Ulm
1. Almosenordnung 3. April 1528 (Text S. 86)
Zu den frühen Maßnahmen des Rates zählt eine Almosenordnung, deren Ausarbeitung von Bürgermeister
Bernhard Besserer koordiniert wurde.33 Die drei amtierenden Almosenpfleger, die aus den Reihen von
Patriziat und Zünften stammten, legten Besserer zunächst einen Bericht über die Verhältnisse der Armen in
der Reichsstadt sowie erste Vorschläge zu deren Unterstützung vor.34 Aus diesen Vorarbeiten wurde schließ-
lich eine Ordnung mit 34 Artikeln geschaffen, die vermutlich vom Ulmer Stadtschreiber Sebastian Aitinger
abgefasst wurde, wie ein Hinweis in den Visitationsartikeln von 1534 (Nr. 9b) nahelegt.35 In der Almosen-
ordnung wurden sämtliche Belange zur Armenhilfe, von der Sammlung bis zur Verteilung der Gaben an die
Bedürftigen, geregelt.36 Das Ulmer Almosen wurde von 13 Bettelherren - fünf Ratsherren und acht wei-
teren Personen - verwaltet, die auch auf die Arbeitsfähigkeit der Almosenempfänger zu achten hatten.
Die Ordnung von 1528 greift auf spätmittelalterliche Regelwerke zurück: Neben Bettelordnungen, mit
denen die Zahl der Bettler in Ulm verringert werden sollte,37 hatte der Rat bereits einige Almosenordnungen
erlassen, in denen die Unterstützung der Armen durch Geld- und Sachspenden geregelt worden war. Die
Almosenordnung vom 26. Juni 1508 wurde 1518 und 1524 konkretisiert.38 Neben dieser Tradition nahm die
Almosenordnung von 1528 auch Nürnberger und Straßburger Einflüsse auf.39
Das Regelwerk wurde zwar zu einer Zeit erlassen, als die Stadt offiziell noch altgläubig war, die seit den
frühen 1520er Jahren in Ulm bestehende evangelische Bewegung hatte die Entscheidungen des Rates hin-
sichtlich des Armenwesens jedoch bereits stark beeinflusst. Die Ordnung zeigt ihren reformatorischen Cha-
rakter etwa darin, dass sie sämtlichen ca. 700 bis 900 Armen40 in der Stadt obrigkeitliche Unterstützung
zuerkennt, dass die Spenden von den Almosenpflegern zusammengefasst und ausgeteilt werden und das
Betteln strikt untersagt wird.41 Ihre volle Wirkung entfaltete die Ordnung schließlich nach 1531, als die
reformatorische Umgestaltung des evangelischen Kirchenwesens in Ulm immer entschiedener vorangetrie-
ben wurde.42
2. Ulmer Katechismus des Konrad Sam, Dezember 1528/ 1536 (Text S. 97)
Während das Ulmer Lateinschulwesen bereits im Spätmittelalter einen gehobenen Stand erreicht hatte,
erfuhr die im 15. Jahrhundert gegründete deutsche Schule erst im Zuge der Reformation einen Aufschwung.
Hier sollten die Kinder in ihrer Muttersprache an den evangelischen Glauben herangeführt werden. Am
24. August 1526 richtete die Schulkommission die Bitte43 an den Rat, einen oder zwei der Priester, die jetzo
nimmer mess lesen,44 mit Unterweisung der Jugend in der hailligen schrifft, auch zu zucht, ere, tugenden und
allen guten siten zu beauftragen. Die Unterweisung der Kinder mit Hilfe des Katechismus war ein zentrales
Anliegen der Reformatoren. In den 1520er Jahren kursierten in Ulm straßburgische, nürnbergische, eyßlebi-
33 Dies geht aus einem Vermerk im Bericht der Almosen-
pfleger hervor: Das ist dye ordnung der armen. Das muss
man Bernhart Bössern hörn lassa [!], zitiert nach Diehl,
Armenfürsorge, S. 75, vgl. folgende Anm.
34 Abdruck bei Diehl, Armenfürsorge, S. 75f. Beilage I.
35 Siehe unten, S. 195.
36 Wagner, Armenfürsorge, S. 21-59; Schmidt, Gott
wohlgefällig, S. 61-90. Die Almosenordnung ist in ver-
schiedenen Exemplaren überliefert, siehe Diehl,
Armenfürsorge, S. 72 und 77. Der bei Diehl genannte
Text aus dem Heilbronner Stadtarchiv ist 1944 ver-
brannt. Der in unserer Edition abgedruckte Text A lag
Diehl nicht vor. Vgl. Kremmer/Specker, Policeyord-
nungen, Nr. 1461.
37 Diehl, Armenfürsorge, S. 63-70; Nübling, Ulm I,
S. 390f.
38 Diehl, Armenfürsorge, S. 68f.; Nübling, Elm I,
S.418-422.
39 Diehl, Armenfürsorge, S. 74.
40 Nach Diehl, Armenfürsorge, S. 71.
41 Ebd., S. 68f. Zum evangelischen Almosenwesen siehe
auch Nobbe, Armenpflege, S. 569-617.
42 Naujoks, Sozialpolitik, S. 94f.
43 Abdruck bei Cohrs, Katechismusversuche 3, S. 76
Anm. 2.
44 Der Rat ließ die Messe offiziell erst am 16. Juni 1531
abschaffen, siehe unten, S. 67.
