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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Arend, Sabine [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (17. Band, 2. Teilband = Baden-Württemberg, 4): Reutlingen, Ulm, Esslingen, Giengen, Biberach, Ravensburg, Wimpfen, Leutkirch, Bopfingen, Aalen — Tübingen: Mohr Siebeck, 2009

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https://doi.org/10.11588/diglit.30657#0098
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Ulm

beschloss daraufhin am 13. Juli, von der sächsischen Maßgabe abzugehen und sich nach der von Johannes
Brenz entworfenen württembergischen Kirchenordnung von 1553 zu richten.185 Der Wunsch der Prädikan-
ten nach einem „Handbüchlein“ - einer Agende wie derjenigen Konrad Sams von 1531 (Nr. 6) - wurde
hingegen abgelehnt und stattdessen auf die agendarischen Teile des württembergischen Regelwerks verwie-
sen.186
Nach dem Augsburger Religionsfrieden von 1555, der die Protestanten den Katholiken reichsrechtlich
gleichstellte,187 nahm Ludwig Rabus (1524-1592)188 die Neugestaltung des Ulmer Kirchenwesens in Angriff.
Rabus war von seinem Amt als Straßburger Münsterpfarrer und Theologieprofessor auf die Superinten-
dentur nach Ulm berufen worden.189 Wie Frecht war auch er Anhänger der wittenbergischen Lehre, er setzte
diese Linie gegen calvinistische Strömungen,190 Katholiken und Schwenckfelder191 bis zum Ende seiner
Amtszeit 1590 beharrlich durch.

14. Mandat zur Religionstoleranz 17. September 1554 (Text S. 205)
Das im September 1554 erlassene Mandat zur gegenseitigen Religionstoleranz steht vor dem Hintergrund
der konfessionellen Gegensätze in Ulm: Am 8. Juni 1554 hatte der Rat beschlossen, dass die Gottesdienste
für die kleine katholische Gemeinde192 nicht mehr im Münster, sondern in der Kirche des Franziskaner-
klosters stattfinden sollten.193 Die Glocken für die Messen mussten zusammen mit denen für den evange-
lischen Gottesdienst geläutet werden.194 Dieses Reglement führte jedoch nicht zur gewünschten friedlichen
Koexistenz evangelischer und katholischer Bürger in der Reichsstadt, und am 17. September musste der
Rat allen seinen Untertanen einschärfen, einander nicht wegen ihres unterschiedlichen Glaubens zu ver-
spotten oder sich gar daran zu hindern, ihren Glauben in der Öffentlichkeit zu leben.

15. Verzeichnis der gültigen Feiertage 13. November 1554 (Text S. 206)
16. Mandat zur Sonn- und Feiertagsheiligung 19. Dezember 1554 (Text S. 207)
Bereits 1541 war ein Mandat zur Sonntagsheiligung erlassen worden (Nr. 12), das 1554 bekräftigt wurde
(Nr. 16). Offensichtlich war die strikte Abschaffung sämtlicher Feiertage mit Ausnahme des Sonntags doch
nicht durchsetzungsfähig gewesen, denn der Rat drängte nun auch auf die Beachtung weiterer Feiertage.
Da es in diesem Bereich immer wieder zu Missverständnissen gekommen war, ordnete er an, die gültigen

(...) Es wurde auch umb der ainfaltigen und unverstandnen
jugent willen die notturfft unvermeidlich ervordern, den
cathechisßmum und kinderbericht in der kirchen widerumb
anzurichten. (...) Was dann die haltung der feyrtag beruert,
do mag sich ain e. rath derselben halben ungevarlich uff die
wirtembergisch ordnung auch entschließen; vgl. Specker,
Kirchenregiment, S. 72; Fritz, Kirchengeschichte 1931,
S. 175f.; ders., Kirchengeschichte 1934, S. 82. Zur Liste
der geltenden Feiertage siehe unten, Nr. 15.
185 StadtA Ulm A 3530 Ratsprotokoll Bd. 23, fol. 199v: Ist
entschlossen, das dess herrn nachtmal und andere puncten
nach vermög der wirtembergischen ordnung angericht und
die verordneten herrn mit den herrn predicanten, wie es
alles in das werckh zurichten, daruber vernemmen, volgends
uff Freitag schierist ain statlicher rath gehalten, unnd das
alles neben der wirtembergischen ordnung abgehört und
endtlich entschlossen werden soll; vgl. Specker, Kirchen-

regiment, S. 72; Fritz, Kirchengeschichte 1931,
S. 176f.; ebd. 1934, S. 82f.
186 Abdruck der württembergischen Kirchenordnung von
1553 in Sehling, EKO XVI, S. 223-276.
187 Specker, Ulm, S. 147-153; Specker/Weig, Einfüh-
rung, S. 228f.; Fritz, Kirchengeschichte 1931, S. 172f.
188 Zu Ludwig Rabus siehe oben, Anm. 121.
189 Specker, Kirchenregiment, S. 73f.
190 Fritz, Kirchengeschichte 1933, S. 1-44.
191 Ebd., S. 117-168.
192 Bis zum Ende des 16. Jahrhunderts betrug der Anteil an
Katholiken in Ulm nie mehr als 3%, siehe Lang, Min-
derheit, S. 89f.; ders., Katholiken, S. 48f. 1570 lebten ca.
400 Altgläubige in der Reichsstadt, im 18. Jahrhundert
waren es nur noch 200, Specker, Ulm, S. 154.
193 Fritz, Kirchengeschichte 1931, S. 174f.
194 Specker, Ulm, S. 150.

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