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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Arend, Sabine [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (17. Band, 2. Teilband = Baden-Württemberg, 4): Reutlingen, Ulm, Esslingen, Giengen, Biberach, Ravensburg, Wimpfen, Leutkirch, Bopfingen, Aalen — Tübingen: Mohr Siebeck, 2009

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https://doi.org/10.11588/diglit.30657#0092
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Ulm

Der Agende ist ein Mandat vom 27. September 1531 vorangestellt, worin Bürgermeister und Rat ihre
Absicht erklären, nach Einführung der Reformation in der Reichsstadt und ihrem Landgebiet einheitliche
Formen für das Abendmahl und die Amtshandlungen der Kasualien zu schaffen.126 Das „Handbüchlein“
enthält die Formulare für Eheeinsegnungen, Taufen, Abendmahlsgottesdienste, Frühgebete sowie für Kran-
kenbesuche. Die Liturgie greift dabei auf verschiedene Vorlagen zurück:127 Bei den Eheeinsegnungen ist
Straßburg das Vorbild128, im Taufformular finden sich Basler und Konstanzer Vorlagen.129 Auch das Mor-
gengebet orientiert sich an Straßburger Verhältnissen, wohingegen die Krankenbesuche nach Basler
Muster130 geregelt sind. Die Abendmahlsliturgie stammt hauptsächlich aus Basel mit einigen Einflüssen aus
Zürich.131 Eine Ulmer Besonderheit zeigt sich darin, dass die Vorbereitungspredigt zum Abendmahl mit-
samt den Einsetzungsworten nicht am Altar, sondern von der Kanzel aus verlesen wurde.132 Die Liturgie
des Predigtgottesdienstes wird im „Handbüchlein“ nicht ausgeführt. Hier griff man offensichtlich auf die
seit dem Spätmittelalter gebräuchliche Form zurück, die allgemein bekannt war und nicht eigens verzeich-
net werden musste.133
Sams Ulmer Agende, die den Pfarrern des gesamten Stadt- und Landgebietes zugestellt wurde,134 war
bis zum Interim in Kraft. Als in den 1550er Jahren in Ulm die von Brenz 1553 entworfene württembergische
Kirchenordnung eingeführt wurde, orientierte man sich auch hinsichtlich des Gottesdienstes an Brenz’
Vorgaben.

4. Fortführung der Reformation nach lutherischem Muster 1533-1548
Nach Sams Tod 1533 suchte man zunächst nach einem ebenfalls gemäßigt Zwingli anhängenden Nachfolger
für die Ulmer Prädikatur. Als der Rat im Juli erneut in Straßburg und Konstanz um eine entsprechende
Persönlichkeit angefragt,135 aus beiden Städten jedoch abschlägige Antworten erhalten hatte, entschied
man sich schließlich für Martin Frecht (1494-1556).136 Dieser entstammte dem Ulmer Patriziat, hatte in
Heidelberg studiert und war dort 1530 zum Doktor der Theologie promoviert worden. 1528-1531 war er

zum 15. September in Geislingen, siehe Bucer, Deut-
sche Schriften 4, S. 208; Specker/Weig, Einführung
S. 195. Zu Blarers Wirken in Geislingen siehe Bucer,
Briefwechsel VI, Nr. 446, Schiess, Briefwechsel I,
Nr. 204, 206.
125 Drucker und Druckort des Textes sind unbekannt.
126 Endriss, Reformationsjahr, S. 101-108.
127 Bucer, Deutsche Schriften 4, S. 209; Endriss, Refor-
mationsjahr, S. 101-108.
128 Siehe die Straßburger Trauordnungen bei Hubert, Ord-
nungen, S. 1-24; vgl. Details bei Endriss, Reformati-
onsjahr, S. 102-105.
129 Vgl. Oekolampads Druck „Form und gstalt, wie die kin-
der tauff, Des herren Nachtmal und der Krancken
heymsuchung jetz zu Basel von etlichen Predicanten
gehalten werden“ von 1526, UB Basel, Falk 931 N.A.,
zur Taufe Bl. Aiii-Avii. Zum Konstanzer Formular siehe
die „Ordnung, die man halt in töufung der Kinder“ (um
1529), Sehling, EKO XVII/1, S. 366f. Vgl. Endriss,
Reformationsjahr, S. 105f.
130 Vgl. Oekolampads „Form und gstalt“ (siehe vorige
Anm.), Bl. Cvi-Dvii.
131 Vgl. ebd., Bl. Aviii-Cv. Die Zürcher Abendmahlsord-

nung von 1525 ist abgedruckt bei Smend, Messen,
S. 194-201. Vgl. Breitenbruch, Predigt, S. 84; End-
riss, Reformationsjahr, S. 106; Waldenmaier, Got-
tesdienstordnungen, S. 31f.
132 Vgl. Waldenmaier, Gottesdienstordnungen, S. 32;
Endriss, Reformationsjahr, S. 107.
133 Endriss, Reformationsjahr, S. 102; Bucer, Deutsche
Schriften 4, S. 209; Waldenmaier, Gottesdienstord-
nungen, S. 32; Fritz, Gottesdienst, S. 108f.
134 Bei der Synode vom Herbst 1531 beklagte der Pfarrer
von Ballendorf, dass ihm noch kein „Handbüchlein“ aus-
gehändigt worden sei, Endriss, Synoden, S. 75.
135 StadtA Ulm A [9000], fol. 9-12: Schreiben Ulms an
Straßburg, Jakob Sturm und Ambrosius Blarer sowie die
Antwort aus Straßburg. Abdruck bei Winckelmann,
Correspondenz 2, Nr. 199, S. 197f.; Nr. 200, S. 198.
136 Zu Martin Frecht siehe Bucer, Briefwechsel VI, S. 278;
Deetjen, Frecht, S. 269-321; Kirn, Frecht,
S. 111-142; Appenzeller, Münsterprediger, Nr. 17;
Breitenbruch, Münsterprediger, S. 411f.; Drüll,
Gelehrtenlexikon I, S. 158-160; Bossert, Briefe (1881),
S. 252-255; (1882), S. 251-265.

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