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OBRIGKEITSSCHRIFTEN
ainige gemaine ordnung zu machen. Etwan ist ain oberkait, die auch nit aller ding,
sonder allain in etlichen bestimbten sachen zu gebieten und verbieten hat: Als in vilen
Fürstenstetten die gesetzten Räth die übelthäter zu greyffen und zu richten haben, die
doch sunst nit gewalt haben, gemaine statuten und gesatz zu machen. Frid: Es ist, wie
du sagest, Hartmut. Es seind vil abtaylung der oberkaiten bey uns Teutschen178. ;
179Aber dieweil die Religion und der gemain Gotsdienst, das ist, dardurch alles leben
der menschen recht angeschicket und zü allem güten angefüret würt, wollen wir in
disem handel von denen Obren reden, welchen züsteht und die macht haben, für sich
gemaine gesetz und statuten, gebott und verbott zu machen, hohere obren des unbefra-
get. Dann so solcher obren ampt ist, zü versehen, das man recht und wol lebe, wirdt io
inen vor allem zü sehen sein auff das, an dem alles recht leben hanget, wie dann die
Religion ist. Darumb auch zwar alle berhümete gesetzgeber und ansteller rechter
policeyen, Als Plato, Xenophon, Aristoteles, Cicero und andre, anstellung der religion
zum fürnämsten betrachtet und derhalb ordnung geben haben. Hart: Deß haben sich
die Christliche Kaiser auch beflissen und in iren gesetzen versehung der religion vor 15
allem anderem fügenommen, wie wir das in Codice und Autenticis180 lesen.
Sinnp: Die genanten gaystlichen haben den gewalt der Religion halb yetzund in
henden. So leret uns der hailig Paulus, das er vom gewalt der Oberkait redet, als darauf
zu sehen, wieweyt yedes gewalt sich im werck erstrecke. Dann er sagt: Die gewält so
seind, die seind von Got geordnet181. Darauß volget nun, | [F 2 b] | das Gottes ord- 20
nung ist, wieweyt sich yedes gewait im werck befindet.
Hart: Es ist wariich vonnoten, das man lasse Gottes ordnung sein, wie die gewalt
und oberkaiten sich im werck finden. Dann solte man wollen vil disputieren, waher
und mitt was fügen yeder seinen gewalt bekommen hette oder auch brauchete oder
auch wieweyt yeder von rechts wegen, das er etwan versprochen und mit ayd bestätigt 2;
hat, gewalt haben solle und dann die gehorsame demnach messen wolte, wie der gewalt
erkennet wurde, sich mit dem rechten vergieichen, so wurde wenig rechter gehorsame
und fridens bleyben.
182Frid: Darumb solle man nur auf Gottes willen sehen, der ist das recht aller rech-
ten. Aller gewalt ist aliain Gottes, der gibt yedem und zü yeder zeyt so vii, als im 30
gefallet, und mag niemandts ains har brayts gewalts ymmer mehr bekommen, den im
Got nit gibt. Derhalb, was gewalts yeman habe, der seye im durch gereymete oder
ungereimete183 mittei zükommen, er habe im annemen des gewalts recht oder unrecht,
er brauche den gewalt zü eng oder zü weyt, woi oder übel, so solle uns ailwegen genüg
sein zü aller hertzlichen gehorsame, das nur der gewalt und oberkait da ist. Das solle 35
178. Im Römerbriefkommentar (Bibl. Nr. 55) gibt B. einen interessanten Überblick über die
obrigkeitlichen Gewalten im Hl. Römischen Reich Deutscher Nation; ebd. S. 483 a/b.
179. Wellichen obren verwaltung der Kirchenübungen ^ustande. [Marg.].
180. Z. B. Corpus Iuris Civilis, Cod. I,i: De summa trinitate et de fide catholica et ut nemo de
ea publice contendere audeat. Zu den Novellen (authenticae leges) vgl. die Aufzählung in BDS 7,
S. 594. Besonders die Novellen 6 und 123 spielen bei B. eine wichtige Rolle. Vgl. ebd. S. 136.
202. 236. 487; BDS 17, S. 148. 414.
