Metadaten

Jaspers, Karl; Fonfara, Dirk [Editor]; Fuchs, Thomas [Editor]; Halfwassen, Jens [Editor]; Schulz, Reinhard [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Editor]; Schwabe AG [Editor]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 3, Band 8,1): Ausgewählte Verlags- und Übersetzerkorrespondenzen — Basel: Schwabe Verlag, 2018

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.69893#0400
License: Free access  - all rights reserved

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Karl Jaspers - Springer

283

289 Karl Jaspers an Ferdinand Springer
Manuskript; VA Springer
Heidelberg, 15/8 1917
Sehr verehrter Herr Springer!
Heute schicke ich Ihnen die beiden Manuskripte zurück und berichte Ihnen zugleich.
1) Die Arbeit von Herzig habe ich nur in kleinen Abschnitten gelesen, sonst blos
durchgeblättert. Ich halte sie für nichtig. Es ist ein blosses Gerede ohne leitende Idee,
viel Literaturbeziehung ohne Wahl. Ich glaube Ihnen mit gutem Gewissen raten zu
dürfen, das nicht zu drucken.639
2) Die Arbeit von Dr. Hildebrand ft] ist weniger eindeutig zu beurteilen.640 Es ist
selbstverständlich, dass ich nur ein subjektives Urteil habe. Dieses ist etwa: Die Frage-
stellung ist in dieser Form unfruchtbar. Der Autor hat das Bewusstsein, dass es sich im
Principiellen um philosophische Probleme handelt, hat dadurch einen gewissen inne-
ren Schwung, der sich aber gestaltet nur als Polemik und als Werturteilen kundgibt.
Die entscheidenden Grundbegriffe: »Rasse«, »Norm«, »Krankheit« sind zwar als prin-
cipielle erkannt, aber fast garnicht wirklich entwickelt. Die wenigen Gedanken dar-
über sind alt, nicht auf der jetzt schon gewonnenen Höhe, vor allem dürftig. Der Au-
tor hat bisher keine eigentliche Denkintensität, ich halte ihn seiner Aufgabe nicht für
gewachsen. Er hat den guten Willen, ahnt und fühlt manches, ist gebildet, aber ohne
durchdringende Bildung. Der Stil ist matt, häufig dünn, oft kommen recht nichtssa-
gende Sätze vor. Die Lektüre ist darum entschieden langweilig. So ist das Merkwür-
dige, dass der Autor von »Anschauung«, von »Ideen« redet, dass man ihm glaubt, er
werde in seinem Gemüt wohl so etwas haben, dass aber das Objektive davon wenig
merken lässt. Ich finde nicht, dass die HusserFsche Phaenomenologie hier fruchtbar
geworden ist. Die Ausdrücke des phaenomenologischen Jargons (»Gründen«, »wesen-
haft« und dergl.) kommen zwar oft vor, aber es fehlt grade die Präcision, die Husserl
selbst eigentümlich ist. Es fehlt die Pointe allzuoft.
Sachlich im Einzelnen zu beurteilen, hat keinen Sinn, da der Autor hier ja nichts
Neues bringen will. Wenn er referiert, finde ich ihn auch wenig anschaulich. Wenn
er Bumkes Buch eine »Vorarbeit« nennt, schätzt er sich m.E. viel zu hoch ein. Bumkes
Buch ist anschaulich und interessant.641 Das Principielle, das hinzuzuthun wäre (die
philosophische, logische Analyse von »Wert«, »Norm«, Krankheitsbegriff etc.), finde
ich von H. nicht geleistet.
Gute Gesinnung und guter Wille, Ahnen und Fühlen, das alles ist noch keine
Leistung.
Dass H. seine Arbeit für eine Ergänzung meiner Psychopathologie hält, lehne ich
ab. Ich fühle mich auch seinen Standpunkten häufig sehr fremd.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften