Reutlingen
2. Kirchenordnung“
[um 1531]
Ordnung der kirchenpreuch und ceremonien halb, durch die predicanten zu Reutlingen gestellt |2
unbeschrieben, 3 |
Es beweyst die history von dem gotzseligen künig
inn Juda, Josiah, das nach dem gemeinen sprichwort
ain yedes ding ee verwiest1 unnd verderbt dann
wider zu eeren unnd recht bracht werden müg2.
Dann wiewol der kunig Manasse das volck wider
zum rechten gottesdienst vermanet, so wolt es doch
niendert3 von stat gehn, biß das sein sun Josias die
sach noch statlicher angriff, also das er vier gantz
jar im lannd Juda, Benjamin und Ephraim umher
fur, biß er das unziffer des abgottischen vermainten
gotzdienst sampt den Baals pfaffen ab dem weg
thet4, unnd wiewol er also das lannd vom falschen
leer und gotzdienst gereiniget, yedoch so war noch
dargegen der recht gotzdienst nit auffgericht, das er
in seinem volligen schwanck gienge, also das der
fromme kunig must etliche treffenlich botschafften
uß seiner cantzley und hoff abfertigen zu den prie-
stern und Leviten, das sy auch den tempel seuberten
und wider in sein alte herlichait unnd zierdt brächte,
da sie aller erst das buch des gesetz Mose fanden,
das lang zit unachtbar (durch Gottes zorn, dieweyl
man seim wort nit gehorcht hett, gleych wie die bi-
bel im bapstum umb unser sünd willen) im staub
gelegen war, auß welchem buch sie erst noch weyt-
ter bericht warden, wie sy sich gegen Gott halten
unnd was sy thon und lassen solten, derhalben dan
der künig das buch selber vor den eltisten |4| laß
unnd das phase5 und ostern dem Heren hieltf6. Sol-
a Textvorlage (Handschrift): StadtA Reutlingen A 1,
Nr. 6465 p. 1-26. Abdrucke: Hartmann, Alber,
S. 176-192; sprachlich modernisiert bei Duncker, Al-
ber, S. 61-74.
b Verschrieben: paffen.
1 Verwüstet.
2 2Kön 22,1-23,30; 2Chr 34,1-33; vgl. Wander, Sprich-
wörter-Lexikon 4, Sp. 1535 Nr. 22.
licher maß ist uns auch geschechen, dann weyl sich
der wieste bapst, grewel des Baals und meß pfaf-
fenb also eingewurtzelt und sich in den tempel Got-
tes gesetzt und ja uber Gott erhoben haben und iren
falschen gottesdienst in das gantz Juda der christen-
heyt eingetrüngen, so haben wir beyde, die frommen
oberkeit und Leviten, lange müh und arbeit mussen
haben, biß man die unreinen altar und allerley göt-
zen dienst fürderlich auß dem hertzen und nachmals
auch, so vil gebürlich und müglich, auß den augen
thätten. Wie dan der fromme Nehemias auch vil
hindernuß und anstoß erlitte, biß er das volck Got-
tes, den tempel und die statt wider erbawet, seubert
und bewaret, welch dan ain figur der kirchen gewest
ist7, also hat auch der Judas Machabeus vil hinder-
nus und unruw mussen haben, biß er den grewel An-
thiochi auß dem tempel bracht8, welches, Gott sey
lob, nun vast9 geschechen ist, und also yetz die nodt
unnd nutz, künfftigen schaden und dergleychen ir-
thumb zuverhietten, so vil muglich, erfordert, dar-
gegen rechte, gute, christenliche ordnung beide, in
gaistlichen und weltlichen sachen, zuvergreyffen
zwingt, so haben wir auffs kurtzest ain gute, chri-
stenliche ordnung verfasset und auß vilen orten der
heiligen | 5| schrifft zusamen zogen, durch welche der
recht, ware gottesdienst geauffnet10 und gefürdert
werden möcht, wie dan sollichs zu yederzit von den
heiligen vättern und kunigen im alten testament ge-
3 Nirgends.
4 Vgl. 2Kön 21,1-26; 2Chr 33,1-20.
5 Passah.
6 2Kön 23,2.21-23; 2Chr 34,30; 35,1-19.
7 Neh 2,11-7,3; 12,27-43; 13,4-14.
8 1Mack 3,42-4,61.
