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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Arend, Sabine [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (17. Band, 2. Teilband = Baden-Württemberg, 4): Reutlingen, Ulm, Esslingen, Giengen, Biberach, Ravensburg, Wimpfen, Leutkirch, Bopfingen, Aalen — Tübingen: Mohr Siebeck, 2009

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https://doi.org/10.11588/diglit.30657#0086
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Ulm

aber erst der Augsburger Reichstag von 1530 markierte schließlich den endgültigen Wendepunkt in der
Ulmer Religionspolitik.61 Die Abgesandten der Reichsstadt vertraten hier zunächst noch eine zögerliche
Haltung, unterzeichneten weder die Confessio Augustana62 noch die Tetrapolitana und waren uneins, ob der
Reichstagsabschied angenommen oder abgelehnt werden sollte. Aufgrund dieser unschlüssigen Haltung
musste Ulm befürchten, zwischen den Mächten zerrieben zu werden.63 Eine Entscheidung sollte durch die
Befragung der Ulmer Zunftherren herbeigeführt werden.64 Bei der Abstimmung, die vom 3. bis 8. November
1530 stattfand, wurden 1865 Personen zur Entscheidung aufgefordert.65 Von diesen sprachen sich 1621
gegen die Annahme des Reichstagsabschiedes aus.66 Die überwiegende Mehrheit der Befragten entschied
sich damit für die Einführung der neuen Lehre. Die so herbeigeführte Klärung der reichsstädtischen Reli-
gionspolitik zugunsten der Reformation sicherte der Magistrat mit dem Beitritt zum Schmalkaldischen
Bund auch nach außen hin ab.67
Am 14. April 1531 wurde ein Neunerausschuss68 der in evangelischen Sachen Verordneten des Rats zu
Ulmm bestellt, dem neben Bürgermeister Georg Besserer vier Patrizier und vier Zunftmitglieder angehör-
ten. Theologen waren nicht beteiligt, das Gremium war aufs engste mit dem reichsstädtischen Magistrat

ling, EKO XVII/1, S. 362-369; vgl. Köhler, Ehege-
richt II, S. 12f.
57 Der Zürcher Rat übersandte die 1528 verfasste Schrift
„Ordnung und Erkandtnussen, wie hinfür Zurich in der
statt über eelich sachen gericht wol werden, wie der
eebruch, hurerey, kuplerey und uneeliche beywonung
gehalten und gestrafft sol werden, die gemeine from kin-
der zetouffen, die ee zebestäten, die predig anzefahen
und zuenden“, vgl. StadtA Ulm H Schmid 24, 1, S. 18f.;
Köhler, Ehegericht II, S. 13.
58 Basel schickte seine Kirchenordnung vom 1. April 1529,
Abdruck bei Roth, Aktensammlung 3, Nr. 473,
S. 383-410. Vgl. StadtA Ulm H Schmid 24, 1, S. 19f.;
Köhler, Ehegericht II, S. 13. Siehe unten, S. 69
Anm. 96.
59 Aus Hessen kam der Druck von 1527: „Was der Durch-
leuchtige Hochgeborne Fürst mit den Closterpersonen,
Pfarrherrn und abgöttischen bildnussen ynn seinen gna-
den Fürstenthumbe aus Göttlicher geschrifft vorgenom-
men hat“. Diesem Text waren vier weitere Ordnungen
beigefügt: Osianders gedrucktes deutsches Taufbüchlein,
die Handschrift „Unterricht des Tauff“, die bei Jobst
Gutknecht gedruckte „deutsche Letaney“ sowie ein
gedrucktes Mandat gegen die Täufer aus Nürnberg,
StadtA Ulm H Schmid 24, 1, S. 24; Köhler, Ehegericht
II, S. 9f.
60 Aus Kursachsen übersandte man die „Ordenung, wie es
in seiner churf. gnaden landen wirdt gehalten, neben der
litanien deutzsch und latein, zusampt einer untherricht
der visitacion an die Pfarrer, ouch was Doctor Martinus
von den ordenungen, wie es seins achtens solt gehalten
werden zu der zeit, da der maiste thail teutzsche messen
haben wolten, geschrieben und seinen Cathecismum“,
StadtA Ulm A [8983/I], fol. 49r-64v; vgl. StadtA Ulm H
Schmid 24, 1, S. 20-24; Köhler, Ehegericht II, S. 10.
61 Zur Ulmer Position auf dem Reichstag siehe Guss-
mann, Quellen I/1, S. 177-201, 320-325; I, 2, S. 289-321.
62 Für Ulm war eine eigene Abschrift des Reutlinger
Exemplars der Confessio Augustana angefertigt worden,
Abdruck bei Tschackert, Handschrift, S. 48-70; vgl.

Specker/Weig, Einführung S. 148f. Die Confessio
Augustana wurde auf dem Augsburger Reichstag 1530
nur von den beiden Reichsstädten Nürnberg und Reut-
lingen unterzeichnet, vgl. BSLK S. 137 und oben, S. 30
Anm. 38.
63 Specker/Weig, Einführung S. 150, 154; Specker,
Ulm, S. 115.
64 Specker/Weig, Einführung S. 157.
66 Das entsprach ca. 12% der reichsstädtischen Bevölke-
rung. Die übrigen ca. 88% waren nicht stimmberechtigt,
siehe Filtzinger, Ulm, S. 147. Zur Zeittafel der Ereig-
nisse sowie zu weiteren Einzelheiten der Abstimmung
siehe Specker/Weig, Einführung, S. 164f.; Specker,
Ulm, S. 115-118; ders., Gewissen, S. 44-46; Brecht,
Ulm 1530-1547, S. 14; Ernst, Reformationsjubiläum,
S. V; Naujoks, Obrigkeitsgedanke, S. 73f.; Reuter,
Schwörbrief, S. 145-150.
66 Die Abstimmungslisten (StadtA Ulm A [8993/I]) sind
gedruckt bei Endriss/Schwaiger, Abstimmungsli-
sten, S. 5-27; Nebinger, Abstimmungslisten, S. 33-68,
und zuletzt Specker/Weig, Einführung, S. 345-374;
vgl. ebd., S. 166; Endriss, Abstimmung, S. 3-49; Filt-
zinger, Ulm, S. 145-148.
67 Specker, Ulm, S. 118.
68 Aus diesem gingen schließlich die Religionsherren her-
vor, die unter dieser Bezeichnung seit 1537 sicher belegt
sind. Durch die fest umrissenen Aufgaben und regelmä-
ßigen Sitzungen wurde ihre Tätigkeit allmählich zum
„Amt“. Gemeinsam mit den Pfarrkirchenbaupflegern
waren die Religionsherren bis 1803 das leitende Organ
für sämtliche kirchliche Angelegenheiten, siehe Spek-
ker, Ulm, S. 122 und Anm. 87; Naujoks, Obrigkeits-
gedanke, S. 81-86.
69 StadtA Ulm A 3530, Ratsprotokolle Bd. 11, fol. 63v-64r,
Abdruck bei Endriss, Reformationsjahr, S. 11. Vgl.
Specker/Weig, Einführung, S. 171; Specker, Ulm,
S. 119; Naujoks, Obrigkeitsgedanke, S. 81-86; Fil-
tzinger, Ulm, S. 150f.; Litz, Bilderfrage, S. 109 Anm.
51.

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