Metadaten

Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Arend, Sabine [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (17. Band, 2. Teilband = Baden-Württemberg, 4): Reutlingen, Ulm, Esslingen, Giengen, Biberach, Ravensburg, Wimpfen, Leutkirch, Bopfingen, Aalen — Tübingen: Mohr Siebeck, 2009

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.30657#0055
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Einleitung

Am 26. Mai 1573 ließ der Rat schließlich eine Zuchtordnung veröffentlichen, mit der die bereits 1534
beratenen Punkte bezüglich Gotteslästerung, Zutrinken, Spiel, Ehebruch und Hurerei in ausführliche
Bestimmungen gegossen worden waren. Der Abschnitt zum Ehebruch weist dabei zum Teil wörtliche
Übereinstimmung mit dem Entwurf von 1534 auf.77 Eine Ordnung für die Bestellung des Zuchtgerichts und
die Aufgaben der Zuchtrichter wurde schließlich am 4. Oktober 1684 erlassen.78

5. Artikel der Schulvisitation 9. Juni 1574 (Text S. 57)
Mit der Schulordnung von 1565/66 (Nr. 3) waren nicht nur die Ziele des humanistischen Unterrichts der
Reutiinger Lateinschule festgelegt, sondern auch weitreichende Anweisungen für die musikalische Gestal-
tung des Gottesdienstes durch die Schüler getroffen worden. Inwieweit die Anweisungen in die Praxis
einflossen, zeigt die Schulvisitation von 1574. In einem Protokoll fasste der Reutlinger Rat in sechs Punk-
ten sämtliche Maßnahmen zusammen, die infolge der Visitationsergebnisse ergriffen werden sollten: Neben
Belangen, die den humanistischen Schulunterricht, die schulfreien Tage sowie die Züchtigung der Schüler
betrafen, verfügte der Rat auch einige Veränderungen hinsichtlich der Gottesdienste. In der kalten Jahres-
zeit sollten nur solche Schüler zur Kirche gehen, die ausreichend warme Kleidung besaßen. Diejenigen, die
am Gottesdienst teilnahmen, wurden anschließend im Schulzimmer über die Inhalte der Predigt befragt.
Ebenso wie in der Schulordnung von 1565/66 nehmen auch in den Artikeln der Schulvisitation von 1574 der
Schülergesang und die Kirchenmusik großen Raum ein: Der deutsche und der lateinische Schulmeister
sollten ihre Schüler zu gemeinsamem Gesang anhalten. Bei den Predigtgottesdiensten sollte die Orgel im
Wechsel mit dem Gemeindegesang die Verse der Gemeindelieder spielen. Bei Abendmahlsgottesdiensten, die
länger als gewöhnlich dauerten, sollte das Orgelspiel jedoch unterbleiben. Auch lateinische Gesänge, die mit
der Augsburger Konfession vereinbar waren (z.B. Magnificat, Nunc dimittis, Te deum laudamus) sollten
wieder angericht und mit der jugent gesungen werden.

77 HStaatsA Stuttgart B 201, Bü 8: Vom Ehebruch. Wer im
ebruch begriffen oder des kundtbar wird etc.
Im eingang der satzung ain meldung thun, wie die recht
vermügen, one das ain yeder [an] seiner ehren zu straffen.
Nachdem so wer ain rath bewegt, nichtdestminder dise
straff merlich 10 gulden heller und 14 tag mit wasser und
brot gespeißt, in thurn gelegt werden, ufzusetzen.
[Gestrichen: doch hierinn weder einer mit personen, so im
in sipschafft oder schwagerschafft verwandt were und der-
gleichen handelte, will in ain ersamer rath die straf gegen
denselben furzunemen vorbehallten haben}.
Ob sich aber begebe, das personen, die weder in sip- oder

schwagerschafft verwandt oder das ain dinstknecht mit seins
herrn oder maister fraw handelte oder die zum 2. mal oder
in solchem fal begriffen, sollen dieselben, dieweil sich sol-
cher laster etwas weiter erstreckt, nach eines e. r. erkandt-
nus und grosse der uberfarung gestrafft werden.
Den letzten, des ebruchs halben, anfahet: Item und so dann
ain lediger etc. auch stellen und darneben setzen, dieweil die
kay. recht dieselbigen als ehebrecher, die ir ehre dardurch
verlorn etc., sollen die selben gleicher gestallt und wie die
eheleut, so in ebruch befunden, gestrafft werden.
78 StadtA Reutlingen A 1, Nr. 6924.

35
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften