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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Arend, Sabine [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (17. Band, 2. Teilband = Baden-Württemberg, 4): Reutlingen, Ulm, Esslingen, Giengen, Biberach, Ravensburg, Wimpfen, Leutkirch, Bopfingen, Aalen — Tübingen: Mohr Siebeck, 2009

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https://doi.org/10.11588/diglit.30657#0130
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Ulm

Frag: Was verstast du bey dem wort „Unnser“?
Ant.: Bey dem wort gedenck ich, das allenthalb
vil lewt send, die all der hilff und genad Gottes be-
dörffen, darumb beger ich, das sich Gott mein und
irj aller anneme und genädiglich zuhilff komb. Such
also nit allain mein, sonder anderer nutz unnd from-
men auch, so ich nit sag „mein vatter allain“, sonn-
der „unser Vatter“. Wie nun das wort „vatter“ ain
wort des glaubens ist, also ist das wort „Unser“ ain
wort der brüderlichen lieb und des diensts, den wir
ainander schuldig send.
Frag: Was jwürt da betrachtj: „Der du bist im him-
mel“?
Ant.: Da gedenck ich, das wir ain solchen vatter
haben, der im hymmel sey, in fröd, on alle triebsal,
on leyden unnd schmertzen, unsterblich, wir aber
auff erden in leyden und schmertzen mit widerwer-
tigkayt, ellend und jomer umbgeben, Sterblich.
Darumb gedenck ich, O Gott, das ich |B4v| auch
dermal ains an dem ort möcht sein, von dem jomer
und ellend diser welt entlediget und mecht in des
himelischen vatters armen und schoß ruwen. Ich ge-
denck auch, O Vatter, du bist im himmel, wir aber
send weyt von dir auff erden. Hilff uns zu dir.
Frag: Was bitt man dann Im ersten bitt, so man
sagt: „Gehailiget werd dein nam“?
Ant.: Wir bitten, das der nam Gottes nit ge-
schendt noch gelestert werd durch falsche leer und
predig oder durch unser süntlich, böß leben, sunder
das sein Hayliger nam in aller welt gehayliget unnd
recht erkant werd durch rechtgeschaffne leer seins
worts. Darbey bitten wir, das Gott all falsch leern,
gotßlesterungk und böß leben gnädigklich abschaf-
fen wöl unnd uns zu rechter leer unnd zu ainem
frommen, Christenlichen leben helffen, das wir Gott

i Fehlt 1528.
j-j 1528: haißt dann.
k Fehlt 1528.
l-l 1528: dem andern stuck.
m-m 1528: Wir künden hie auff erden deß Teuffels Reych nitt
gar entlauffen. So lang wir leben, raytzt und treibt er
uns, yetzt zu zorn, dann zu geytz und andern lastern. So
wir nun sagen „Zukumm dein reich“, so bitten wir.

loben, so er uns gnad und barmhertzigkayt be-
weyßt, und in anruffen in leyden unnd sterben.
Frag: Was bitt man in lder andern bittl, so man sagt
| B5r | „Zukum dein reich“?
Ant.: Wir bitten Gott, das er uns auß dem reich
des Teuffels und der finsternüs setze in das reich des
Liechts, das er uns regier und by uns wone und nim-
mermer verlaß. mWir bitten auch hiem, das unß Gott
sein haylgen gaist geb, der uns für treyb und frümm
mach, der unsere hertzen new und rain mach, das sy
lust und lieb zum gutten haben, das böß und alle
unzücht hassenn, In Summa, „Zukumm dein reich“
ist so vil gesagt, als wann ich sprech: Gib uns
deino haylgen gaist unnd mach unns frum.
Frag: Was bitten wir dann Im dritten, so wir sagen
„Dein will geschechp“?
Ant.: Wir bitten da, das Gott nach seinem wol-
gfallen mit uns mach. Im himmel ist ain will. Was
got wil, das wöllen auch all säligen. Aber wir, die
noch flaisch unnd blut haben, send mit Gott nit ains
willens. Darumb bitten wir, das er uns wöll gnad
geben, das wir sein willen mit gedult tragen mögen
unnd nit über In [ B5v | zürnen, ob uns schon dunckt,
es sölt anders mit uns zugon oder Gott sey unns
ungenädig. So er unsern willen also durch vil wider-
wärtigkait bricht, da sollen wir sagen „dein will ge-
schech“, Ach Herr, schaff dein willen an unns, gib
uns gehorsam und gedult, verleich, das wir dein wil-
len für ain gnad halten unnd sterck uns im creutz,
das wir nit verzagen.
Frag: Was ist dann das für ain bitt, so wir sprechen
„Unser täglich brod gib uns heut“?
Ant.: Wie wir vor umb gaistliche güter gebetten
haben, also bitten wir hie umb all leiplich noturfft,

n 1528: hassen. Wir bitten auch, das er deß Teufels TVran-
ney minderen wöll und die verblendten, verstockten sün-
der, so vom Teufel in seinem reych gefangen seind, zu
rechter erkandtnuß Christi füren unnd die zal der Chri-
sten grösser machen wöll.
o 1528: den.
p 1528: geschech auff erden wie im himmel.

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