Metadaten

Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Arend, Sabine [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (17. Band, 2. Teilband = Baden-Württemberg, 4): Reutlingen, Ulm, Esslingen, Giengen, Biberach, Ravensburg, Wimpfen, Leutkirch, Bopfingen, Aalen — Tübingen: Mohr Siebeck, 2009

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.30657#0096
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Ulm

Von allen drei Kommissionen sind die Antworten der Befragten sowie die daraus abgeleiteten Beschlüsse
überliefert.167 Diese Quellen zeigen, dass die bereits auf der letzten Synode 1537 festgestellten Missstände
zwei Jahre später noch nicht beseitigt waren.168 Auch die Protokolle der Visitation von 1543/44 vermitteln
den Eindruck, dass zahlreiche Ziele der reformatorischen Umgestaltung in den Ulmer Landgemeinden nicht
verwirklicht werden konnten.169 Trotz der regelmäßig stattfindenden Visitationen und Synoden, mit denen
der Ulmer Rat seinen Willen zur Einführung der Reformation in den Landgemeinden bekräftigte, fehlten
ihm offensichtlich die personellen Möglichkeiten, seine Ziele durch Entsendung von Aufsichtspersonen kon-
tinuierlich zu verfolgen.

12. Mandat zur Sonntagsheiligung 10. Juni 1541 (Text S. 203)
Das Ratsmandat zur Sonntagsheiligung greift auf die Kirchenordnung von 1531 (Nr. 5) zurück: Hier war
bereits beschlossen worden, sämtliche Feiertage abzuschaffen und allein die Sonntage als Festtage gelten zu
lassen,170 wie es auch in Straßburg 1524 verfügt wordenwar.171 Um so mehr achtete der Rat darauf, dass
zumindest die Heiligung des Sonntags eingehalten wurde: Das Mandat von 1541 verbot bei Strafe eines
Guldens, an diesen Tagen der Arbeit nachzugehen. Ausgenommen waren lediglich die Schmiede, Wagner
und Sattler, die durchreisenden Fremden Hilfe leisten mussten.

13. Verbot von Neuaufnahmen in Klöstern 17. November 1544 (Text S. 204)
Im Zuge der Reformationseinführung gerieten auch die Ordensniederlassungen unter Druck. Nach evan-
gelischem Verständnis war der Platz des Menschen in der Welt und nicht hinter Klostermauern.172 Auch die
ewigen Gelübde, allen voran das der Keuschheit, hatten keine Grundlage in der Bibel.
Bereits vor der Reformationseinführung in Ulm hatte der Rat die Klöster unter seine Aufsicht genom-
men: Am 24. Oktober 1526 beauftragte er eine Kommission damit, Namen und Alter der Konventualen zu
erfassen.173 Am 15. Juni 1531 untersagte er den Augustinerchorherren, Dominikanern und Franziskanern
die Messfeiern,174 und im Herbst mussten die beiden Bettelorden die Stadt verlassen. Lediglich die reichs-
unmittelbare Deutschordensniederlassung blieb unangetastet.175
Am 17. November 1544 gebot der Magistrat allen Ulmer Bürgern und Untertanen, ihre Kinder ohne
Zustimmung des Rates nicht mehr in die Klöster zu schicken, dardurch sie von Christo, unnserm ainigen
herrn unnd haylannd, abfallenn unnd aller seiner lehr höchlich widerstreben. Der Ulmer Magistrat unterstrich
mit diesem Mandat seine Aufsicht über die Klöster. Es zielte darauf, die Klostergemeinschaften zu schwä-
chen und die Auflösung der Konvente durch Beschränkung von Neuaufnahmen zu forcieren.176

167 Abdruck ebd., S. 137-171.
168 Ebd., S. 35.
169 Ebd., S. 35, 39f.
170 Weitere Mandate zur Sonntagsheiligung von 1532, 1535
und 1539 sind überliefert in StadtA Ulm A [1571] Nr. 1,
3 und 6.
171 Vgl. Anrich, Kirchenordnung, S. 100.
172 Vgl. unten, S. 204 Anm. 4.
173 Die Liste der Franziskanerkonventualen ist überliefert

in StadtA Ulm A [8991], fol. 56r. Die Liste der Domini-
kaner in StadtA Ulm A [8991], fol. 58r-61r. Zur Anzahl
der Konventualen bei den Franziskanern und Domini-
kanern siehe auch Keidel, Personalstand, S. 131-140.
174 Specker/Weig, Einführung, S. 126f.; Specker, Ulm,
S. 110f., 122-126; Demuth, Winzler, S. 254-294.
175 Litz, Bilderfrage, S. 96.
176 Specker/Weig, Einführung, S. 188. Vgl. Krem-
mer/Specker, Policeyordnungen, Nr. 1872.

76
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften