Karl Jaspers - E. B. Ashton
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Projekts noch Schwierigkeiten bereite. Schliesslich schlug ich vor, bei der Bollingen
Foundation (die u.a. das Gesamtwerk von C. G. Jung hier herausgebracht hat und de-
ren Direktor ein prinzipielles Interesse zeigte) um einen »grant« anzusuchen.1249 Neb-
raska hat das Mitte Juni getan und ich habe seitdem noch nichts weiter gehört.
Heute - und zwar noch, ohne Sie zu erwähnen - habe ich nun von mir aus ange-
fragt, wie die Sache steht. Sobald ich Bescheid erhalte, schreibe ich Ihnen nochmals,
gegebenenfalls auch über die andere Möglichkeit bei Regnery.1250
Nach diesen sachlichen Fragen möchte ich Ihnen noch von Herzen für Ihren »auf-
richtenden« Brief vom 8. Juni danken. Er hat mir zu denken gegeben und ich glaube
auch, dass Sie völlig recht haben, was Kennedy selbst betrifft. Meine Resignation be-
ruhte nicht auf Misstrauen gegen ihn, sondern auf der Befürchtung, dass rein objek-
tiv etwas Irreparables geschehen sein mag.
Die Hoffnung, die Sie mit uns teilten und die seit Kuba geschwunden scheint, be-
zog sich doch auf die Chance, der Alternative »Nachgeben oder Atomkrieg« zu ent-
kommen. Es schien auf einmal möglich, den Totalitären eine nicht nur militärische
Übermacht entgegenzustellen. Was alles zusammenwirkte, um diesen Anschein zu er-
wecken, spielt ja keine Rolle; er war eine psychologische Tatsache, die hie und da schon
Zeichen der Bereitschaft zur Verwirklichung zweier von Ihnen geforderter Dinge er-
scheinen liess: der Solidarität des Westens bei amerikanischer Hegemonie und der An-
ziehungskraft der Freiheit auf das »Vakuum«.
Heute mag die Solidarität unter der russischen Drohung auch wieder wachsen, aber
jedenfalls sind wir zum Zustand der letzten fünfzehn Jahre zurückgekehrt, in denen
die Selbstbehauptung des Westens immer davon abhing, dass der Osten sie erzwang.
Dies war der Zustand, in dem Sie »Die Atombombe und die Zukunft des Menschen«
schrieben - und Sie haben ja auch damals die Hoffnung nicht aufgegeben. Die plötz-
lich aufgetauchte psychologische Chance der freiwilligen Selbstbehauptung und die
reale Chance, dem stetigen Niedergang zu steuern und der Zwickmühle zu entwei-
chen, scheinen mir verpasst; wir können nur von neuem auf ein neues Wunder war-
ten. Vielleicht bedeutete Kuba, teleologisch gesehen, dass es eben ohne Ihre allge-
meine Umkehr nicht geht.
Dazu kommt, wenn auch weniger tiefgreifend, die Wirkung hierzulande. Kuba
wäre, wie Sie sagten, im Erfolgsfall grossartig gewesen, war aber offenbar nicht not-
wendig - was nun zwar nicht die Regierung, aber weite Volkskreise an wirklichen
Notwendigkeiten zweifeln lässt, z.B. an Berlin. In Kuba verliess man sich auf Gene-
ralstab und Geheimdienst und ging mit beiden in eine sehr geschickt gestellte mili-
tärisch-politische Falle - mit der logischen Folge, dass man jetzt den Experten miss-
traut und Fallen fürchtet, wo Notwendigkeiten vorliegen. Ich halte das, wie gesagt,
für weniger bedrohlich, zumal Kennedy sich in General Taylor wohl den besten Sach-
berater geholt hat,1251 nur das weltoffene Selbstvertrauen des Jahresbeginns ist vor-
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Projekts noch Schwierigkeiten bereite. Schliesslich schlug ich vor, bei der Bollingen
Foundation (die u.a. das Gesamtwerk von C. G. Jung hier herausgebracht hat und de-
ren Direktor ein prinzipielles Interesse zeigte) um einen »grant« anzusuchen.1249 Neb-
raska hat das Mitte Juni getan und ich habe seitdem noch nichts weiter gehört.
Heute - und zwar noch, ohne Sie zu erwähnen - habe ich nun von mir aus ange-
fragt, wie die Sache steht. Sobald ich Bescheid erhalte, schreibe ich Ihnen nochmals,
gegebenenfalls auch über die andere Möglichkeit bei Regnery.1250
Nach diesen sachlichen Fragen möchte ich Ihnen noch von Herzen für Ihren »auf-
richtenden« Brief vom 8. Juni danken. Er hat mir zu denken gegeben und ich glaube
auch, dass Sie völlig recht haben, was Kennedy selbst betrifft. Meine Resignation be-
ruhte nicht auf Misstrauen gegen ihn, sondern auf der Befürchtung, dass rein objek-
tiv etwas Irreparables geschehen sein mag.
Die Hoffnung, die Sie mit uns teilten und die seit Kuba geschwunden scheint, be-
zog sich doch auf die Chance, der Alternative »Nachgeben oder Atomkrieg« zu ent-
kommen. Es schien auf einmal möglich, den Totalitären eine nicht nur militärische
Übermacht entgegenzustellen. Was alles zusammenwirkte, um diesen Anschein zu er-
wecken, spielt ja keine Rolle; er war eine psychologische Tatsache, die hie und da schon
Zeichen der Bereitschaft zur Verwirklichung zweier von Ihnen geforderter Dinge er-
scheinen liess: der Solidarität des Westens bei amerikanischer Hegemonie und der An-
ziehungskraft der Freiheit auf das »Vakuum«.
Heute mag die Solidarität unter der russischen Drohung auch wieder wachsen, aber
jedenfalls sind wir zum Zustand der letzten fünfzehn Jahre zurückgekehrt, in denen
die Selbstbehauptung des Westens immer davon abhing, dass der Osten sie erzwang.
Dies war der Zustand, in dem Sie »Die Atombombe und die Zukunft des Menschen«
schrieben - und Sie haben ja auch damals die Hoffnung nicht aufgegeben. Die plötz-
lich aufgetauchte psychologische Chance der freiwilligen Selbstbehauptung und die
reale Chance, dem stetigen Niedergang zu steuern und der Zwickmühle zu entwei-
chen, scheinen mir verpasst; wir können nur von neuem auf ein neues Wunder war-
ten. Vielleicht bedeutete Kuba, teleologisch gesehen, dass es eben ohne Ihre allge-
meine Umkehr nicht geht.
Dazu kommt, wenn auch weniger tiefgreifend, die Wirkung hierzulande. Kuba
wäre, wie Sie sagten, im Erfolgsfall grossartig gewesen, war aber offenbar nicht not-
wendig - was nun zwar nicht die Regierung, aber weite Volkskreise an wirklichen
Notwendigkeiten zweifeln lässt, z.B. an Berlin. In Kuba verliess man sich auf Gene-
ralstab und Geheimdienst und ging mit beiden in eine sehr geschickt gestellte mili-
tärisch-politische Falle - mit der logischen Folge, dass man jetzt den Experten miss-
traut und Fallen fürchtet, wo Notwendigkeiten vorliegen. Ich halte das, wie gesagt,
für weniger bedrohlich, zumal Kennedy sich in General Taylor wohl den besten Sach-
berater geholt hat,1251 nur das weltoffene Selbstvertrauen des Jahresbeginns ist vor-