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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Arend, Sabine [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (17. Band, 2. Teilband = Baden-Württemberg, 4): Reutlingen, Ulm, Esslingen, Giengen, Biberach, Ravensburg, Wimpfen, Leutkirch, Bopfingen, Aalen — Tübingen: Mohr Siebeck, 2009

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https://doi.org/10.11588/diglit.30657#0346
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Esslingen

damit Einsprachen in dieser Frist vorgenommen werden konnten. Auch diese Regelung fand unter der
Bevölkerung nur wenig Beachtung.134

32. Ordnung des Katechismusunterrichts 12. Juli 1551 (Text S. 403)
Der Schmalkaldische Krieg (1546) hatte die Reichsstadt Esslingen auf lange Zeit finanziell ruiniert und
politisch geschwächt.135 Jakob Otter starb 1547 und an seine Stelle als erster Theologe und Pfarrer trat der
aus Ulm stammende Dr. Otmar Mailänder, zuvor Pfarrer in Böblingen. Dem Interim, das der Kaiser am
15. Mai 1548 auf dem Augsburger Reichstag erließ und das die Restitution des alten Glaubens vorsah,
stand die Esslinger Bevölkerung ablehnend gegenüber. Im August 1548 sah sich der Rat schließlich gezwun-
gen, das Interim umzusetzen. Er lavierte jedoch zwischen der Loyalität zum Kaiser und den Forderungen
der evangelischen Gemeinde.136 Ebenso wie im Herzogtum Württemberg13' gelang es auch dem Esslinger
Rat, einen Mittelweg zwischen dem Kaiser und den Bürgern zu finden, indem er die evangelische Predigt
von Katechisten fortführen ließ. Auch der zunächst abgeschaffte Katechismusunterricht wurde wieder
eingeführt.138 Der Rat beauftragte Georg Hüttlin mit der Neuorganisation der Jugendunterweisung.139
Diese sollte jeden Sonn- und Feiertag in der Kirche des Barfüßerklosters stattfinden.140

5. Das evangelische Kirchenwesen nach dem Interim 1552-1618
Nach Abschluss des Passauer Vertrages am 31. Juli 1552, dem offiziellen Ende des Interims, zögerte man in
Esslingen - ähnlich wie etwa in Schwäbisch Hall und Heilbronn141 -, offiziell zum evangelischen Glauben
zurückzukehren.142 Seit dem Interim gab es in Esslingen eine kleine altgläubige Gemeinde. Die Stadt war zu
dieser Zeit gemischtkonfessionell.143 Mit dem 1555 geschlossenen Augsburger Religionsfrieden wurden die
Evangelischen zwar reichsrechtlich anerkannt, der Esslinger Rat hielt jedoch auch jetzt noch am Interim
fest. In diesem Jahr wurde das Reichskammergericht erneut kurzfristig in die Reichsstadt verlegt144, und
der Magistrat war auch gegen den zunehmenden Protest der Prädikanten nicht bereit, seine interimistische
Kirchenverwaltung aufzugeben.145 Während des langen Esslinger Interims wurden jedoch der Katechis-
musunterricht und die evangelischen Predigtgottesdienste fortgeführt. Als evangelischer Prediger amtierte
Martin Rauber aus Ulm.146 Am 28. Oktober 1552 legte er dem Rat eine Kirchenordnung vor, die an das
Ulmer Vorbild von 1531147 angelehnt war. Raubers Ordnung ist nicht erhalten, ihr Umfang und Inhalt

134 Köhler, Ehegericht II, S. 137.
135 Bernhardt, Lutherei, S. 93-101; Schmidt, Reichs-
stadt, S. 71-104. Zur wirtschaftlichen Konkurrenz Ess-
lingens mit dem Herzogtum Württemberg, siehe Nau-
joks, Reichsfreiheit, S. 279-302.
136 Zu den Esslinger Verhältnissen zur Zeit des Interims
siehe Rublack, Esslingen, S. 83-90; Schröder, Kir-
chenregiment, S. 131-136.
137 Vgl. Sehling, EKO XVI, S. 40 Nr. 25.
138 Rau, Obrigkeit, S. 213 konstatiert, dass seit dem 6. Juni
1552 in der Barfüßerkirche wieder evangelischer Gottes-
dienst gefeiert wurde, nennt jedoch keinen Quellenbeleg.
Vgl. Borst, Geschichte der Stadt, S. 234; Schröder,
Kirchenregiment, S. 139.
139 Schröder, Kirchenregiment, S. 139.
140 Auch in Heilbronn strengte man die Wiedereinführung
des Katechismusunterrichts an und wandte sich am 25.

August 1551 in dieser Sache an Esslingen: StaatsA Lud-
wigsburg B 169 Bü 34. Vgl. Sehling, EKO XVII/1,
S. 225.
141 Zu Schwäbisch Hall und Heilbronn siehe Sehling,
EKO XVII/1, S. 33f. und 234f.
142 Rublack, Esslingen, S. 88-90.
143 Schröder, Kirchenregiment, S. 146f.
144 Die Reichsstadt Speyer, wo das Gericht bis dahin resi-
dierte, war zu dieser Zeit von der Pest bedroht. Schrö-
der, Kirchenregiment, S. 146.
145 Schröder, Kirchenregiment, S. 142-159.
146 Martin Rauber blieb bis zu seinem Tod 1560 Prädikant
in Esslingen; Arend, Rauber, S. 425-439; Cramer,
Pfarrerbuch III, Nr. 315; Appenzeller, Münsterpre-
diger, Nr. 27; Litz, Bilderfrage, S. 225 Anm. 5.
147 Siehe oben, S. 124 Nr. 5.

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