DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.29832#0184
OBRIGKEITSSCHRIFTEN
I 8o
gecreützigeten872, so verderbet und verkeret ist, das es doch ye nitt wol kündte ver-
derbter und verkerter sein. Aber weyl die hochsten oberkaiten des ye beredt seind, es
sollen besondere oberen kain besserung in dem fürnemen, sonder in dem erwarten ains
gemainen Concilii und mainen dabey, es seye bey uns die leere und Gotesdienst verke-
ret, so wyßt ir dannocht auch wol, wie Gott die gehorsam der oberkait so hoch fordert
und die sovil im gelten lasset, bin ich noch ymmer zü red gestellet.
873Frid: Es ist im also, mein brüder. Was seind wir aber im, unserem Gott und vatter,
schuldig? Ist nit aller gewalt sein? Solle man nicht in allen ämpteren vor allem darauf
sehen, was im gefalle? Er hat auß besonderen väterlichen gnaden unseren oberen das
schwert so follig gegeben und befolhen, das sy mitt irer regierung der iren nutz also
fürderen und schaden fürkommen und wenden sollen, das, wenn sichs begibt, das die
oberen oberen uns etwas beschwärden wider gegebne freyhaiten oder das gemayn
recht auflegen, unsere oberen sich des wideren874 mügen, und wirt doch sollichs von
inen selb, den obren oberen, für kain ungehorsame erkennet. 875Dann sy sich nit für die
erkennen, die zü gebieten haben, was inen gefellet, sonder was nutz und güt ist und sich
haltet nach der maß und gestalt, mit welcher sy zü regieren versprochen haben. Sy
wollen vätter und nit J Z ia | Tyrannen sein und nach dem gesatz, Digna vox, C[odex]
de leg[ibus] et const[itutionibus] prinfcipum]876, den gesetzen iren gewalt underworf-
fen haben.
Derhalb mügen sy leiden, das man inen die alten freyhaiten und gerechtigkaiten
sampt gemainen rechten fürwerffe und sich bey den halte, wenn sy auß menschlicher
blodigkait oder angeben deren, die es nit besser verstehn oder wollen, ettwas darwider
fürnemen. Solte nun unseren oberen das nicht auch in der religion sachen gebüren, das
sy sich des aufzugs der Reformation877 an lere und den Kirchenübungen auf ain Conci-
liumn 878 beschwärten, in der reformation furtfüren, was wider Gott bey den iren nach
dem willen und gehaiß Gottes abstelleten und sich des auff die recht berüfften, so doch
erger und schädlicher übel nit sein mag dann falsche leer und falscher Gottesdienst,
dadurch doch ainmal alle wolfart der menschen an leib und seel aufs grausamest zer-
storet wirt; mochte uns doch auff erden kain verderblichere beschwärde und die allen
rechten, natürlichen, Kaiserlichen, Bäpstlichen und gottlichen mehr züwider wäre,
ymmer mehr aufferlegt werden!
879Hart: Lieber, was getrost du dich des Concilii? Maynest, auch der Bapst mit
n) Concilii.
872. s. oben S. 87, Anm. 223.
873. Vor allem gu sehen, lvas man Gott schuldig seje. [Marg.].
874. Widersetzen.
875. Maß undgestalt der oberen regierung. [Marg.].
876. Corpus Iuris Civilis, Cod. 1,14,4.
877. Wegen des Aufschiebens der Reformation (auf ein Konzil).
878. Über den Konzilsgedanken hat sich B. vor allem in seiner 1545 zum Reichstag zu Worms
ausgearbeiteten Schrift »Ein Christliche Erinnerung . . .« (Bibl. Nr. 83) geäußert. Für Luthers
Stellung vgl. Ch. Tecklenburg Johnes: Luthers Konzilsidee in ihrer historischen Bedingtheit und
ihrem reformatorischen Neuansatz. Berlin 1966. Besonders S. i79ff.
