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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Arend, Sabine [Oth.]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (17. Band, 2. Teilband = Baden-Württemberg, 4): Reutlingen, Ulm, Esslingen, Giengen, Biberach, Ravensburg, Wimpfen, Leutkirch, Bopfingen, Aalen — Tübingen: Mohr Siebeck, 2009

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https://doi.org/10.11588/diglit.30657#0069
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3. Ordnung der Schule und des Kirchengesangs 1565 / 1566

unverendert getrewlich nachkomen und inen nicht-
zig hierinen vorbehalten sein, weder zumindern,
mhern oder zuverendern one vorwissen und ver-
gönnden der verordneten schulvögten. |
Zu dem letsten. Dieweyll mit dem gesang in der kir-
chen bißanher vil und mancherlay fäll und mängel,
so hinfurther zuleiden nit erbawlich sonder nach-
thaillig furgefallen, soll es mit dem selbigen hinforth
auch uff nachvolgendte weyß gehandlet werden.
Und erstlichs, so man je den schulmaister die
wercktäg uber des gesangs in der kirchen (wie biß-
anher bescheehen) erlassen wölt, welches doch dhai-
nem andern nach ime leichtlich und one sonderliche
ursachen zuzulassen ist, soll er doch an dem sontag
und bethtag alwegen auch personlich darbey sein, in
baiden morgen- und auch in der aubend predig. Es
soll auch, wa muegklich, das lateinische ampt (wie
von alters) an dem sontag zu morgen mitler zeit an-
gericht werden.
Zu dem andern soll auch dem provisori hiemit
uferlegt sein, die gantze wochen uber nit nur ainer-
lay, sonnder alle gesang und gewonliche psalmen zu-
singen und zueuben, darmit sie, zuvor mit muhe in
die kirchen gebracht, nit widerumb in abgang und
vergessenhait komen, wie dan schon etlichermassen
gescheehen und mans by der jugend in der sontäg-
lichen spital predig laider seehen thutt.
Zu dem 3.: An dem gebeths tag sollen sie vor der
predig singen dieser psalmen ainen: Auß tieffer nott
etc.16, O Herre Gott, begnade mich etc.17, In dich
hab ich gehoffet, Herr, etc.18, darnach wie die form
16 Luther, Aus tiefer Not schrei ich zu dir, AWA 4, Nr. 11.
17 O Herre Gott, begnade mich, Wackernagel, Kir-
chenlied III, S. 90.
18 In dich hab ich gehoffet, Herr, Handbuch zum EKG
III/2, Nr. 179; Wackernagel, Kirchenlied III,
S. 133.
19 Unsauber intonieren.
20 Hahnengeschrei.
21 Das zweite Glockenläuten erklungen ist.
22 Luther, Komm, Heiliger Geist, Herre Gott, AWA 4,
Nr. 15.
23 Luther, Nun bitten wir den Heiligen Geist, AWA 4,
Nr. 19.
24 Zum Benedictus vgl. Lk 1,68; zum Nunc dimittis vgl.
Lk 2,29-32; zum Te deum laudamus vgl. Wacker-
nagel, Kirchenlied I, S. 24.

des gebeths mit sich bringt, doch sollen sie selbst
mit den stymen frisch uff sein und demnach die kna-
ben uff- | mündern mit iren stymlin, das sie nit so
schläfferig und faul singen, mit den stymen abzie-
hen19 und ain caponen geschray20 machen.
Zu dem 4.: An dem sontag zur hauptpredig sol-
len schulmaister und provisor sampt den knaben,
nach dem das ander zaichen gelitten worden21, in die
kirchen ghon und daselbst an statt des introitus ai-
nen, zwen oder mehr gewonliche psalmen singen und
zu letst gleich under oder nach dem zusamen leu-
then den gesang: Kom, hailiger gaist22, oder: Nun
pithen wir den hailigen gaist etc.23, biß der prediger
auff die cantzel gät. Und wa das lateinisch gesang
wider in die kirchen gebracht wurde, möchte man
bey weylen das Benedictus, das Nunc dimittis oder
das Te deum laudamus erstlichs lateinisch und dan
teutsch singen etc.24 Nach der predig, so man com-
municiern25 will, sollen sie singen: Ehre sey dem vat-
ter etc.26, oder: Sey lob und eher mit hohem preyß
etc.27, unnd wa man nit communiciert, abermals ai-
nen schönen psalmen und nit nur alwegen die alte,
gemaine geigen28: Es wölle uns Gott gegnädig
sein29, welcher schöner, herrlicher psalm doch auch
nit underlassen, sonder beyweilen wie andere gesun-
gen werden soll.
[Zu dem 5.:] Zu der aubendpredig sollen sie vor
anfang nit nur aber ainicherlay singen, sonder zu-
eubung der jugend und dem preyß Gottes mancher-
lay gesang euben, sonderlich aber, wan man die ze-
hen geboth außlegt, dise gesang beyweylen ainen:
Diß seind die hailigen zehen geboth30, item: |
25 Abendmahl feiern.
26 Ehre sei dem Vater und dem Sohn, Wackernagel,
Kirchenlied III, S. 957f.
27 Mit der Zeile „Sei Lob und Ehr mit hohem Preis“ be-
ginnt eine Strophe des Liedes: Es ist das Heil uns kom-
men her, Handbuch zum EKG III/2, Nr. 242, vgl. un-
ten, Anm. 48.
28 Sprichwort: Immer die gleiche Geige (die alte Leier)
spielen, vgl. Röhrich, Lexikon 1, S. 314; Grimm,
DWb 5, Sp. 2571.
29 Ps 67; Luther, Es wollt uns Gott genädig sein, AWA 4,
Nr. 10.
30 Luther, Dies sind die heilgen Zehn Gebot, AWA 4, Nr. 1.

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