9 Weitgehend, vgl. Grimm, DWb 3, Sp. 1349.
10 Aufgerichtet.
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2. Kirchenordnung“
[um 1531]
Ordnung der kirchenpreuch und ceremonien halb, durch die predicanten zu Reutlingen gestellt |2
unbeschrieben, 3 |
Es beweyst die history von dem gotzseligen künig
inn Juda, Josiah, das nach dem gemeinen sprichwort
ain yedes ding ee verwiest1 unnd verderbt dann
wider zu eeren unnd recht bracht werden müg2.
Dann wiewol der kunig Manasse das volck wider
zum rechten gottesdienst vermanet, so wolt es doch
niendert3 von stat gehn, biß das sein sun Josias die
sach noch statlicher angriff, also das er vier gantz
jar im lannd Juda, Benjamin und Ephraim umher
fur, biß er das unziffer des abgottischen vermainten
gotzdienst sampt den Baals pfaffen ab dem weg
thet4, unnd wiewol er also das lannd vom falschen
leer und gotzdienst gereiniget, yedoch so war noch
dargegen der recht gotzdienst nit auffgericht, das er
in seinem volligen schwanck gienge, also das der
fromme kunig must etliche treffenlich botschafften
uß seiner cantzley und hoff abfertigen zu den prie-
stern und Leviten, das sy auch den tempel seuberten
und wider in sein alte herlichait unnd zierdt brächte,
da sie aller erst das buch des gesetz Mose fanden,
das lang zit unachtbar (durch Gottes zorn, dieweyl
man seim wort nit gehorcht hett, gleych wie die bi-
bel im bapstum umb unser sünd willen) im staub
gelegen war, auß welchem buch sie erst noch weyt-
ter bericht warden, wie sy sich gegen Gott halten
unnd was sy thon und lassen solten, derhalben dan
der künig das buch selber vor den eltisten |4| laß
unnd das phase5 und ostern dem Heren hieltf6. Sol-
a Textvorlage (Handschrift): StadtA Reutlingen A 1,
Nr. 6465 p. 1-26. Abdrucke: Hartmann, Alber,
S. 176-192; sprachlich modernisiert bei Duncker, Al-
ber, S. 61-74.
b Verschrieben: paffen.
1 Verwüstet.
2 2Kön 22,1-23,30; 2Chr 34,1-33; vgl. Wander, Sprich-
wörter-Lexikon 4, Sp. 1535 Nr. 22.
licher maß ist uns auch geschechen, dann weyl sich
der wieste bapst, grewel des Baals und meß pfaf-
fenb also eingewurtzelt und sich in den tempel Got-
tes gesetzt und ja uber Gott erhoben haben und iren
falschen gottesdienst in das gantz Juda der christen-
heyt eingetrüngen, so haben wir beyde, die frommen
oberkeit und Leviten, lange müh und arbeit mussen
haben, biß man die unreinen altar und allerley göt-
zen dienst fürderlich auß dem hertzen und nachmals
auch, so vil gebürlich und müglich, auß den augen
thätten. Wie dan der fromme Nehemias auch vil
hindernuß und anstoß erlitte, biß er das volck Got-
tes, den tempel und die statt wider erbawet, seubert
und bewaret, welch dan ain figur der kirchen gewest
ist7, also hat auch der Judas Machabeus vil hinder-
nus und unruw mussen haben, biß er den grewel An-
thiochi auß dem tempel bracht8, welches, Gott sey
lob, nun vast9 geschechen ist, und also yetz die nodt
unnd nutz, künfftigen schaden und dergleychen ir-
thumb zuverhietten, so vil muglich, erfordert, dar-
gegen rechte, gute, christenliche ordnung beide, in
gaistlichen und weltlichen sachen, zuvergreyffen
zwingt, so haben wir auffs kurtzest ain gute, chri-
stenliche ordnung verfasset und auß vilen orten der
heiligen | 5| schrifft zusamen zogen, durch welche der
recht, ware gottesdienst geauffnet10 und gefürdert
werden möcht, wie dan sollichs zu yederzit von den
heiligen vättern und kunigen im alten testament ge-
3 Nirgends.
4 Vgl. 2Kön 21,1-26; 2Chr 33,1-20.
5 Passah.
6 2Kön 23,2.21-23; 2Chr 34,30; 35,1-19.
7 Neh 2,11-7,3; 12,27-43; 13,4-14.
8 1Mack 3,42-4,61.
9 Weitgehend, vgl. Grimm, DWb 3, Sp. 1349.
10 Aufgerichtet.
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