879. Vom Concilio. [Marg.].
I 8o
gecreützigeten872, so verderbet und verkeret ist, das es doch ye nitt wol kündte ver-
derbter und verkerter sein. Aber weyl die hochsten oberkaiten des ye beredt seind, es
sollen besondere oberen kain besserung in dem fürnemen, sonder in dem erwarten ains
gemainen Concilii und mainen dabey, es seye bey uns die leere und Gotesdienst verke-
ret, so wyßt ir dannocht auch wol, wie Gott die gehorsam der oberkait so hoch fordert
und die sovil im gelten lasset, bin ich noch ymmer zü red gestellet.
873Frid: Es ist im also, mein brüder. Was seind wir aber im, unserem Gott und vatter,
schuldig? Ist nit aller gewalt sein? Solle man nicht in allen ämpteren vor allem darauf
sehen, was im gefalle? Er hat auß besonderen väterlichen gnaden unseren oberen das
schwert so follig gegeben und befolhen, das sy mitt irer regierung der iren nutz also
fürderen und schaden fürkommen und wenden sollen, das, wenn sichs begibt, das die
oberen oberen uns etwas beschwärden wider gegebne freyhaiten oder das gemayn
recht auflegen, unsere oberen sich des wideren874 mügen, und wirt doch sollichs von
inen selb, den obren oberen, für kain ungehorsame erkennet. 875Dann sy sich nit für die
erkennen, die zü gebieten haben, was inen gefellet, sonder was nutz und güt ist und sich
haltet nach der maß und gestalt, mit welcher sy zü regieren versprochen haben. Sy
wollen vätter und nit J Z ia | Tyrannen sein und nach dem gesatz, Digna vox, C[odex]
de leg[ibus] et const[itutionibus] prinfcipum]876, den gesetzen iren gewalt underworf-
fen haben.
Derhalb mügen sy leiden, das man inen die alten freyhaiten und gerechtigkaiten
sampt gemainen rechten fürwerffe und sich bey den halte, wenn sy auß menschlicher
blodigkait oder angeben deren, die es nit besser verstehn oder wollen, ettwas darwider
fürnemen. Solte nun unseren oberen das nicht auch in der religion sachen gebüren, das
sy sich des aufzugs der Reformation877 an lere und den Kirchenübungen auf ain Conci-
liumn 878 beschwärten, in der reformation furtfüren, was wider Gott bey den iren nach
dem willen und gehaiß Gottes abstelleten und sich des auff die recht berüfften, so doch
erger und schädlicher übel nit sein mag dann falsche leer und falscher Gottesdienst,
dadurch doch ainmal alle wolfart der menschen an leib und seel aufs grausamest zer-
storet wirt; mochte uns doch auff erden kain verderblichere beschwärde und die allen
rechten, natürlichen, Kaiserlichen, Bäpstlichen und gottlichen mehr züwider wäre,
ymmer mehr aufferlegt werden!
879Hart: Lieber, was getrost du dich des Concilii? Maynest, auch der Bapst mit
n) Concilii.
872. s. oben S. 87, Anm. 223.
873. Vor allem gu sehen, lvas man Gott schuldig seje. [Marg.].
874. Widersetzen.
875. Maß undgestalt der oberen regierung. [Marg.].
876. Corpus Iuris Civilis, Cod. 1,14,4.
877. Wegen des Aufschiebens der Reformation (auf ein Konzil).
878. Über den Konzilsgedanken hat sich B. vor allem in seiner 1545 zum Reichstag zu Worms
ausgearbeiteten Schrift »Ein Christliche Erinnerung . . .« (Bibl. Nr. 83) geäußert. Für Luthers
Stellung vgl. Ch. Tecklenburg Johnes: Luthers Konzilsidee in ihrer historischen Bedingtheit und
ihrem reformatorischen Neuansatz. Berlin 1966. Besonders S. i79ff.
879. Vom Concilio. [Marg.].