64
1. Almosenordnung 3. April 1528 (Text S. 86)
Zu den frühen Maßnahmen des Rates zählt eine Almosenordnung, deren Ausarbeitung von Bürgermeister
Bernhard Besserer koordiniert wurde.33 Die drei amtierenden Almosenpfleger, die aus den Reihen von
Patriziat und Zünften stammten, legten Besserer zunächst einen Bericht über die Verhältnisse der Armen in
der Reichsstadt sowie erste Vorschläge zu deren Unterstützung vor.34 Aus diesen Vorarbeiten wurde schließ-
lich eine Ordnung mit 34 Artikeln geschaffen, die vermutlich vom Ulmer Stadtschreiber Sebastian Aitinger
abgefasst wurde, wie ein Hinweis in den Visitationsartikeln von 1534 (Nr. 9b) nahelegt.35 In der Almosen-
ordnung wurden sämtliche Belange zur Armenhilfe, von der Sammlung bis zur Verteilung der Gaben an die
Bedürftigen, geregelt.36 Das Ulmer Almosen wurde von 13 Bettelherren - fünf Ratsherren und acht wei-
teren Personen - verwaltet, die auch auf die Arbeitsfähigkeit der Almosenempfänger zu achten hatten.
Die Ordnung von 1528 greift auf spätmittelalterliche Regelwerke zurück: Neben Bettelordnungen, mit
denen die Zahl der Bettler in Ulm verringert werden sollte,37 hatte der Rat bereits einige Almosenordnungen
erlassen, in denen die Unterstützung der Armen durch Geld- und Sachspenden geregelt worden war. Die
Almosenordnung vom 26. Juni 1508 wurde 1518 und 1524 konkretisiert.38 Neben dieser Tradition nahm die
Almosenordnung von 1528 auch Nürnberger und Straßburger Einflüsse auf.39
Das Regelwerk wurde zwar zu einer Zeit erlassen, als die Stadt offiziell noch altgläubig war, die seit den
frühen 1520er Jahren in Ulm bestehende evangelische Bewegung hatte die Entscheidungen des Rates hin-
sichtlich des Armenwesens jedoch bereits stark beeinflusst. Die Ordnung zeigt ihren reformatorischen Cha-
rakter etwa darin, dass sie sämtlichen ca. 700 bis 900 Armen40 in der Stadt obrigkeitliche Unterstützung
zuerkennt, dass die Spenden von den Almosenpflegern zusammengefasst und ausgeteilt werden und das
Betteln strikt untersagt wird.41 Ihre volle Wirkung entfaltete die Ordnung schließlich nach 1531, als die
reformatorische Umgestaltung des evangelischen Kirchenwesens in Ulm immer entschiedener vorangetrie-
ben wurde.42
2. Ulmer Katechismus des Konrad Sam, Dezember 1528/ 1536 (Text S. 97)
Während das Ulmer Lateinschulwesen bereits im Spätmittelalter einen gehobenen Stand erreicht hatte,
erfuhr die im 15. Jahrhundert gegründete deutsche Schule erst im Zuge der Reformation einen Aufschwung.
Hier sollten die Kinder in ihrer Muttersprache an den evangelischen Glauben herangeführt werden. Am
24. August 1526 richtete die Schulkommission die Bitte43 an den Rat, einen oder zwei der Priester, die jetzo
nimmer mess lesen,44 mit Unterweisung der Jugend in der hailligen schrifft, auch zu zucht, ere, tugenden und
allen guten siten zu beauftragen. Die Unterweisung der Kinder mit Hilfe des Katechismus war ein zentrales
Anliegen der Reformatoren. In den 1520er Jahren kursierten in Ulm straßburgische, nürnbergische, eyßlebi-
33 Dies geht aus einem Vermerk im Bericht der Almosen-
pfleger hervor: Das ist dye ordnung der armen. Das muss
man Bernhart Bössern hörn lassa [!], zitiert nach Diehl,
Armenfürsorge, S. 75, vgl. folgende Anm.
34 Abdruck bei Diehl, Armenfürsorge, S. 75f. Beilage I.
35 Siehe unten, S. 195.
36 Wagner, Armenfürsorge, S. 21-59; Schmidt, Gott
wohlgefällig, S. 61-90. Die Almosenordnung ist in ver-
schiedenen Exemplaren überliefert, siehe Diehl,
Armenfürsorge, S. 72 und 77. Der bei Diehl genannte
Text aus dem Heilbronner Stadtarchiv ist 1944 ver-
brannt. Der in unserer Edition abgedruckte Text A lag
Diehl nicht vor. Vgl. Kremmer/Specker, Policeyord-
nungen, Nr. 1461.
37 Diehl, Armenfürsorge, S. 63-70; Nübling, Ulm I,
S. 390f.
38 Diehl, Armenfürsorge, S. 68f.; Nübling, Elm I,
S.418-422.
39 Diehl, Armenfürsorge, S. 74.
40 Nach Diehl, Armenfürsorge, S. 71.
41 Ebd., S. 68f. Zum evangelischen Almosenwesen siehe
auch Nobbe, Armenpflege, S. 569-617.
42 Naujoks, Sozialpolitik, S. 94f.
43 Abdruck bei Cohrs, Katechismusversuche 3, S. 76
Anm. 2.
44 Der Rat ließ die Messe offiziell erst am 16. Juni 1531
abschaffen, siehe unten, S. 67.
64