IO. GUTACHTEN FUR DEN HAMBURGER RAT
514
Bischouen vnnd dem Papst vnd keiner weltlichen oberkeit sollen vnderworffen sein,
so staht dagegen das klare Gottes wort: »Ein iede seel seie den oberkeiten, die das
schwert tragen, vnderthan«1. Das hat Chrysostomus vnd alle hfeiligen] vätter also
verstanden vnnd ausgelegt, das der heilig geist darumb habe gesetzet »Ein iede
seele«, damit er lerete, das uberal2 niemandt, der in disser weltb lebet, disser vnder-
thenigkeit solle entzogen sein, es seien priester oder monich, ia wen es ytel Aposteb,
propheten vnnd Euangelisten weren. Haec sunt verba Chrysostomi in hunc locum
Pauli.3
So staht dagegen auch das keiserlich recht, dan im selbigen verordnet, das die Ca-
nonesd sollen als keisferliche] gesetze gehalten vnnd jre ubertrettung auch durch die
keiserlichen richter vnnd amptleut gestraffet werden, denen sie auch in den crimina-
libus die externam poenam fordern, sollen vnderworffen vnd allein in denc Ecclesia-
sticis criminibus, die Ecclesiasticam multam forderen, von sollicher gerichts zwang
exempt sein.4 I iy/'c I
Dieser götlichen ordnung brichet5 auch die Constfitutio] Statuimus6 in Au-
thentficis] Friderichi7 nichts ab, dann die nit simpliciter verpeut, ecclesiasticam
personam in ein weltlich gericht zu ziehen, sonder die in weltliche gericht ziehen
contra imperiales et Canonicas sanctiones. Nun wider die ist aber nit, das die ober-
keit, so das schwert tregt, die offenbare verkerung der religion1, welche crimen pu-
b) von Bucer über der Zeile nachgetragen.
c) danach gestr.: vnd.
d) davor am linken Rand: Authentic. quo[modo] op[or]t[eat] ep[iscop]os § ut cler[ici] ap[ud]
prop[ios] Episc[opos]
e) danach gestr.: criminahbus.
f) davor am linken Rand: Deuter. 13 et 17.
1. Röm 13,1.
2. überhaupt.
3. Johannes Cbrysostomus, Homilia 23 m Epistolam ad Romanos (PG 6o, Sp.615). Vgl. hierzu
die Ausführungen m Bucers Römerbnefkommentar, Ausgabe Straßburg 1536 (Bucer-Bibhographie
76), Bl.479a = Ausgabe Basel 1562 (Bucer-Bibliographie 223), S. 559; BDS 9,1, S.49,22-50,3 und
204,1 f.; BDS 9,2, S. 50,5-8; BOL 15, S. 131. Vgl. auch de Kroon, Studien zu Martin Bucers Obrig-
keitsverständnis, S. 83 f. und 162 f. Bucer zitiert diese Stelle des Chrysostomus noch ausführhcher in
seinem Gutachten für den Eisenacher Bundestag (vgl. oben Nr. 3, S. 85,6—12); vgl. auch oben
S. 111,9-12.
4. Vgl. Nov. 6,1,8 (ClCiv III, S. 37f.); vgl. auch oben S. 513, Anm. 12; die Marginalie verweist
auch auf Nov. 83 (ClCiv III, S.409-411).
5. bricht... mchts ab: tut keinen Abbruch.
6. »Statuimus autem, ut nullus ecclesiasticam personam in criminali questione vel civili trahere
ad iudicium seculare presumat contra constitutiones lmperiales et canonicas sanctiones. Quod si fe-
cerit, actor a iure suo cadat, mdicatum non teneat, et mdex sit ex tunc mdicandi potestas privatus«.
Hierbei handelt es sich um den 4. Abschnitt der Konstitution Fnedrichs II. (1194—1250) bei der
Kaiserkrönung am 22. November 1220 (ClCiv II, S. 513; MGH Const. II, S. 108,21-24; Mirbt-
Aland, Nr. 617, S. 320; Novellarum constitutionum volumen, S. 360); vgl. auch BDS 9,1, S. 275,14-
18 mit Anm. 289 sowie Zwierlein, Reformation als Rechtsreform, S. 64.
