Einleitung
Wahrscheinlichkeit nach vom Ulmer Stadtschreiber Sebastian Aitinger angefertigt,113 anschließend Bürger-
meister Bernhard Besserer und einem Ratsausschuss114 zur kritischen Durchsicht vorgelegt und noch einmal
überarbeitet.115 Sie weist nahezu 300 Sachkorrekturen116 auf, von denen einige wohl von Besserer und dem
Ratsausschuss angebracht wurden, die überwiegende Mehrzahl jedoch von der Hand Martin Bucers
stammt. Bei den Korrekturen handelt es sich zum einen um stilistische, zum anderen um inhaltliche Ver-
änderungen. Hervorgehoben sei etwa, dass von Seiten des Biirgermeisters und des Ratsausschusses der
Begriff „Bann“ getilgt und zunächst durch „Zucht“, schließlich jedoch durch „christliches Ausschließen“
ersetzt wurde.117 Der korrigierte Text gelangte schließlich zum Druck.
Da ein Vergleich des Drucks mit der maßgeblich von Bucer überarbeiteten Druckvorlage wichtige
Rückschlüsse auf die Entstehung der Ulmer Kirchenordnung ermöglicht,118 werden die Abweichungen und
Korrekturen in der Handschrift im textkritischen Apparat der Edition wiedergegeben. Es wurde versucht,
Bucers Hand von derjenigen anderer Schreiber zu unterscheiden, was aufgrund der vielen mitunter minu-
tiösen Korrekturen nicht immer zweifelsfrei ist. Der Zustand des Manuskripts, das mit zahlreichen Ein-
schüben versehen ist und in dem nicht selten mehrere Korrekturen an derselben Textstelle vorgenommen
wurden, erschwert nicht selten die Lesart des ursprünglichen Textes.
Die Ulmer Kirchenordnung vom 6. August 1531 blieb unverändert bis zum Interim 1548 in Kraft. Sie
hatte nicht nur Einfluss auf die Entstehung von Ordnungen anderer südwestdeutscher Reichsstädte,119
sondern wirkte auch auf die 1533 entstandene Zuchtordnung von Münster in Westfalen ein. So wurde die
Ulmer Vorrede nahezu unverändert übernommen. Auch einige Abschnitte zur Kirchen- und Sittenzucht
wurden hier adaptiert.120
Die Ulmer Kirchenordnung war bis 1548 in Gebrauch. Bei der seit 1556 von Superintendent Ludwig
Rabus121 durchgeführten Neuordnung des Ulmer Kirchenwesens in lutherischem Sinne griff man jedoch
nicht mehr auf die Kirchenordnung von 1531 zurück, sondern orientierte sich im wesentlichen an der von
Johannes Brenz 1553 entworfenen württembergischen Kirchenordnung.122
6. Das „Handbüchlein“ - Die Ulmer Agende 27. September 1531 (Text S. 163)
Nachdem mit der Kirchenordnung der äußere Rahmen für die neue Lehre in Ulm geschaffen worden war,
ging man an die Definition der evangelischen Liturgie. Das „Handbüchlein“ stellt das erste liturgische
Formularbuch (Agende) der evangelischen Kirche in Ulm dar. Als Urheber des Texts gilt Konrad
Sam,123 der ihn vermutlich unter Mitarbeit von Ambrosius Blarer124 verfasst hat.125
jedoch darauf, dass die Textpassage möglicherweise an
anderer Stelle nachgetragen wurde, inzwischen aber
nicht mehr auffindbar ist.
113 Brecht, Kirchenordnung, S. 155. Zu Sebastian Aitin-
ger siehe Weyermann, Nachrichten, S. 22-24.
114 Dieser bestand laut Endriss, Reformationsjahr, S. 79
aus Weiprecht Ehinger, Erasmus Rauchschnabel und
Melchior Kuenlin.
115 Endriss, Reformationsjahr, S. 77-80; Brecht, Kir-
chenordnung, S. 155.
116 Brecht, Kirchenordnung, S. 155 Anm. 5 wies bereits
darauf hin, dass ein zeitgenössischer Editor den gesam-
ten Text mitsamt Bucers Randbemerkungen mit ortho-
graphisch vereinheitlichenden Korrekturen versah.
117 Auf die Veränderungen zwischen Druckvorlage und
Druck geht Brecht, Kirchenordnung, S. 155f. ausführ-
lich ein. Vgl. Köhler, Ehegericht II, S. 59.
118 Zur Entstehung vgl. auch Brecht, Kirchenordnung,
S. 155.
119 So etwa in Esslingen, Biberach und Ravensburg.
120 Abdruck der Münsteraner Zuchtordnung bei Corne-
lius, Geschichte, S. 320-327; vgl. Brecht, Kirchenord-
nung, S. 160-163, bes. S. 158f.
121 Zu Ludwig Rabus siehe Appenzeller, Münsterpredi-
ger, Nr. 46 mit weiterführender Literatur; Breiten-
bruch, Münsterprediger, S. 412-414; Fritz, Kirchen-
geschichte 1931, S. 182-188.
122 Siehe unten, S. 78.
123 Siehe Hoffmann, Sam und die Reformation in Ulm,
S. 101. Zu Sams literarischem Schaffen siehe auch Brei-
tenbruch, Predigt, S. 48-63; Appenzeller, Mün-
sterprediger, Nr. 11.
