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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Arend, Sabine [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (17. Band, 2. Teilband = Baden-Württemberg, 4): Reutlingen, Ulm, Esslingen, Giengen, Biberach, Ravensburg, Wimpfen, Leutkirch, Bopfingen, Aalen — Tübingen: Mohr Siebeck, 2009

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https://doi.org/10.11588/diglit.30657#0336
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Esslingen

zahlreichen Mandaten musste immer wieder auf die Befolgung der Verordnungen gedrungen werden.61
Schließlich verfügte der Esslinger Magistrat die Überarbeitung der Zuchtordnung, deren Neuauflage am 13.
August 1598 im Druck erschien.62 Die Denunziationspflicht der Bürger war hierin gelockert und die Geld-
strafen zum Teil verringert worden. Weitere Neuauflagen der 1598er Ordnung erschienen am 25. Juli 1602
sowie 1615. In den letzten beiden Fassungen sind die einzelnen Kapitel gegenüber der Ordnung von 1598
teilweise in unterschiedlicher Reihenfolge angeordnet, der Text selbst weist jedoch nur marginale Verän-
derungen auf. Eine Sonderstellung nimmt ein Auszug aus der Zuchtordnung von 1609 ein. Er umfasst
lediglich die beiden Abschnitte „Von Hurerey“ und „Vom Ehebruch“, die in weiten Teilen einen veränderten
Wortlaut gegenüber dem Text von 1598 aufweisen.
Mit der Zuchtordnung hatte der Rat 1532 die umfassende Neuordnung des evangelischen Kirchenwe-
sens in die Hand genommen. Eine Kirchenordnung, in der die Ausrichtung der neuen Lehre definiert und
die Zeremonien von Gottesdienst und Kasualien festgelegt worden wären, strengte man jedoch in Esslingen
ebensowenig an wie in Konstanz.63

6. Neuordnung des Esslinger Pfarrsprengels [vor 24. März 1532] (Text S. 357)
Hatte der gesamte Stadtbezirk mit der Pfarrkirche St. Dionysius bis zur Reformationseinführung eine
einzige Pfarrei gebildet, so wurde diese 1532 in vier Bezirke mit je einer Hauptkirche (St. Dionysius,
Barfüßerkirche, Karmeliterklosterkirche und die Kirche der Sirnauer Dominikanerinnen in der Pliensau-
vorstadt) untergliedert. Jedem Bezirk wurden zwei (St. Dionysius drei) Prädikanten zugeteilt, die sich an
einen genauen Dienstplan für die Frühgebete, Tag- und Abendpredigten halten mussten.64 Die Unterteilung
des Pfarrsprengels war allein organisatorischer Art, sie änderte nichts an den rechtlichen Verhältnissen:
St. Dionysius blieb die einzige Kirche der Stadt mit Pfarrrechten und hier fand sonntags weiterhin der
Hauptgottesdienst statt.65 Mit der Untergliederung des großen Esslinger Pfarrsprengels66 in vier kleinere
Einheiten sollte den Gläubigen in mehreren Kirchen Gelegenheit gegeben werden, die evangelische Predigt
zu hören.
Die Neuordnung des Pfarrsprengels muss vor dem 24. März 1532 stattgefunden haben, da an diesem
Tag weitere Anweisungen für die Zuchtherren in den vier Pfarrsprengeln erlassen wurden (Nr. 8). Die vier
Pfarrbezirke scheinen nur für kurze Zeit bestanden zu haben: Am 1. April 1533 schrieb ein Esslinger
Prediger - möglicherweise Martin Fuchs67 - an Ambrosius Blarer nach Konstanz, dass von den vier Bezir-

61 StadtA Esslingen, Reichsstadt, F. 10 OB I, fol. 144 vom
20. August 1536; StadtA Esslingen, Reichsstadt, F. 10A
Zuchtordnungen vom 8. September 1538; StadtA Esslin-
gen, Reichsstadt, F. 10 OB I, fol. 247 vom 9. August
1545; StadtA Esslingen, Reichsstadt, F. 10 OB II,
fol. 79-83 von 1549. Vgl. auch in unserer Edition Nr. 27
und 30.
62 In der Forschungsliteratur wird immer wieder erwähnt,
dass auch am 28. August 1541 eine Neuauflage der
Zuchtordnung erschien, etwa bei Borst, Geschichte der
Stadt, S. 232 und Köhler, Ehegericht II, S. 134. Bei
dieser „Neuauflage“ handelt es sich um Artikel, die
unter dem Titel „Verkhinnt Zuchtordnung widerumb
geendert“ ausschließlich Hochzeitsfestlichkeiten betra-
fen: StadtA Esslingen, Reichsstadt, F. 10.
63 Zu Konstanz siehe Sehling, EKO XVII/1, S. 341-343,
vgl. Brecht, Blarers Wirksamkeit, S. 146-151.

64 Vgl. Schröder, Kirchenregiment, S. 110 und
Anm. 350; Bernhardt, 450 Jahre, S. 122.
65 Schröder, Kirchenregiment, S. 110.
66 Am 24. März 1532 wurden organisatorische Maßnahmen
für die vier Pfarrbezirke ergriffen, vgl. die Ordnung zur
Einsetzung von Zuchtherren in den vier Pfarrsprengeln
vom 24. März 1532 (Nr. 8). Die Untergliederung des
Pfarrsprengels muss also vor diesem Zeitpunkt stattge-
funden haben.
67 Der aus Esslingen stammende Martin Fuchs war seit
1519 Kaplan in der Frauenkirche, erhielt wegen evan-
gelischer Predigt eine Geldstrafe vom Konstanzer Offi-
zial, floh 1524 nach Ettlingen/Baden und kehrte 1531
nach Esslingen zurück. Im September 1533 wurde er
wegen Streit mit Jakob Otter entlassen, siehe unten,
S. 321. Zu Martin Fuchs siehe Cramer, Pfarrerbuch
III, Nr. 121; Schröder, Kirchenregiment, S. 381.

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