7. Vgl. oben Anm. 6.
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Bischouen vnnd dem Papst vnd keiner weltlichen oberkeit sollen vnderworffen sein,
so staht dagegen das klare Gottes wort: »Ein iede seel seie den oberkeiten, die das
schwert tragen, vnderthan«1. Das hat Chrysostomus vnd alle hfeiligen] vätter also
verstanden vnnd ausgelegt, das der heilig geist darumb habe gesetzet »Ein iede
seele«, damit er lerete, das uberal2 niemandt, der in disser weltb lebet, disser vnder-
thenigkeit solle entzogen sein, es seien priester oder monich, ia wen es ytel Aposteb,
propheten vnnd Euangelisten weren. Haec sunt verba Chrysostomi in hunc locum
Pauli.3
So staht dagegen auch das keiserlich recht, dan im selbigen verordnet, das die Ca-
nonesd sollen als keisferliche] gesetze gehalten vnnd jre ubertrettung auch durch die
keiserlichen richter vnnd amptleut gestraffet werden, denen sie auch in den crimina-
libus die externam poenam fordern, sollen vnderworffen vnd allein in denc Ecclesia-
sticis criminibus, die Ecclesiasticam multam forderen, von sollicher gerichts zwang
exempt sein.4 I iy/'c I
Dieser götlichen ordnung brichet5 auch die Constfitutio] Statuimus6 in Au-
thentficis] Friderichi7 nichts ab, dann die nit simpliciter verpeut, ecclesiasticam
personam in ein weltlich gericht zu ziehen, sonder die in weltliche gericht ziehen
contra imperiales et Canonicas sanctiones. Nun wider die ist aber nit, das die ober-
keit, so das schwert tregt, die offenbare verkerung der religion1, welche crimen pu-
b) von Bucer über der Zeile nachgetragen.
c) danach gestr.: vnd.
d) davor am linken Rand: Authentic. quo[modo] op[or]t[eat] ep[iscop]os § ut cler[ici] ap[ud]
prop[ios] Episc[opos]
e) danach gestr.: criminahbus.
f) davor am linken Rand: Deuter. 13 et 17.
1. Röm 13,1.
2. überhaupt.
3. Johannes Cbrysostomus, Homilia 23 m Epistolam ad Romanos (PG 6o, Sp.615). Vgl. hierzu
die Ausführungen m Bucers Römerbnefkommentar, Ausgabe Straßburg 1536 (Bucer-Bibhographie
76), Bl.479a = Ausgabe Basel 1562 (Bucer-Bibliographie 223), S. 559; BDS 9,1, S.49,22-50,3 und
204,1 f.; BDS 9,2, S. 50,5-8; BOL 15, S. 131. Vgl. auch de Kroon, Studien zu Martin Bucers Obrig-
keitsverständnis, S. 83 f. und 162 f. Bucer zitiert diese Stelle des Chrysostomus noch ausführhcher in
seinem Gutachten für den Eisenacher Bundestag (vgl. oben Nr. 3, S. 85,6—12); vgl. auch oben
S. 111,9-12.
4. Vgl. Nov. 6,1,8 (ClCiv III, S. 37f.); vgl. auch oben S. 513, Anm. 12; die Marginalie verweist
auch auf Nov. 83 (ClCiv III, S.409-411).
5. bricht... mchts ab: tut keinen Abbruch.
6. »Statuimus autem, ut nullus ecclesiasticam personam in criminali questione vel civili trahere
ad iudicium seculare presumat contra constitutiones lmperiales et canonicas sanctiones. Quod si fe-
cerit, actor a iure suo cadat, mdicatum non teneat, et mdex sit ex tunc mdicandi potestas privatus«.
Hierbei handelt es sich um den 4. Abschnitt der Konstitution Fnedrichs II. (1194—1250) bei der
Kaiserkrönung am 22. November 1220 (ClCiv II, S. 513; MGH Const. II, S. 108,21-24; Mirbt-
Aland, Nr. 617, S. 320; Novellarum constitutionum volumen, S. 360); vgl. auch BDS 9,1, S. 275,14-
18 mit Anm. 289 sowie Zwierlein, Reformation als Rechtsreform, S. 64.
7. Vgl. oben Anm. 6.