124 Während Bucer und Oekolampad bereits am 31. Juli aus
Ulm abgereist waren, blieb Ambrosius Blarer noch bis
71
Wahrscheinlichkeit nach vom Ulmer Stadtschreiber Sebastian Aitinger angefertigt,113 anschließend Bürger-
meister Bernhard Besserer und einem Ratsausschuss114 zur kritischen Durchsicht vorgelegt und noch einmal
überarbeitet.115 Sie weist nahezu 300 Sachkorrekturen116 auf, von denen einige wohl von Besserer und dem
Ratsausschuss angebracht wurden, die überwiegende Mehrzahl jedoch von der Hand Martin Bucers
stammt. Bei den Korrekturen handelt es sich zum einen um stilistische, zum anderen um inhaltliche Ver-
änderungen. Hervorgehoben sei etwa, dass von Seiten des Biirgermeisters und des Ratsausschusses der
Begriff „Bann“ getilgt und zunächst durch „Zucht“, schließlich jedoch durch „christliches Ausschließen“
ersetzt wurde.117 Der korrigierte Text gelangte schließlich zum Druck.
Da ein Vergleich des Drucks mit der maßgeblich von Bucer überarbeiteten Druckvorlage wichtige
Rückschlüsse auf die Entstehung der Ulmer Kirchenordnung ermöglicht,118 werden die Abweichungen und
Korrekturen in der Handschrift im textkritischen Apparat der Edition wiedergegeben. Es wurde versucht,
Bucers Hand von derjenigen anderer Schreiber zu unterscheiden, was aufgrund der vielen mitunter minu-
tiösen Korrekturen nicht immer zweifelsfrei ist. Der Zustand des Manuskripts, das mit zahlreichen Ein-
schüben versehen ist und in dem nicht selten mehrere Korrekturen an derselben Textstelle vorgenommen
wurden, erschwert nicht selten die Lesart des ursprünglichen Textes.
Die Ulmer Kirchenordnung vom 6. August 1531 blieb unverändert bis zum Interim 1548 in Kraft. Sie
hatte nicht nur Einfluss auf die Entstehung von Ordnungen anderer südwestdeutscher Reichsstädte,119
sondern wirkte auch auf die 1533 entstandene Zuchtordnung von Münster in Westfalen ein. So wurde die
Ulmer Vorrede nahezu unverändert übernommen. Auch einige Abschnitte zur Kirchen- und Sittenzucht
wurden hier adaptiert.120
Die Ulmer Kirchenordnung war bis 1548 in Gebrauch. Bei der seit 1556 von Superintendent Ludwig
Rabus121 durchgeführten Neuordnung des Ulmer Kirchenwesens in lutherischem Sinne griff man jedoch
nicht mehr auf die Kirchenordnung von 1531 zurück, sondern orientierte sich im wesentlichen an der von
Johannes Brenz 1553 entworfenen württembergischen Kirchenordnung.122
6. Das „Handbüchlein“ - Die Ulmer Agende 27. September 1531 (Text S. 163)
Nachdem mit der Kirchenordnung der äußere Rahmen für die neue Lehre in Ulm geschaffen worden war,
ging man an die Definition der evangelischen Liturgie. Das „Handbüchlein“ stellt das erste liturgische
Formularbuch (Agende) der evangelischen Kirche in Ulm dar. Als Urheber des Texts gilt Konrad
Sam,123 der ihn vermutlich unter Mitarbeit von Ambrosius Blarer124 verfasst hat.125
jedoch darauf, dass die Textpassage möglicherweise an
anderer Stelle nachgetragen wurde, inzwischen aber
nicht mehr auffindbar ist.
113 Brecht, Kirchenordnung, S. 155. Zu Sebastian Aitin-
ger siehe Weyermann, Nachrichten, S. 22-24.
114 Dieser bestand laut Endriss, Reformationsjahr, S. 79
aus Weiprecht Ehinger, Erasmus Rauchschnabel und
Melchior Kuenlin.
115 Endriss, Reformationsjahr, S. 77-80; Brecht, Kir-
chenordnung, S. 155.
116 Brecht, Kirchenordnung, S. 155 Anm. 5 wies bereits
darauf hin, dass ein zeitgenössischer Editor den gesam-
ten Text mitsamt Bucers Randbemerkungen mit ortho-
graphisch vereinheitlichenden Korrekturen versah.
117 Auf die Veränderungen zwischen Druckvorlage und
Druck geht Brecht, Kirchenordnung, S. 155f. ausführ-
lich ein. Vgl. Köhler, Ehegericht II, S. 59.
118 Zur Entstehung vgl. auch Brecht, Kirchenordnung,
S. 155.
119 So etwa in Esslingen, Biberach und Ravensburg.
120 Abdruck der Münsteraner Zuchtordnung bei Corne-
lius, Geschichte, S. 320-327; vgl. Brecht, Kirchenord-
nung, S. 160-163, bes. S. 158f.
121 Zu Ludwig Rabus siehe Appenzeller, Münsterpredi-
ger, Nr. 46 mit weiterführender Literatur; Breiten-
bruch, Münsterprediger, S. 412-414; Fritz, Kirchen-
geschichte 1931, S. 182-188.
122 Siehe unten, S. 78.
123 Siehe Hoffmann, Sam und die Reformation in Ulm,
S. 101. Zu Sams literarischem Schaffen siehe auch Brei-
tenbruch, Predigt, S. 48-63; Appenzeller, Mün-
sterprediger, Nr. 11.
124 Während Bucer und Oekolampad bereits am 31. Juli aus
Ulm abgereist waren, blieb Ambrosius Blarer noch bis
71