181. Ro 13,1.
182. Die underthonen sollen nur sehen, wa gewalt und Oberkaitt sey. [Marg.].
183. Zulässige oder unzulässige.
OBRIGKEITSSCHRIFTEN
ainige gemaine ordnung zu machen. Etwan ist ain oberkait, die auch nit aller ding,
sonder allain in etlichen bestimbten sachen zu gebieten und verbieten hat: Als in vilen
Fürstenstetten die gesetzten Räth die übelthäter zu greyffen und zu richten haben, die
doch sunst nit gewalt haben, gemaine statuten und gesatz zu machen. Frid: Es ist, wie
du sagest, Hartmut. Es seind vil abtaylung der oberkaiten bey uns Teutschen178. ;
179Aber dieweil die Religion und der gemain Gotsdienst, das ist, dardurch alles leben
der menschen recht angeschicket und zü allem güten angefüret würt, wollen wir in
disem handel von denen Obren reden, welchen züsteht und die macht haben, für sich
gemaine gesetz und statuten, gebott und verbott zu machen, hohere obren des unbefra-
get. Dann so solcher obren ampt ist, zü versehen, das man recht und wol lebe, wirdt io
inen vor allem zü sehen sein auff das, an dem alles recht leben hanget, wie dann die
Religion ist. Darumb auch zwar alle berhümete gesetzgeber und ansteller rechter
policeyen, Als Plato, Xenophon, Aristoteles, Cicero und andre, anstellung der religion
zum fürnämsten betrachtet und derhalb ordnung geben haben. Hart: Deß haben sich
die Christliche Kaiser auch beflissen und in iren gesetzen versehung der religion vor 15
allem anderem fügenommen, wie wir das in Codice und Autenticis180 lesen.
Sinnp: Die genanten gaystlichen haben den gewalt der Religion halb yetzund in
henden. So leret uns der hailig Paulus, das er vom gewalt der Oberkait redet, als darauf
zu sehen, wieweyt yedes gewalt sich im werck erstrecke. Dann er sagt: Die gewält so
seind, die seind von Got geordnet181. Darauß volget nun, | [F 2 b] | das Gottes ord- 20
nung ist, wieweyt sich yedes gewait im werck befindet.
Hart: Es ist wariich vonnoten, das man lasse Gottes ordnung sein, wie die gewalt
und oberkaiten sich im werck finden. Dann solte man wollen vil disputieren, waher
und mitt was fügen yeder seinen gewalt bekommen hette oder auch brauchete oder
auch wieweyt yeder von rechts wegen, das er etwan versprochen und mit ayd bestätigt 2;
hat, gewalt haben solle und dann die gehorsame demnach messen wolte, wie der gewalt
erkennet wurde, sich mit dem rechten vergieichen, so wurde wenig rechter gehorsame
und fridens bleyben.
182Frid: Darumb solle man nur auf Gottes willen sehen, der ist das recht aller rech-
ten. Aller gewalt ist aliain Gottes, der gibt yedem und zü yeder zeyt so vii, als im 30
gefallet, und mag niemandts ains har brayts gewalts ymmer mehr bekommen, den im
Got nit gibt. Derhalb, was gewalts yeman habe, der seye im durch gereymete oder
ungereimete183 mittei zükommen, er habe im annemen des gewalts recht oder unrecht,
er brauche den gewalt zü eng oder zü weyt, woi oder übel, so solle uns ailwegen genüg
sein zü aller hertzlichen gehorsame, das nur der gewalt und oberkait da ist. Das solle 35
178. Im Römerbriefkommentar (Bibl. Nr. 55) gibt B. einen interessanten Überblick über die
obrigkeitlichen Gewalten im Hl. Römischen Reich Deutscher Nation; ebd. S. 483 a/b.
179. Wellichen obren verwaltung der Kirchenübungen ^ustande. [Marg.].
180. Z. B. Corpus Iuris Civilis, Cod. I,i: De summa trinitate et de fide catholica et ut nemo de
ea publice contendere audeat. Zu den Novellen (authenticae leges) vgl. die Aufzählung in BDS 7,
S. 594. Besonders die Novellen 6 und 123 spielen bei B. eine wichtige Rolle. Vgl. ebd. S. 136.
202. 236. 487; BDS 17, S. 148. 414.
181. Ro 13,1.
182. Die underthonen sollen nur sehen, wa gewalt und Oberkaitt sey. [Marg.].
183. Zulässige oder unzulässige.