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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]; Arend, Sabine [Oth.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (17. Band, 2. Teilband = Baden-Württemberg, 4): Reutlingen, Ulm, Esslingen, Giengen, Biberach, Ravensburg, Wimpfen, Leutkirch, Bopfingen, Aalen — Tübingen: Mohr Siebeck, 2009

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https://doi.org/10.11588/diglit.30657#0075
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4. Zuchtordnung 1573

das immer erdacht werden unnd beschehen mag, ei-
nichen genandten oder gemessnen übermessigen
drunckh, so wider die notturfft unnd ausserhalb
nattürlichen turstes beschicht, bringen unnd densel-
bigen wider einsen9 guten willen außzudrinckhen
zwingen oder nötten solle. Wa aber solches überfah-
ren wurde, so sollen beede, der, so dem andern ein
solchenn gemessnen, ohnzimblichen trunckh zuwar-
ten anhelt, unnd auch der, so selbigen beschaidt
thuot, sambt dem würdt oder einem andern, inn
dessen hauß sollches beschicht unnd solich ubermes-
sig zue trinckhen gestattet oder hilff unnd rath dar-
zu thuet, jeder umb 1 gulden ohnnachläßlich ge-
strafft werden.
Wa auch yemandt durch solchx vihisch zutrin-
ckhenn | 34r | sein vernunfft, geberden oder gewohn-
lichen ganng verlieren oder auß fölle zu unde-
wen10 bewegt wurde, derselbig solle nebenn yetzge-
setzter straff auch mit der gefenckhnus oder inn an-
der weg nach eines erbaren rathz guott bedenckhen
seinem verschulden gemeß gestrafft werdenn.
Unnd zu mehrer abstellung oder fürkomung sol-
ches verhasteny lasters deß Zudrinckhens, so solle
hinfüro kein gastgeb, gassenwurt oder sonnst ye-
mandt anderer alhie inn ieren aigenen oder be-
stanndt heußern11 oder auff denn zunfft- oder gesell-
schafftstuben denn burgern und hindersassen keinen
fernneren wein zudrinckhen gebenn oder uffsetzen
lassenn noch auch gedrunckhen zuwerden gestat-
tenn, so es zu winters zeit zuz nach neune unnd zu
sommers zeiten zehen uhr verschlagenn (ohngefahr-
lich). Es solle auch keiner inn den würtzheusern
oder da man wein schenckht oder sonnst zehren

x B: solch sein.
y Fehlt B.
z In B gestrichen.
a-a Fehlt B.
b-b Fehlt B.

9 Einen.
10 Sich zu übergeben, vgl. Grimm, DWb 24, Sp. 433.
11 Gemietete, gepachtete Häuser, vgl. Grimm, DWb 1,
Sp. 1653; DRW II, Sp. 168.
12 Mit „im Brett“ ist wohl Puff (Trictrac) gemeint, Fi-
scher, Wörterbuch 1, Sp. 1409.

pflegt, lennger unnd uber yetzt bestimpte zeit sit-
zenn oder verharren. Welcher oder welche solches
uberfahren, der jeder solle sampt dem wurt oder
haußvatter, so innen also fernner trinckhen gestat-
tet, umb einen guldin gestrafft werdenn.
Vom spilenn
Ist geordnet, das hinfüro zu Reuttlingen noch eines
erbaren rathz gebüeten niemandt, was standtz,
| 34v | würdin oder wesenns der ist, nit höcher oder
theurer noch auch höchers werth spilen solle dann
uff das höchst umb einen kreutzer unnd sonnderlich
nur uff der chartenn, auß der hanndt zu charten
oder im breth12. Darnebenn solle das bockhenn13,
drein- unnd umbschlahen14 etc. unnd uff den würffel
das umbschanntzen15, akradenn, bossena16 oder ann-
dere listlins17 spill, wie die genandt werdenn mögen,
keins wegs zugelassenn sein. Welche aber annderer
gestalt dann obstehet spilenn, die werden namblich
vonn der ersten überthretung umb ein par, von der
anndern umb fünff gulden, und so er zum dritten
mal also pennföllig erfunden, nach eines ersamen
rathz erkhennen gestrafft werdenn. Darumben sol-
len unnd werden die statt-, zunfft-, stuben- unnd
gesellschafft knecht rüegen unnd es anzaigen uff ir
ayde. Welcher aber solch straffgelt zugeben nit ver-
mag, der solle mit gefencknus ann seinem leib, wie
unnd so lanng es einem rath gevellig, buessen.
Dieweil sich auch auß daglicher erfarung befun-
den, das sich bißweilen beedtz, jung unnd alte, zu-
samen gesellet unnd ausserhalb der statt auff dem
veldt oder inn denn heußlen bunnd hüetlinb heimb-

13 Poch, taktisches Kartenspiel, Himmelheber, Spiele,
S.128-137.
14 Weitere Kartenspiele.
15 Umschanz war im 16. Jahrhundert zunächst ein einfa-
ches Würfelspiel. Da es auch vermummt gespielt wurde,
nahm der Begriff auch die Bedeutung ,Maskerade‘
(Mummenschanz) an, vgl. Tauber, Würfelspiel, S. 77,
79.
16 „Kraden“ und „bossen“ sind wohl weitere Wiirfelspiel.
17 Listig. Spiele mit besonderen Tricks.

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