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Bucer, Martin; Stupperich, Robert [Hrsg.]; Neuser, Wilhelm H. [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Strohm, Christoph [Hrsg.]; Buckwalter, Stephen E. [Bearb.]
Martin Bucers Deutsche Schriften (Band 14): Schriften zu Täufertum und Spiritualismus 1531 - 1546 — Gütersloh, 2011

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https://doi.org/10.11588/diglit.30651#0560
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556 14. brief an philipp iv. vonhanau-lichtenberg

tode solle gerichtet werden, oder ob man auch ein ieden halsstarrigen, der sich nit
will berichten ¹ lassen, des lands verweisen oder vermöge des Reichs Constitution ²
am leib straffen solle.

War ists: nach dem gesatz Gottes sollen alle die getödtet werden, die von warer religion
abfallen vnd andere darzu bewegen. ³ Dis gebott hat aber der Herre gegeben, 5
da nun alles volck sein gesatz hatte angenommen vnd da bei niemand zweifel war an
dem gesatz | 473 |vnd von got gegebner religion, da auch solich gesatz gegen allem
abfal vnd abfieren von seiner religion volstreckt ward, also, das niemand indem weder
seiner kinde noch seines ehelichen weibs solte verschonen ⁴ .

An dem ist aber leider ietzund bei vns grosser fehle. Vnser war, christliche religion 10
ist noch nit also von meniglichlich ⁵ erkant, angenomen vnd versprochen, sonder
steht noch bei filen in zweifel. So ist auch noch kein kirch bei vns genanten Euangelischen,
die noch die christliche gemeinschafft, zucht vnd bann ⁶ nach dem Gottesgebot
gentzlich hette wider angericht vnd ins werck bracht. Zu dem brauchet ⁷ man
keinen solichen ernst, weder wider der päpstler lesteren vnd widersprechen ⁸ noch 15
der Epicureer ⁹ ,die alle religion verachten und verspotten. Daher kompt dann, das
man in disen so betriebten und zerstörten Zeiten etwan findet, auch von den gotsforchtigen
vnd erbaren leuthen, die durch geschwindigkeit ¹⁰ der Tauffsectierer verfüret
worden, vnd auch etwan zum andern mal, vnd das also, das sie es gentzlich darfür
halten, sie heben sich erst in die rechte, ware religion begeben. 20

Wa man dann solche findet, bei denen man gar kein vffrur, keinen mercklichen
freuel noch gotlos gemut, sonder nichts dann ein gantz einfaltige beredung ¹¹ spürte,
das sie iren irthumb gentzlich fur Gottes warheit und gepott hielten, gegen solchen
wüßte ich nit, ob das gemeldte gesatz Gottes von dem tödten deren, die von warer
religion abgefallen seind vnd andere abfieren ¹² ,statt habe, dieweil, wie gesagt, die 25
ware religion bei vns noch nit von meniglich, wie es bei dem Israel ¹³ stunde, da im
dis gebot ist gegeben worden, erkennet vnd angenomen ist, ia auch von denen noch

1. unterrichten, zurechtweisen.
2. Zu der seit dem 13. April 1529 reichsrechtlich verankerten Todesstrafe gegen Täufer vgl. oben

S.438, Anm. 5.
3. Vgl. Dtn 13,2–6; 18,20; Sach 13,3; Jer 14,13–15; 23,11–15.
4. Vgl. Dtn 13,7–10; vgl. auch oben S. 441,9–17 und S. 496,8–10.
5. jedem, jedermann.
6. Zur zentralen Rolle des Banns und der Kirchenzucht in der Ekklesiologie Bucer vgl. oben

S. 461,1; S.494,13; S.518, Anm. 4.
7. gebraucht, benutzt.
8. sc. gegen das Lästern und Widersprechen der Päpstler.
9. Vgl. hierzu Lienhard, Croyants et scéptiques; Greschat, Bucer, S.145f. (= 1.Aufl., S. 136). Der

Vorwurf ist bei Bucer klassisch (vgl. etwa BDS 5, S.51,1; BDS 11,2, S.177,21 mit Anm.11).
10. Die Bedeutungen dieses Wortes sind vielschichtig. Von Bucer wahrscheinlich gemeint sind:
Strenge, Härte, Schärfe; möglich sind aber auch: Arglistigkeit, Betrügerei. Grimm 5 (= IV,1,2),
Sp. 4000f.
11. Vgl. Frühneuhochdt. WB 2, Sp.1369f., s. v. bereden 4.: überreden, beschwätzen, verführen.
12. Vgl. oben Anm. 3.
13. sc. bei dem Volk Israel.
 
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