophie scheint sie mir fast ausgestorben. Doch das ist eine persönliche Frage. Es
ist nicht ausgeschlossen, einen Mann zu finden. Nur auf die Schwierigkeit möchte ich
hinweisen und auf die Grösse der Aufgabe.
3. Der Käuferkreis für ein solches Werk, das mehrere Bände umfasst, scheint mir
ungewiss. Natürlich kaufen es die Bibliotheken und Seminare. Privatpersonen ha-
ben heute zumeist nicht mehr genug Geld. Bei den Kundigen würde ein Misstrauen
zu überwinden sein, ob das Werk sich lohne.
4. Für die breiteren Kreise reichen die vorhandenen kleinen Lexika aus. Sie sind
nicht schlecht gemacht. Die besondere Leistung eines so grossen Werkes setzt in der
Philosophie ein ungewöhnliches Niveau des Bearbeiters voraus. Das alte Eislersche
Lexikon war schon oft zu einem chaotischen Aufstapeln von Zitaten geworden. Dass
ein wirklich gutes Lexikon ungemein wünschenswert und verdienstvoll wäre, das
steht äusser Zweifel. Jedoch die Wahrscheinlichkeit, dass heute ein solches entstehen
könnte, scheint mir nicht gross, wenn auch nicht ausgeschlossen.
5. Ein einfacher Abdruck des alten Eisler unter Vermehrung der Stichworte wäre
immer noch als eine Aufsammlung in gewissen Grenzen brauchbar. Ob ein solches
268 Karl Jaspers an Schwabe
Typoskript; Durchschlag: DLA, A: Jaspers
Basel, den 12. April 1952
Sehr geehrte Herren,
auf Ihre Frage wegen einer Neuherausgabe des Eislerschen Lexikons kann ich leider
kein klares Ja oder Nein sagen.588 Darf ich die in Frage kommenden Gesichtspunkte
erörtern.
1. Die Arbeit, die notwendig ist, ein solches Werk zu schaffen, ist ausserordentlich
gross. Dass so etwas ursprünglich entstehen konnte, beruhte auf der Leidenschaft ei-
nes einzigen Mannes, der viele Jahre und viel Geld zu opfern bereit und imstande
war. Heute würde man dafür beträchtliche Summen zur Verfügung stellen müssen.
2. Eine Persönlichkeit zu finden, die sowohl die Kenntnisse wie die Arbeitskraft wie
die Leidenschaft besitzt, scheint mir ausserordentlich schwer. Wer begabt ist, pflegt
höhere Ansprüche an unmittelbaren Erfolg zu stellen. Die Bescheidung ist sehr sel-
ten geworden. Es gibt sie noch in den Gebieten der Philologie und Geschichte. In der
Philosophie scheint sie mir fast ausgestorben. Doch das ist eine persönliche Frage. Es
ist nicht ausgeschlossen, einen Mann zu finden. Nur auf die Schwierigkeit möchte ich
hinweisen und auf die Grösse der Aufgabe.
3. Der Käuferkreis für ein solches Werk, das mehrere Bände umfasst, scheint mir
ungewiss. Natürlich kaufen es die Bibliotheken und Seminare. Privatpersonen ha-
ben heute zumeist nicht mehr genug Geld. Bei den Kundigen würde ein Misstrauen
zu überwinden sein, ob das Werk sich lohne.
4. Für die breiteren Kreise reichen die vorhandenen kleinen Lexika aus. Sie sind
nicht schlecht gemacht. Die besondere Leistung eines so grossen Werkes setzt in der
Philosophie ein ungewöhnliches Niveau des Bearbeiters voraus. Das alte Eislersche
Lexikon war schon oft zu einem chaotischen Aufstapeln von Zitaten geworden. Dass
ein wirklich gutes Lexikon ungemein wünschenswert und verdienstvoll wäre, das
steht äusser Zweifel. Jedoch die Wahrscheinlichkeit, dass heute ein solches entstehen
könnte, scheint mir nicht gross, wenn auch nicht ausgeschlossen.
5. Ein einfacher Abdruck des alten Eisler unter Vermehrung der Stichworte wäre
immer noch als eine Aufsammlung in gewissen Grenzen brauchbar. Ob ein solches