Evangelische Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts

Reutlingen

man zur kirchen ordnung brüchen müge. Darzu die
diacon, das sy ires ampts vleyssig warten und der
armen nodt in laussen angelegen sein. Darzu in ir-
rigen eehendeln und spännen17 die partheyen ent-
schaiden, die ongezognen frundtlich straffen unnd
ermanen, die verharrenden in offentlichen lastern
außschliessen unnd bannen.
Von der erwelung der kirchen diener
Damit aber die eltesten, so von der kirchen verord-
net, desto statlicher diß mügen verwalten, sigen18
disse artikel, darnach zuhanndlen, auß heiliger
schrifft außgezogen, unnd zum ersten von der wal,
wie man sich halten soll, so man ains pfarhers oder
kirchendieners nodtdürfftig ist unnd gewält werden
soll:
Zum ersten, das die eltesten trachten nach eim oder
mer mannern, die zu sollichem ampt geschickt und
taugelich seigen oder, so ainer oder mer da weren,
die sollichs ampts begerten, das sy dan die selben |9|
furstellen nach dem exempel der apostel, da sy an
statt des verräters Jude Mathiam unnd Joseph, den
man nempt Just19, fürstelten. Disse fürgestelten sol-
len sie als dan probieren und erfaren, ob sie an ler
unnd leben geschickt seyen, sollichem ampt fürzu-
sthen. Was aber zu sollichenn personen gehorig und
welche stuck sie an in haben sollen, beschreybt
vleyssig Paulus, 1. Timo. 3 [1-13] unnd zum Tito
am 1. [5-9]. Dann Paulus verbeut seinem Timotheo,
das er yemandt die hend bald20 auffleg, als wolt er
sprechen: Brieffe unnd erfare zuvor, was er fur ain
man seige21. So nun also die furgestellten examiniert
unnd befragt seyen, mügen si das loß oder stymmen
laussen umgen und also ainen erwelten, den on zwif-
fel Gott haben will, welcher das loß und die stym-
men der seinen regiert und fürt. Also mocht man

17 Streitigkeiten.
18 Sind.
19 Apg 1,23.
20 Allzubald, zu früh.
21 1Tim 3,10.
22 Phil 4,18.
23 Gal 4,14-15.

mit den diacon unnd allen kirchendienern handlenn
nach yedes ampts erforderung.
Zum andern, das man als dan den gewelten sei-
ner kirchen furstelle, es sey in der statt oder dorf-
fern, und in als da der gemaind zeige unnd bevelche,
das sy in vor augen lieb und werd haben, wie dan
Paulus den Philippern seinen Epaphroditum, irenn
apostel, bevilcht, das sy in sollen auffnemen im Her-
enn und in inn eeren halten22. Und er selber von
Gallatern rhümpt, si haben in wie ain engel, ja wie
Jesum Christum selbs, auffgenommen, und wa es
muglich, so hetten sie ire augen außgerissen und imb
geben23. |10 |
Zum dritten, das auch der selbig offentlich von
ainem auß den eltesten ermant wurd, das er hie trett
in das ampt und dienst Gottes und seiner kirchen
und das er wolt flissig mit leren, lesen und leben
wachen und anhalten uber sein vertrawte schafflin
und gemaind, wie dann Paulus den bischoffen zu
Epheso fleyssig und hertzlich sollichs zur letze24 pre-
digt, als er gen Rhom gefürt ward, Actorum 2025
unnd Petrus, 1. Pet. v. cap. [1-9].
Zum vierdten, das man darnach die gemaind
vermane zum gebett, das sy Gott fur iren pfarher
oder diener bitten, das er im gnad gebe, sein heilig
wort mit frucht und freidigkeit hanndlen, und er
müg kund machen die geheimnus Gottes und des
evangelii und reden wie sich geburt, wie dann Pau-
lus sollichs von seinen Ephesern begert, Ephe. 6
[18-19], desgleychen die Colloß. 4 [2-4] und die jun-
ger gethon haben, Actorum 4.26Solliche weyß soll
man auch mit den diaconis halten, wie sie in ge-
schichten der apostel gethon mit dem heiligen Ste-
phano und seinen gesellen, Actorum 627, deßgleichen
auch mit den schulmaistern in den schulen vor der
jugendt, damit alles mit ernst unnd dapfferkeit ge-
hanndelt wurdt28. |11|

24 Zum Abschied, vgl. Grimm, DWb 12, Sp. 798f.
25 Apg 20,18-35.
26 Apg 4,24-30.
27 Apg 6,8-15.
28 Vgl. die Schulordnung von 1565/66, siehe unten, S. 47
Nr. 3.

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