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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Arend, Sabine [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (17. Band, 2. Teilband = Baden-Württemberg, 4): Reutlingen, Ulm, Esslingen, Giengen, Biberach, Ravensburg, Wimpfen, Leutkirch, Bopfingen, Aalen — Tübingen: Mohr Siebeck, 2009

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https://doi.org/10.11588/diglit.30657#0312
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Ulm

Wir auch nit minder, zum sechßten, hören mies-
sen, darob sich dann auch vil guthertziger christen
nit wenig zum hechsten geärgert, das uff einer cant-
zel alhie, da es ein religio, ein glaub und bekanntnus
sein solle, wider einander geprediget wordenν, allein
auß ambitioß affecten und daher entstandnen
feindtseligen widerwillen, so will demnach ein e.
rath seine prediger alle und jede hiemit uß väter-
licher, getrewer wolmainung nochmaln zu schuldi-
gerr christlicher und briederlicher ainigkait ermanet
haben, und das sie alle widerwertige affect gegen
einander freintlich hinlegen | unnd dabei sich ires ho-
hen und geferlichen stanndts und ambts erindern,
was schwere rechenschafft sie dermaln in iren seelen
unnd gewissen vor Gott und auchs am jingsten tag
fir ire anbefolhene kirchen werden geben mies-
sen31, wo sie durch solche ire widerwertigkeiten, lö-
sterung göttlichs worts unnd örgernussen oder ja et-
wan gar abfäll etlicher christent (wie laider die er-
farungen bezeugen) verursachen. Da aber je einer in
deß andern lehr oder leben etwas zu emendieren
oder zustraffen zusein darfir halten welte, das einer
den andern dariber freintlich und nach der lehr Pau-
li vermane und anspreche32 und nit auff offne cant-
zel trage oder, do es netig, an andern gebirenden
orten conventualiter anbringe, desselben weitere
mainung abermaln freintlich und briederlich anhere
und anderer entscheid dariber erwarte.
Zum sibenden laufft auch under den predigern
der ubelstannd fir, welches einem rechtgeschaffnen
kirchenwesen auch ungemeß, ja gar nit uffbeulich,
das sie etwan politische hendel unnd sachen, davon
sie weder rechten bericht noch grund haben, uff die
cantzlen bringenξ, ja offt solchen yblen bericht, |
wann manß bey dem liecht besihet, das sich der-
gleichen geschäfft oder sachen gar nirgendt in den
geschichten verloffen, darumben sie sich auch sol-

ν Predicanten nitt widereinander predigen. B: Hern predi-
canten sollen nitt widereinander predigen.
ξ Politische sachen one rechten grundt nit uff [B: uff die]
cantzel bringen.
ο Der langen repetitionibus sich enthaltten.
π Gesang.

r Fehlt B.
s Fehlt B.

cher frembder hendel und geschefften, davon zu pre-
digen, zue verschonung deß ministerii billich zuent-
halten oder, do je solche sachen firkämen oder fir-
lieffen, welche uff der cantzel zustraffen unnd zu-
tadeln von neten sein wurden, das sie zuvor jeder
zeit rechten grund einnemmen, miteinander selbs
darvon deliberieren oder doch andere, die es betref-
fen mechte, zuvor darüber hören unnd alsdann, do
es netig, sich ires ampts gebrauchen mechten.
Es seind auch, zum achtenden, die unnetige re-
petitiones, deren sich etliche auß den ministris yber
ire vorgehaltene predigten gebrauchen unnd die au-
ditores darmit etwan lennger weder33 der volgennde
sermon an ime selbert ist, uffhalten, ser verdrießlich
unnd auch nit erbeulich, werden sie sich solcher
yberflissiger unnd lanngen repetitionum hinfirter
wissen zuenthaltenο, bald zum text zugreiffen unnd
die darinnen begriffne lehren one weitere umb-
schwaiff firzutragen.
πUnnd allß, zum neundten, auch die gemaine
und sonderlichen daß junge volckh von den christ-
lichen psalmen gesängen inn der kirchen | vor unnd
nach denn predigen schier gar kommen durch daß,
das etwan an einem psalmen, der angefangen wirdet
gesungen zuwerden, etwan kaum ein gesätz34 oder
zwey ußgesungen, welches schlechte andacht gibt
unnd darzu, wie gemeldet, das volckh von den trost-
lichen psalmen gesänngen kombt, so haltet ein e.
rath darfür, das dem allso zuhelffen sein mechte:
Wann zu anfang der organist sein mutet35, die er
gemeinclich erstens unnd vor der predig zuschlagenn
pflegt, außgeschlagen, das er alßdann nit mer dann
ein gsetz an dem psalmen, deß sich das ministerium
jedes sonn- oder feyrtags verglichen und den zusin-
gen bevolhen haben wirdet, schlagen und firter der
chor denselben psalmen nach unnd für auß, biß man
das drite36 zur kirchen leuten wirdet unnd an das

i Fehlt B.
31 Vgl. Mt 12,36; Röm 2,1-16.
32 Vgl. Mt. 18,15-17; Gal 6,1.
33 Als.
34 Eine Strophe.
35 Motette, Orgelvorspiel.
36 Das dritten Glockenläuten, das den Beginn des Gottes-
dienstes ankündigt.

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